Kooperationen auch mit Uni Stuttgart Trägt deutsches Wissen zur Aufrüstung Chinas bei?

Florian Gann

Insgesamt 48 deutsche Hochschulen sollen mit militärischen Forschungseinrichtungen in China kooperiert haben, berichtet ein Recherchekollektiv. Das wirft die Frage auf, wie stark sich deutsche Wissenschaftler für die Aufrüstung der Volksrepublik einspannen lassen.

 
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Die Recherchen beziehen sich auf sogenannte Dual-Use-Produkte – diese können, wie Drohnen, sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden. Foto: imago images/Xinhua

Tragen deutsche Forschungseinrichtungen zum militärischen Aufstieg Chinas bei? Geht es nach den Recherchen von elf europäischen Medien – darunter etwa die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), die Rechercheplattform Correctiv und die Investigativplattform Follow the Money – liegt zumindest der Verdacht nahe. Die Journalistinnen und Journalisten werteten 350 000 Studien seit dem Jahr 2000 aus, um Kooperationen zwischen europäischen Unis und chinesischer Militärhochschulen auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis: 48 deutsche Hochschulen kooperierten mit chinesischen Militärhochschulen, dabei entstanden 349 Publikationen mit deutscher Beteiligung. Was bedeutet das? Und wird damit gegen Recht verstoßen? Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

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Welche Unis sind betroffen? Die meisten Publikationen, bei denen deutsche Hochschulen mit militärischen Forschungseinrichtungen in China zusammengearbeitet haben, kommen mit 39 von der Max-Planck-Gesellschaft. Dahinter folgen die Ruhr-Universität Bochum und die Uni Hamburg (je 27) und das Karlsruher Institut für Technologie (21). Auch Forschende der Uni Stuttgart arbeiteten zudem etwa mit der chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung (NUDT) zusammen, laut dem Deutschlandfunk die wichtigste Universität des chinesischen Militärs. Allein 230 der 349 deutsch-chinesischen Publikationen entstanden gemeinsam mit dem NUDT. Diese Militär-Uni untersteht laut der „SZ“ der Zentralen Militärkommission, dem höchsten Verteidigungsgremium Chinas. Deren Vorsitzender ist der chinesische Staatschef Xi Jinping.

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Warum könnten die Kooperationen problematisch sein? Prinzipiell sind Kooperationen zwischen Hochschulen nichts Außergewöhnliches. Als riskant werden Forschungsprojekte aber dann eingeschätzt, wenn sie sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Man spricht dabei von Dual-Use-Anwendungen. Zumindest einige der betroffenen Projekte sollten laut unabhängigen Wissenschaftlern auch für militärische Zwecke einsetzbar sein, sie sind demnach also Dual-Use-Fälle, berichtet Correctiv.

Zu den häufigsten Forschungsbereichen, die in den Publikationen mit deutscher Beteiligung behandelt werden, zählen etwa Informatik, Kernphysik und Künstliche Intelligenz. Forschungen aus diesem Bereich könnten also – theoretisch – der atomaren Aufrüstung dienen oder für autonom fliegende Waffen eingesetzt werden.

Auch die Entwicklung Chinas spielt bei der Einordnung eine Rolle. Das Land modernisiert unter Präsident Xi Jinping seine Armee. Xi will China bis zum Jahr 2049, wenn die Volksrepublik 100 Jahre alt wird, auch zur militärischen Supermacht machen – möglicherweise eben mit deutschem Know-how.

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Ist eine solche Zusammenarbeit mit möglichem militärischem Nutzen nicht verboten? Forschung und Lehre sind in Deutschland frei, das ist im deutschen Grundgesetz verankert. Allerdings gibt es der „SZ“ zufolge auch Exportkontrollen für immaterielle Güter wie Forschungsarbeiten. Dazu kann demnach Wissen zählen, das für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden kann. Zuständig dafür ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Allerdings ist unklar, wie viele Projekte genehmigt wurden – das Bafa äußert sich nicht zu einzelnen Anträgen.

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Was tun Unis, um unethische Kooperationen auszuschließen? Viele deutsche Hochschulen verweisen laut Correctiv auf interne Risiko-Checks und Richtlinien wie die der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG). Die Max-Planck-Gesellschaft hat etwa eine Kommission für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung eingerichtet, an die sich Forscherinnen und Forscher wenden können. Die Uni Stuttgart, die laut Correctiv mit der NUDT an einer Verschlüsselungstechnik arbeitete, schließt eine Dual-Use-Nutzung aus.

Wie schätzen Beobachter das Ganze ein? Sicherheitsbehörden warnen laut verschiedenen Berichten schon länger vor dem Interesse Chinas an westlicher Technologie. Der Bundesverfassungsschutz warnt auf seiner Homepage, dass sich deutsche Forscher nicht aller Gefahren bewusst seien – oder diese vorsätzlich ignorierten. Darüber hinaus gibt es aus der Wissenschaft immer wieder Stimmen, die für ein stärkeres Bewusstsein für die Risiken der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik eintreten.

Welche Länder am intensivsten kooperieren

Spitzenreiter
 Das Recherchekollektiv hat europaweit 2994 wissenschaftliche Arbeiten identifiziert, bei denen europäische Hochschulen und militärische Hochschulen aus China beteiligt waren. Die meisten der Forschungsarbeiten entfallen mit 1389 auf Großbritannien. Deutschland liegt mit 349 Publikationen auf Rang zwei, vor den Niederlanden (288) und Schweden (230).

Tendenz
 In den vergangenen zehn Jahren habe die Zahl der Kooperationen mit chinesischen Militär-Forschungseinrichtungen zugenommen, berichtet die niederländische Investigativplattform Follow the Money, welche die Recherchen geleitet hat.