Kronach Das schmerzhafte Ende einer Freundschaft

Jürgen Malcher
Ein Mann soll eine ehemalige Freundin auf einem Parkplatz verprügelt haben. Dass es tatsächlich zu einer Schlägerei gekommen ist, steht außer Frage. Die Aussagen aber, wer, was und wann getan hat, ließen sich auch vor Gericht nicht mehr klären. Das Verfahren wurde eingestellt. Symbol Foto: dpa

Zu einem Streit gehören immer zwei. Nicht nur deswegen kommt ein Mann, der in aller Öffentlichkeit eine Frau verprügelt haben soll, vor Gericht mit einem blauen Auge davon.

 
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Kronach - Kratzer, Schläge, Tritte - und wüste Schimpftiraden: Eine Gewaltattacke soll sich ein 50 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Kronach Ende April dieses Jahres gegenüber einer 42-jährigen Bekannten geleistet haben. Tatort war der Parkplatz eines Supermarktes.

Am Donnerstagnachmittag wurde die Angelegenheit vor dem Amtsgericht Kronach verhandelt. Doch dass zu einem Streit immer zwei gehören, berücksichtigte Richter Christoph Lehmann: Er stellte das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung schlussendlich gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1500 Euro sowie Anti-Aggressions-Stunden ein.

Laut Anklageschrift soll der Beklagte der 42 Jahre alten Geschädigten am Nachmittag des 28. April dieses Jahres auf dem Parkplatz des Steinberger Rewe-Marktes zuerst zweimal ins Gesicht geschlagen und sie alsdann an Kragen und Haaren zu Boden gezogen haben, sodass diese mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlug. Auch ein Tritt soll im Zuge dessen ausgeführt worden sein. Dieses Tun sei zudem mit den weniger erbaulichen Worten "Hure" und "Schlampe" flankiert worden. Und auch die Drohung "Das nächste Mal werde ich dich totschlagen" soll dabei final gefallen sein.

Doch ganz so wollte der bereits einschlägig vorbestrafte Angeschuldigte diese Vorwürfe nicht stehen lassen: Das anderthalb Jahre lang bestehende, gute freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und der 42-Jährigen sei ihrerseits jäh beendet worden - angeblich, weil der Angeklagte Intima über sie öffentlich breitgetreten habe.

Am Tattag sei er beim Einkaufen auf die Frau gestoßen. Und: "Sie machte mich vor der Kasse zur Sau" - unter anderem dadurch, dass er als "Abschaum vom Abschaum" beschimpft worden sei. "Du hast was in Ordnung zu bringen", habe ihn die 42-Jährige wissen lassen.

Nachdem er zwecks einer vergessenen Besorgung in den Markt zurückgekehrt sei, habe ihn die Geschädigte auf dem Parkplatz abgepasst, ihm mit Wucht gegen das Schienbein getreten und ins Gesicht gespuckt. Die weiteren Geschehnisse stellte der Angeschuldigte als ein "gegenseitiges Klammern" dar - "und dann lagen wir beide da. Ich habe sie nur mit dem Arm von mir gedrückt." Die Aussprache von Beleidigungen negierte er. Sein Fazit: "Das war im Endeffekt ‘ne kleine Rangelei." Zudem sei er von der Geschädigten gekratzt sowie sein Hemd zerrissen worden - Umstände, die sowohl fotodokumentarisch, durch ein ärztliches Attest als auch durch eine Kassiererin des Marktes bestätigt werden konnten.

Ganz anders erinnerte sich die Geschädigte: Nachdem sie beim Einkaufen erste Kontaktversuche des 50-Jährigen unterbunden habe, sei ihr von diesem auf dem Parkplatz aufgelauert worden. "Er hat sogar sein Auto extra umgeparkt" - und unversehens "hatte ich die Erste im Kreuz". Die angebliche Drohung des Angeklagten habe sie mit den Worten "Bevor du mich umbringst, bringe ich dich um" erwidert. Ob sie den Beklagten ebenfalls angegriffen habe, wollte der Richter wissen - und bekam prompt zur Antwort: "Das habe ich mir mit Sicherheit nicht gefallen lassen." Nachdem sie zu Fall gebracht worden sei, habe der Angeklagte "auf mich eingedroschen wie auf einen polnischen Ochsen", wie die 42-Jährige schilderte. Auch sei ihr der Kopf zweimal auf den Asphalt gehämmert worden - allerdings "nur" mit einem "Millimeter-Abstand zum Boden". Dennoch: Ein ärztliches Attest bescheinigte der Frau diesbezüglich multiple Prellungen sowie Hämatome an Körper, Hinterkopf und Schulter. Infolge der Auseinandersetzung sei sie zudem von Mai bis August 2020 krankgeschrieben gewesen. Auch jetzt habe sie mit den Folgen der Attacke zu kämpfen. "Ich fühle mich krank und psychisch geschädigt." Seit diesem Tag sei ihr Leben ausgehebelt.

Überdies wusste sie von dubiosen Beschattungsaktionen seitens des 50-Jährigen seit dem Vorfall zu berichten. "Meine Angst ist, dass er mich umbringt, sobald ich den Gerichtssaal verlassen habe", gab sie an. "Ich spüre Psychopathen auf 1000 Meter Entfernung. Er ist eine tickende Zeitbombe."

Ein Augenzeuge erinnerte sich an eine zunächst nur verbale Auseinandersetzung vor dem Markt, in deren Verlauf der Beschuldigte das Opfer an den Haaren "absichtlich zu Boden gerissen" habe. Und: "Ein Tritt war dabei." Dies habe ihn zum Intervenieren veranlasst. Ob der Tritt auch getroffen habe, konnte er nicht eindeutig sagen.

"Wir geraten hier langsam in eine Sackgasse", konstatierte Richter Lehmann nach den Vernehmungen. Was die beiden Protagonisten betreffe, "haben wir Verletzungen beim Angeklagten und der Geschädigten". Die Aufrechterhaltung des angeklagten Vorwurfs einer gefährlichen Körperverletzung bezweifelte er. Und auch die Zeugen hätten es nicht eindeutig vermocht, Licht in das Dickicht der Geschehnisse zu bringen. "Was schmälert nun das Leid der Geschädigten und ist auch für den Angeklagten angebracht?", fragte Lehmann final. Doch den Kompromiss, an die Geschädigte 1500 Euro zu zahlen sowie ein Anti-Aggressionstraining zu absolvieren, hätte der 50-Jährige um Haaresbreite torpediert. "Das schaffe ich nicht", wiederholte er hinsichtlich einer Ratenzahlung des Schmerzensgeldes. "Das Gesetz sieht vor, dass das in sechs Monaten abgeschlossen ist", erklärte ihm der Richter. Obendrein begann dann seitens des Beklagten das Feilschen um die Ratenhöhe. Letztendlich wurde das "Friedensangebot" des Gerichts dann doch angenommen.

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