Kronach Vier Jahre Haft für 315 Euro

Jürgen Malcher
Geld her, oder... Der junge Mann, der im April eine Norma-Filiale in Kronach überfallen hat, muss nun für vier Jahre hinter Gitter. Foto: agnormark/AdobeStock Quelle: Unbekannt

Der Norma-Räuber muss ins Gefängnis. Mit vorgehaltener Waffe hatte der 21-Jährige Geld gefordert. Auch seine Mutter kommt nicht ungeschoren davon.

 
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Kronach/Coburg - Alles andere als ein schlechter Aprilscherz war das, was sich am 1. April dieses Jahres in der Kronacher Norma-Filiale zugetragen hat: Mit vorgehaltener und geladener Schreckschusswaffe erpresste ein 21-Jähriger aus dem Landkreis Kronach kurz vor Ladenschluss Geld von einem Kassierer und erbeutete einen Betrag in Höhe von 315 Euro. Zusammen mit der Fahrerin des Fluchtautos - seiner 51 Jahre alten Mutter - flüchtete er alsdann vom Tatort, konnte jedoch aufgrund der Täterbeschreibung des Kassierers schon einen Tag später dingfest gemacht werden.

Am Freitag fiel vor dem Landgericht Coburg nach insgesamt drei Verhandlungstagen ein Urteil: Vier Jahre Jugendstrafe schlugen am Ende für den jungen Mann wegen eines besonders schweren Falls der räuberischen Erpressung zu Buche. Die mitangeklagte Mutter erhielt wegen Beihilfe in einem minder schweren Fall eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

Seit Verfahrensbeginn Ende September oblag es der 3. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Jana Huber, sowohl Tathergang, Motive als auch die Tatbeteiligung der Mutter zu klären. In einem Geständnis hatte der Hauptbeschuldigte die Vorwürfe eingeräumt. Es wurde zudem deutlich, dass die 51-Jährige im Vorfeld über den geplanten Überfall nicht eingeweiht gewesen war, wohl aber unmittelbar nach dem Überfall von ihrem Sohn davon in Kenntnis gesetzt wurde. Ferner kristallisierte sich das komplette wirtschaftliche und auch private Scheitern des 21-Jährigen in Form von exzessivem Alkohol- und Drogenmissbrauch und der Anhäufung immenser Schulden - auch bei der Mutter, der er die Beute aus dem Überfall für ausstehende Zahlungen noch am Tattag übergeben hatte - heraus. Zu ihr habe ferner ein atypisches Mutter-Sohn-Verhältnis bestanden, das die Richterin wie folgt beschrieb: "Sie ist gerannt, wenn er gepfiffen hat."

Zu Ende der Beweisaufnahme verschaffte sich das Gericht am Freitag einen Eindruck von der psychische Verfassung sowie einer potenziellen Suchterkrankung des Angeklagten und - damit einhergehend - dessen Schuldfähigkeit: Die Ausführungen des Sachverständigen standen dabei den bisherigen Angaben des 21-Jährigen hinsichtlich seines Konsums von Alkohol, Amphetamin und Cannabis entgegen. Zwar habe dieser sich "auf dem besten Weg in die Abhängigkeit" befunden, doch weder Abhängigkeitskriterien noch einen Zusammenhang zwischen Genuss- oder Betäubungsmittelmissbrauch und der Tat seien gegeben gewesen. Die Nachfrage Hubers, ob man anstatt einer Abhängigkeit nicht wenigstens einen Hang zu Alkohol und Betäubungsmitteln unterstellen könne, negierte der Sachverständige.

Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe zeichnete ein eher düsteres Bild des Beschuldigten bezüglich der Sozialprognose. Sie erkannte bei ihm erheblichen Reife-Rückstände, eine emotionale und finanzielle Abhängigkeit vom Elternhaus und schädliche Neigungen. Eine Anwendung des Jugendstrafrechts sei dennoch zwingend.

Staatsanwalt Matthias Jakob forderte unter strafmildernder Berücksichtigung unter anderem des Geständnisses sowie der Ersttäterschaft eine Jugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten für den 21-Jährigen. In seinem Plädoyer betonte er die Gefährlichkeit des Einsatzes selbst einer Schreckschusswaffe auf kurze Distanz: "Da hätte jederzeit was schiefgehen können. Nach Erwachsenenstrafrecht wären das mindestens fünf Jahre." Entgegen der noch zu Prozessbeginn vertretenen Ansicht erkannte er im Tun der bis dato ebenfalls unbescholtenen Mutter jedoch keine Mittäterschaft mehr und sah lediglich den Tatbestand der Beihilfe erfüllt. Immerhin "hat sie ihn dabei unterstützt, die Tat zu beenden". Seine abschließende Forderung hierfür: ein Jahr und zehn Monate - ausgesetzt zur Bewährung.

"Im März 2020 war mein Mandat - wie man sagt - blank. Er hatte bei seiner Mutter Schulden ohne Ende und wollte sich aus ihren Fängen befreien", gab Verteidiger Helmut Geiger mit Blick auf die finanzielle Vorgeschichte des Angeklagten zu bedenken und plädierte auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. In einer emotional geführten Schlussrede verdeutlichte Verteidiger Till Wagler das Dilemma seiner Mandantin: "Den eigenen Sohn sehenden Auges ins Gefängnis bringen? Wie grausam mag es wohl sein, das umzusetzen? Sagen Sie mir: In welchem Fall wäre hier eine andere Strafe zu verhängen als die Mindeststrafe?", sagte er und meinte damit ein Jahr. Beide Beklagten bereuten am Ende die Tat. "Ich möchte mich für alles, was ich getan habe, entschuldigen. Es wird nie wieder vorkommen", erklärte der 21-Jährige.

Richterin Huber sprach in der Urteilsbegründung von einem "Klassiker des Überfalls". "Das ist kein Spaß mehr, mit einer geladenen Waffe herumzufuchteln. Wenn Sie da versehentlich abdrücken, hätte jemand tot sein können", meinte sie. Eine verminderte Schuldfähigkeit schloss das Gericht ebenfalls aus. Die nun verhängte Strafe solle der Verurteilte aber auch als "eine Möglichkeit, gewappnet ins Leben zu treten", verstehen. "Mit Struktur und Erziehung kann aus Ihnen noch eine ausgereifte Erwachsenenpersönlichkeit werden", so die Richterin. Im Handeln der Mutter nach dem Überfall erkannte das Gericht eine heillose Überforderung. Aufgrund einer positiven Sozialprognose sei davon auszugehen, "dass wir Sie hier vor Gericht nicht mehr sehen werden." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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