Kostenloses Training Per Computer zu neuer Paar-Harmonie

Michael Trauthig
Auch Kinder leiden unter Ehekrisen. Foto: Imago/Stock&people

Mit einem kostenfreien Trainingsportal will die Erzdiözese Freiburg Paaren helfen, bevor es zu spät ist. Oft warten Paare nämlich zu lange, bis sie Beratung suchen.

 
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Bettina Zenner hat es oft erlebt: Paare, die eine Krise durchmachen, besuchen ihre Kurse, aber sie sind dort schon fehl am Platz. „Ihre Beziehung ist mittlerweile so stark belastet, dass eine Besserung in diesem Rahmen nicht mehr möglich ist“, sagt die Familientherapeutin. Die beiden Partner schafften es dann häufig nicht einmal mehr, sich gegenseitig zuzuhören und aussprechen zu lassen.

Die gleiche Beobachtung hat Christian Roesler gemacht. „Vielfach ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen“, sagt der Freiburger Psychologieprofessor. Das liege auch daran, dass die Krisenprävention für Paare in Deutschland zu kurz komme. „Andere Länder – etwa in Skandinavien – sind da weiter.“

Der wirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden

Die Folgen sind laut Roesler massiv – sowohl wirtschaftlich als auch psychosozial: Kinder, deren Eltern sich trennen, litten oft seelisch und hätten es später schwerer, eine gelingende Beziehung aufzubauen. Auch den Partnern mache die Situation zu schaffen. Ihre Gesundheit nehme unter Umständen Schaden, Depressionen oder andere Krankheiten könnten entstehen. Die Konzentration leide womöglich, die Leistungen am Arbeitsplatz könnten ab-, die Ausfallzeiten zunehmen. „Der ökonomische Schaden geht in die Milliarden“, erklärt Roesler.

Nicht zuletzt deshalb wollen er und Zenner nun mit dem nach ihrer Auskunft „ersten kostenfreien Online-Trainingsportal für Paare in Deutschland“ die Vorsorge stärken, finanziert vom katholischen Erzbistum Freiburg. Dessen Diözesanstelle Ehe, Familien, Leben wird von Zenner geleitet. Auf der Webseite lotsenportal.de können Paare seit Mitte Januar einen Fragebogen ausfüllen. Ihre 22 Antworten werden automatisch zur Analyse der jeweiligen Beziehung ausgewertet.

„Wir unterscheiden drei Belastungsniveaus“, erklärt Roesler. Je nachdem, wie ausgeprägt die Krise sei, erhielten die Paare unterschiedliche Trainingsprogramme und Übungen, um zu neuer oder besserer Harmonie zu finden. Bei einer sehr starken Belastung ermögliche eine Hotline direkten Kontakt zu professioneller Hilfe.

Das Risiko steigt, wenn die Eltern in der Nähe wohnen

„Die Trainings widmen sich den Themenfeldern, die bedeutsam sind für eine gute Beziehung“, sagt Zenner. Es gehe um Stress, um Nähe und Distanz, um die Kommunikation untereinander und die Sexualität.

Auch die Wissenschaft soll profitieren: Stimmen die Teilnehmenden zu, werden ihre Daten anonym durch die katholische Hochschule Freiburg ausgewertet. „Wir untersuchen zum Beispiel, ob die bisher bekannten Risikofaktoren tatsächlich vermehrt zu Problemen in der Partnerschaft führen“, sagt Roesler. So gilt es zum Beispiel als belastend, wenn Eltern der Partner in der Nähe wohnen. Denn dann würden sich die Älteren häufig in die Erziehung der Kinder einmischen, was zu Streit führe.

Der Psychologieprofessor und die Therapeutin beobachten allerdings nicht, dass Schwierigkeiten in Partnerschaften generell zunehmen. Vielmehr sei es für Paare heute herausfordernder als früher, ihre Beziehung gut zu gestalten. Denn zahlreiche Fragen müssten jetzt erst ausverhandelt werden: Wie ist die Rollenverteilung, wie gestaltet man die Kindererziehung? Und was kommt, wenn die Romantik geht.

„Man kann Paaren jedoch sehr gut helfen, wenn sie rechtzeitig kommen“, sagt der Professor. Diese Botschaft scheint schon angekommen zu sein: Rund 30 Fragebögen pro Tag sind seit dem Start der Internetseite ausgefüllt worden. „Ich bin überrascht“, betont Roesler. „Das ist sehr viel für die kurze Zeit.“

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