Kronach/Mitwitz Die Vermessung der Geschichte

Heike Schülein

Wegen Corona findet der Tag des offenen Denkmals am 13. September im Netz statt. Aus diesem Grund entstehen 3D-Aufnahmen der Innenräume von Denkmälern der Region.

 
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Mittels einer 3D-Kamera scannen Konstantin Gayvoronski und sein Sohn Eduard die Innenräume der Kronacher Synagoge. Foto: Heike Schülein Quelle: Unbekannt

Kronach/Mitwitz - Schon beim Eintreten in das "Zapfenhaus" wird man von Ehrfurcht vor der dichten Atmosphäre dieses altehrwürdigen Gebäudes ergriffen. Erbaut 1730 von Sebastian Grempel, sind die fast 300 Jahre am Anwesen nicht spurlos vorüber gegangen. Das große, ehemals stattliche Haus "Am Grünen Tal 10" in Mitwitz ist dringend sanierungsbedürftig. Am diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" können sich "Besucher" auf der ganzen Welt selbst ein Bild von dem bedeutsamen Zeugnis jüdischen Lebens machen, das echte Kostbarkeiten in sich birgt.

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Die Synagoge

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verließen viele Juden ihre deutsche Heimat und gingen ins Ausland. 1936 gab es deshalb nur noch wenige jüdische Bürger in Kronach. Sie konnten keinen Gottesdienst mehr abhalten, weil sie die vorgeschriebene Mindestzahl von zehn religionsmündigen männlichen Juden nicht mehr erreichten. Somit blieb die Synagoge ungenutzt. Da ihr Schicksal offenkundig war, verkauften sie ihre Synagoge im Februar 1938 zu einem symbolischen Preis an die Stadt Kronach, die bis heute Eigentümerin ist. Am 4. Oktober 2002 konnte das Haus wieder eingeweiht werden. Heute dient die Synagoge als Gedenkstätte sowie Veranstaltungssaal für Ausstellungen, Vorträge und Konzerte.


Immer am zweiten Sonntag im September geht Deutschland auf große Entdeckungsreise zu beeindruckenden Denkmälern. Leider bleiben heuer wegen der Corona-Pandemie die Türen am "Tag des offenen Denkmals" geschlossen. Durchgeführt wird der Aktionstag der "Deutschen Stiftung Denkmalschutz" trotzdem - auf neuen digitalen Wegen, unter dem Motto "Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken".

Zwei historisch bedeutende Gebäude, auf die dieses Leitbild insbesondere zutrifft, sind das Zapfenhaus in Mitwitz sowie die Kronacher Synagoge. Beide Denkmäler können am 13. September virtuell besichtigt werden. Initiatoren sind der "Aktionskreis Kronacher Synagoge" und der "Freundeskreis Zapfenhaus". Während die hierfür erforderlichen Aufnahmen in Mitwitz bereits in der Vorwoche entstanden sind, wurde am Donnerstag in Kronach gefilmt. Mittels einer hoch innovativen 3D-Kamera scannten Konstantin Gayvoronski, Inhaber von "Virtuelle 3D Rundgänge" in Nürnberg, und sein Sohn Eduard die Innenräume der Synagoge.

"Das Ergebnis sind zwei faszinierende virtuelle Rundgänge durch die Gebäude", erklärt der Hauptorganisator Christian Porzelt. Der Historiker, der an der Universität Eichstätt-Ingolstadt an einem Forschungsprojekt zur jüdischen Geschichte arbeitet, hatte Konstantin Gayvoronski für die Aufnahmen gewinnen können. Auf diesen war er aufmerksam geworden, nachdem Gayvoronski, der auch Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg ist, bereits für den Verein "Kulturerbe Bayern" in Rothenburg ob der Tauber tätig war. Mit Hilfe der verschiedenen Ansichten kann sich der Nutzer virtuell durch das komplette Gebäude navigieren. Die beiden 3D-Scans werden am Aktionstag unter www.tag-des-offenen-denkmals.de präsentiert. Der Link zum Zapfenhaus ist dort bereits unter "Veranstaltungen" verfügbar; zugänglich wird er - genauso wie der für die Synagoge - allerdings erst am Aktionstag selbst sein. Danach wird der Link auch auf der Homepage des "Aktionskreises Kronacher Synagoge" eingestellt.

Beide Projekte werden im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert, um deren Beantragung sich Odette Eisenträger-Sarter gekümmert hatte. Die restlichen Kosten für die Arbeiten in Kronach übernimmt der "Aktionskreis Kronacher Synagoge", dem sie vorsteht, während sie für die Aufnahmen in Mitwitz Sponsoren gewinnen konnte. Mit der Teilnahme möchten die Vorsitzende und ihre Mitstreiter auch Aufklärungsarbeit betreiben. "Leider ist die Einmaligkeit dieser wertvollen historischen Denkmäler noch immer nicht allen bewusst", bedauert Odette Eisenträger-Sarter, der die Bewahrung des jüdischen Erbes ein großes Anliegen ist.

Einladung an Interessierte

"Die beiden haben sich mit dem Projekt erneut besonders verdient gemacht, die jüdische Vergangenheit und das jüdische Erbe unseres Landkreises einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu vermitteln", zeigt sich Kreisheimatpfleger Robert Wachter voller Dankbarkeit für deren leidenschaftliches Engagement. Durch die Bereitstellung des entsprechenden Links zu den virtuellen Ansichten und Rundgängen könnten sich am Aktionstag im World-Wide-Web Interessierte auf der ganzen Welt durch die beiden Gebäude klicken. Dieser virtuelle Rundgang sei wirklich etwas ganz Einmaliges bislang für den Landkreis. "Es ist erste Mal, dass so etwas für Baudenkmäler im Landkreis Kronach geschaffen wurde", stellt er heraus.

Vom Ergebnis - insbesondere der Detailfülle und Qualität der Aufnahmen - ist er fasziniert. "Es ist total spannend. Man bekommt einen ganz anderen Blick für die Gebäude und ihre inneren Zusammenhänge. Die unterschiedlichen historischen Baudetails überall in den Gebäuden lassen sich immer wieder neu entdecken", verdeutlicht er, dass ein solches Medium auch in der Kreisheimatpflege völlig neue Möglichkeiten der Dokumentation eröffnen könne. Die Drei laden dazu ein, sich am Aktionstag bei einem virtuellen Rundgang einen Eindruck von den beiden ehrwürdigen historischen Gebäuden zu machen und dabei viel Wissenswertes über deren wechselvolle Geschichte zu erfahren.

Das erwartet den Nutzer im Zapfenhaus: Das zweigeschossige Fachwerkhaus wurde 1716 vom herrschaftlichen Kutscher Georg Sebastian Krempel im "Rittersgraben" errichtet. 1767 erwarb es der aus Friesen stammende jüdische Viehhändler Meyer Salomon, der sich als Schutzjude des Oberen Schlosses in Mitwitz ansiedeln durfte. Drei Generationen lang befand sich das Haus im Besitz seiner Familie, bis es Mitte des 19. Jahrhunderts der Schneidermeister Johann Zapf kaufte. Nach ihm trägt das Haus die Bezeichnung "Zapfenhaus". In den 1990er-Jahren gelangte das Gebäude in den Besitz der Marktgemeinde Mitwitz. Etwa seit diesem Zeitpunkt wird es nicht mehr bewohnt. Im gewölbten Keller des Hauses hat sich ein ehemaliges jüdisches Ritualbad erhalten. Als weiteres Zeugnis der ehemaligen jüdischen Hausbesitzer finden sich im Dachboden Reste einer Laubhütte. In dieser wurde das Laubhüttenfest - das jüdische Erntedankfest - gefeiert. An den Wänden der Wohnräume lassen sich noch die Schablonenmalereien und Musterwalzen finden, die Familie Zapf im 19. und 20. Jahrhundert anbringen ließ.

Der Erhalt des Hauses ist bisher nicht gesichert. Nachdem das Anwesen seit etwa drei Jahrzehnten unbewohnt war, sind durch Feuchtigkeit im Dachbereich starke Schäden entstanden. Zuletzt wurde bereits der teilweise Abbruch des Gebäudes diskutiert, den es - so der Freundeskreis - zu verhindern gilt.