Kronach Neue Selbsthilfegruppe für Gewaltopfer

Heike Schülein
Foto: Heike Schülein

Eine neue Selbsthilfegruppe für Opfer körperlicher oder emotionaler Gewalt gründet sich in Kronach. Das erste Treffen der Betroffenen ist am 28. Juli.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Die Lage bei uns ist katastrophal. Es gibt Menschen, die bekommen hier noch nicht einmal einen Psychologen“, beklagt Christin Steffen, Initiatorin und Leiterin der neuen Selbsthilfegruppe für Frauen und Männer, die von körperlicher oder emotionaler Gewalt betroffene sind. Die Gruppe hat sich gerade in Kronach gegründet, das erste Treffen findet in wenigen Tagen statt. Christin Steffen zählt selbst zu den Betroffenen und leidet an einer dissoziativen Störung: Ein Oberbegriff für psychiatrische Krankheitsbilder, bei denen Betroffene auf sehr belastende Erlebnisse mit Abspaltung von Erinnerungen, Empfindungen oder gar ganzen Persönlichkeitsanteilen reagieren.

„Es gibt verschiedene Ausprägungen; die beiden häufigsten sind Depersonalisation und Derealisation“, erklärt die 33-Jährige. Depersonalisation meint eine veränderte Wahrnehmung sich selbst gegenüber, während bei einer Derealisation die Umwelt verändert scheint. Die Störung wird üblicherweise durch erhebliche Belastung ausgelöst, insbesondere durch emotionalen oder körperlichen Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit. Die Traumafolgestörung könne in sehr schlimmen Fällen sogar Halluzinationen auslösen bis hin zu einem gespaltenen Persönlichkeitsbild. Auch Gedächtnislücken seien möglich.

Im Mittelpunkt der Kronacher Selbsthilfegruppe sollen Austausch, Begegnung und Vernetzung sowie gegenseitige Hilfestellung stehen und - was der Leiterin besonders wichtig ist - das Zulassen von Gefühlen. Aus eigener Erfahrung wisse sie, als Opfer ganz viel Wut im Bauch zu haben, die man aber nicht ausleben dürfe, weder in der Gesellschaft, noch bei der Polizei oder vor Gericht. Diese angestaute Wut führe oftmals zur Dissoziation. Geplant sind auch Vorträge ihres Therapeuten zu verschiedenen Themen, zum Beispiel zu Flashbacks und Panikattacken. „Ich gehe zweimal im Monat zu ihm und lasse mich einmal auseinandernehmen“, erzählt sie. Die Kosten hierfür muss sie selbst tragen; für sie viel Geld, zumal sie, wie die allermeisten Betroffenen, nicht zu 100 Prozent arbeiten kann. Zwar sind oft Frauen von dem Krankheitsbild betroffen, dennoch richtet sich die Gruppe explizit auch an Männer. Auch Angehörige sind willkommen, könnten doch viele im Umfeld mit dieser Störung gar nichts anfangen oder schöben sie beiseite. Auch ihre eigene Familie, so Christin Steffen, habe lange nichts damit zu tun haben wollen. Dies habe sich zwischenzeitlich geändert, nachdem man gemerkt habe, wie schlecht es ihr gegangen sei. Ihr weiteres Umfeld reagiere sehr unterschiedlich. Großen Halt finde sie bei Arbeitskollegen und vor allem ihrem Partner.

Als Namen der Selbsthilfegruppe hat sie „Hänsel und Gretel“ ausgewählt, da die Beiden auch gewissermaßen blindlings in eine Situation hineingeraten, aber wieder aus eigener Stärke herausgekommen seien.

Das erste Treffen findet am Freitag, 28. Juli, um 18 Uhr im Caritasverband Kronach, Adolf-Kolping-Straße 18, statt. Eine Anmeldung ist notwendig. Interessierte melden sich bei Christin Steffen (csteffen304@gmail.com) oder bei der Selbsthilfeunterstützungsstelle Kronach, Birgit Weickert (Telefon 09261 605620, E-Mail: birgit.weickert@caritas-kronach.de).

Bilder