Kritik an Schliefenanlage „Grimms Märchen haben mehr Wahrheitsgehalt“

Der Jungfuchs aus der Kasendorfer Schliefenanlage lebt sich so langsam in seinem neuen tiergerechten Zuhause ein. Susa heißt das Tier jetzt, benannt nach der Kulmbacherin Susanne Schilling. Über das jüngste Verhalten der vorigen Halter schütteln Tierschützer weiter den Kopf. Foto: Privat

Nachdem ein Jungfuchs aus einer Schliefenanlage in Kasendorf befreit und in eine Auffangstation gebracht wurde, geht es diesem inzwischen besser. Gegenüber dem Betreiber der Anlage erheben die Tierschützer erneut schwere Vorwürfe.

 
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Viele Jahre lang wurden in einer Schliefenanlage bei Kasendorf Jagdhunde an lebenden Füchsen trainiert. Die Ermittlungen gegen den Betreiber, den Dachshund-Club Nordbayern - Sektion Coburg – , laufen noch. Die angebliche Füchsin, welche nach Protesten der Tierschutzorganisation Peta aus der Schliefenanlage in Kasendorf bei Kulmbach befreit wurde, hat sich als Männchen entpuppt. Nach wie vor ist unklar, ob es sich um eine bewusste Täuschung oder ein Versehen handelt.

Vor Kurzem wurde der Fuchsrüde von Tierschützern in Kasendorf abgeholt und in seine neue Heimat gebracht (wir berichteten). Schwerpunkt dieser Anlage ist es, elternlose Fuchswelpen aufzunehmen, sie aufzuziehen und dann wieder auszuwildern. Aber auch fünf erwachsene Füchse leben auf dem rund 1500 Quadratmeter großen Areal. Drei Wochen lebt Jungfuchs Susa nun in der Wildtierauffangstation. Mitarbeiter der Anlage berichten, wie es ihm geht und welche Zukunft ihm bevorsteht.

Wie ist die Auffangstation auf den Fall aufmerksam geworden?

Laut Verein Wildtierschutz Deutschland, der die Wildtierauffangstation unterstützt, hat das Veterinäramt Kulmbach eine Anfrage bezüglich der artgerechten Unterbringung gestellt. Parallel dazu habe sich eine engagierte Tierschützerin aus der Region bemüht, weil eine Beschlagnahmung wegen tierschutzwidriger Haltung und Unterbringung in Aussicht stand.

Der Dachshund-Club Nordbayern, verantwortlicher Betreiber dieser Schliefenanlage, schreibt auf seiner Homepage, „die Füchse hätten zu ihrem Betreuer ein enges und vertrauensvolles Verhältnis“. Wie ist der Standpunkt der Tierschützer zu dieser Aussage?

„Der Fuchs suchte im Zwinger den größtmöglichen Abstand zwischen sich und dem Schliefenwart, verhielt sich scheu und ängstlich“, berichten die Tierschützer. Insofern sei das ein ganz und gar typisches Verhalten wie man es gemeinhin von Wildtieren gegenüber Menschen kennt. Was daran eng oder vertrauensvoll sein sollte, sei den Mitarbeitern der Auffangstation allerdings verborgen geblieben.

Weiterhin schreibt der Dachshund-Club Nordbayern in seiner Stellungnahme: „Der fitte Rotrock wollte nicht gehen, nur in die ihm vertraute Transportbox, mit der er immer vom Zwinger zur Schliefenanlage gebracht wurde, ging er freiwillig.“

Diese Darstellung ist nach Ansicht der Tierschützer „ein vom Dachshund-Club frei erfundenes Märchen“. Tatsächlich habe man eine Transportbox mitgebracht. Der Schliefenwart sei mit dieser alleine in den Zwinger gegangen und habe den Fuchs in die Transportbox gescheucht. Fotos, die dabei entstanden sind, würden die Aussagen des Dachshund-Clubs widerlegen.

Welche Informationen hat die Tierschutz-Organisation zu dem Fuchs bekommen?

Bei der Übergabe an der sei der Fuchs als seit neun Jahren in diesem Zwinger lebende Fuchsfähe vorgestellt worden, der man den Namen „Nadja“ gegeben hätte. Nadja sei in der Schliefenanlage geboren worden. All diese Aussagen habe der Schliefenmeister am 23. Oktober vor drei Zeugen getätigt. Interessant sei für die Mitarbeiter die Aussage des Schliefenmeisters gewesen, dass die Füchse in der Anlage nur jeden zweiten Tag mit Futter versorgt wurden.

Wie ging es mit der Füchsin Nadja in der Fuchsstation weiter?

Dem Fuchs wurden ein paar Tage zur Eingewöhnung gegeben, bevor er mit Artgenossen vergesellschaftet wurde. Bemerkenswert sei dabei sein gesunder Appetit gewesen, was an Futter angeboten wurde. Besonders auffällig sei die fuchsuntypische Zurückhaltung beim Erkunden des Geheges. Normalerweise erkundet ein Fuchs in den Nachtstunden jeden Winkel der ihm zur Verfügung steht. Dieses Tier habe aber tagelang Hemmungen gehabt, über Holzbretter zu laufen. Zwischenzeitlich aber ist er mutiger und blüht von Tag zu Tag mehr auf, berichten die Betreuer von Susa.

Wurde der Fuchs inzwischen von einem Tierarzt untersucht?

Ja. Bei einem so alten Fuchs ist beispielsweise mit Arthrose zu rechnen, Zahndefekte können zu schwerwiegenden und schmerzhaften Entzündungen im Kieferbereich führen. Wildtiere und insbesondere Füchse seien Meister darin, sich solche Beeinträchtigungen nicht anmerken zu lassen.

Was ergab die Untersuchung?

„Grimms Märchen haben mehr Wahrheitsgehalt als die Aussagen des Schliefenwarts uns gegenüber“, meinen die Tierpfleger. Zum einen handele es sich bei der angeblich neun Jahre alten Fuchsfähe Nadja um einen Fuchsrüden, also ein männliches Tier. Die weiteren bei der Untersuchung ermittelten Merkmale ließen zudem den Schluss zu, dass dieser Fuchs keinesfalls neun Jahre alt sein kann. „Wie kann es sein, dass ein neunjähriger weiblicher Fuchs übergeben werden soll, und es stellt sich heraus, es ist definitiv ein Rüde, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht älter als zwei Jahre ist?“, sagt Oliver Hempfling, Abteilungsleiter am Landratsamt Kulmbach. Auf die Nachfrage unserer Zeitung, wie so eine Verwechslung passieren kann, teilt Rosi Bauersachs aus Rödental, Zuchtwartin im DCN Coburg, mit, sie wolle sich zu dem Sachverhalt nicht äußern. Auch ihre Amtskollegin im Verein, Tierärztin Dr. Marlies Müller aus Coburg, will nichts dazu sagen. Die bei der Untersuchung entstandenen Bilder und Röntgenaufnahmen wurden inzwischen ans zuständige Veterinäramt sowie an das involvierte Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) weitergeleitet.

Wo ist die neun Jahre alte Nadja abgeblieben und der zweite, angeblich noch ältere Rüde, die das Veterinäramt noch im Juli 2022 bei einer Kontrolle der Schliefenanlage vorgefunden haben?

Das weiß aktuell niemand. Auf der Anlage in Kasendorf habe man bei einer neuerlichen Untersuchung kein weiteres Tier gefunden, so Hempflung. Diese Frage müsse man dem Dachshund-Club Nordbayern stellen, sagten die Tierschützer. Sie sind überzeugt: „Nach dem Sammelsurium an Märchen und Unwahrheiten, die man bislang dem Veterinäramt, der Presse und sogar den eigenen Mitgliedern gegenüber aufgetischt habe, kann man dabei wohl aber auf keine ehrliche Antwort hoffen.“

Und wie sieht die Zukunft des jungen Fuchsrüden aus?

„Der wird über den Winter bei uns bleiben, um in artgerechter Umgebung und mit Artgenossen alles nachzuholen, was ihm bisher verwehrt geblieben ist. Wir gehen von einer positiven Entwicklung aus, in dem Fall wäre die dauerhafte Gefangenhaltung eines jungen, gesunden und in der Freiheit überlebensfähigen Wildtieres nicht zu rechtfertigen“, berichten die Betreuer des jungen Fuchses. Man kooperiere mit Förstern und Jägern, die die Bejagung von Füchsen aus Überzeugung ablehnen. Mit deren Unterstützung wolle man dem Fuchs im nächsten Jahr ein Leben in Freiheit ermöglichen.

Der Dachshund-Club Nordbayern hat geäußert, dass man sich dazu entschlossen habe, die Schliefenanlage Kasendorf zu schließen...

Seit Beginn der Ermittlungen habe der Dachshund-Club Coburg vielerlei Behauptungen aufgestellt, die sich als unzutreffend erwiesen hätten. Die Stellungnahme zeige, dass man sich auch weiterhin nicht scheue „frei erfundene Märchen zu erzählen“, die nötigenfalls vor Gericht durch Zeugen und Bilddokumente zweifelsfrei widerlegt werden könnten. Nach Meinung der Auffangstation solle man in den nächsten Jahren ein waches Auge darauf haben, was auf dem Gelände der Schliefenanlage vor sich geht. Im Umweltministerium und im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wird in Bezug auf die Baujagd und damit auch auf die Schliefenanlagen im Freistaat gerade an neuen Vorgaben gearbeitet.

Was sagt die Tierschutzorganisation Peta?

Sie hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Sprecher Edmund Haferbeck ist entsetzt: „Da belügt ein Verein wirklich alle: Die Behörden, das Veterinäramt und die Staatsanwaltschaft, ebenso wie die Öffentlichkeit.“

Wie reagiert der Dachshunde-Club?

Der Verein hat eingeräumt, dass die Anlage in Kasendorf nicht den Vorschriften entspricht. Eine Fachtierärztin hat das in ihrem Gutachten bestätigt, das laut Oliver Hempfling bereits der Polizei übergeben worden sei. Deshalb wurde die Anlage geschlossen. Sie ist damit nicht die erste. Bereits vor vier Jahren geschah selbiges bei einer Anlage in Nürnberg. Ute Hellfeier, die geschäftsführende Vorsitzende für den Bereich Nordbayern sagt: „Ich lasse mich erstens nicht gern anlügen, und zweitens muss ich, wenn es um Tiere geht, nicht vorher erst alle um Erlaubnis fragen.“ Sie hat angekündigt, alle Probleme bei der nächsten Sitzung des Gesamtvorstandes anzusprechen. red

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