Vom Viertel zum Quartier Leerstand ade: Ein Plan für Kronach

Yannick Seiler
Von außen sieht man es kaum, dass die beiden Häuser rechts Kronachs erstes Quartier bilden. Sie könnten Vorbild für weitere Stadtteile seine. Foto: /Wunderatsch

Das Team des Campus Innovations Kultur Kronach hat einen Plan ausgearbeitet, wie Kronach sich in den kommenden Jahren verändern könnte. Nun stellen sie ihn vor.

 
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Kronach - Christoph Hiltl hat’s erkannt. Nicht nur, dass es sich in Kronachs Altstadt in Häusern wohnen lässt, die seit Jahrhunderten dem Ort sein Erscheinungsbild geben, sondern auch, dass diese oftmals leer stehen – vor allem in der Oberen Stadt. Dort hat der Anwalt zwei Häuser in der Amtsgerichtsstraße, die Fassade des einen zieren Fachwerkbalken, die des anderen weiße Fensterläden, zu sieben Wohnungen und drei Läden umbauen lassen. Dahinter hat er verwirklicht, was Thomas Kneitz und seine Mitarbeiter vom Campus Innovations Kultur (CIK), dem Gründerzentrum des Frankenwalds, planen. Nämlich, wie Kronach künftig anderen Städten Vorbild sein könnte.

Das erste Quartier Kronachs hat Hiltl geschaffen. Solche Orte sollen laut Kneitz und seinen Mitarbeitern künftig mehr in der Stadt entstehen. Wochenlang haben sie an „Neues Wohnen im Zentrum“ gearbeitet. Wichtiger Teil des Entwurfs, wie Kronach zeitgemäß umgestaltet werden könnte, seien eben moderne Wohnungen, sagt Kneitz. Dem Papier nach fehlen sie in Städten. Für eine Familie mit ein bis zwei Kindern seien sie kaum noch bezahlbar.

Möglichst viel zu Fuß

Kneitz und seine Mitarbeiter Kevin Sünkel und Melanie Thiel zeigen in ihrem Konzept, wie das Problem gelöst wird. Da auch durch die Pandemie einige Geschäfte in Kronachs Innenstadt geschlossen haben, sind ihre Läden nun leer. Die „Chance“ nutzt man demnach, indem man leer stehende Gebäude umbaut. Im Erdgeschoss, wo nun Läden leer stehen, sollten „Geschäfte des täglichen Bedarfs“ wie Bäcker, Metzger, kleine Supermärkte und Arztpraxen untergebracht werden. Entweder einzeln nebeneinander oder zusammen in einer sogenannten Markthalle. Prinzip: kurze Wege, möglichst viel zu Fuß erledigen. „Das Nötigste in direkter Umgebung“, sagt Sünkel. Darüber werden laut dem Entwurf Wohnungen geschaffen, die „den neuen Gegebenheiten angepasst“ sind. Heißt, dass in jeder Wohnung ein Arbeitszimmer für das Homeoffice eingerichtet wird. Dazu sei „passende Ausstattung“ wie Internetzugang mit einer hohen Datenübertragungsrate nötig. Dass zeitgemäße Wohnungen gefragt sind, bestätigt eine Umfrage im Auftrag der Landesbausparkasse LBS . Demnach sind 84 Prozent der Befragten der Ansicht, dass ein schönes Zuhause wegen der Pandemie wichtiger denn je ist.

In so einem Quartier, das einige Straßenzüge oder nur wenige Häuser umfasst, sollen laut Entwurf möglichst Menschen allen Alters wohnen. Also „die Gegebenheiten sollen für alle stimmen“. Wohnungen sollen altersgerecht gebaut werden, damit man dort auch als Senior oder Seniorin problemlos wohnt. Demnach sollte man in Cafés in einigen Häusern des Quartiers einen Kaffee oder Tee trinken können, eben sich treffen. Für jüngere Menschen sieht der Entwurf Clubs und Restaurants in der Nähe ihrer Wohnungen vor.

Bestehende Viertel wie der Kreuzberg etwa könnten umgestaltet werden, sagt Thiel. Dort gibt es Mehrfamilienhäuser mit etlichen Wohnungen, aber „kaum Begegnungsstätten“ wie Cafés oder Restaurants.

Viele Voraussetzungen

Nicht immer gelingt das. Vorschriften, geringe politische Unterstützung oder es rechnet sich eben nicht, sind Gründe. Hiltls Quartier fehlt ein kleiner Supermarkt. 55 Quadratmeter im Erdgeschoss hatte er dafür geplant. Denn entlang des Kopfsteinpflasters in der Amtsgerichtsstraße reiht sich Richtung Rathaus nur ein Bäcker entlang Wohnhäusern und Amtsgericht. Immerhin, eine Friseurin hat in dem Quartier eröffnet, neben einem Yogastudio und Hiltls Kanzlei. Das hilft, Wege kurz zu halten. Wie die Bürger in Kronachs Altstadt leben möchten, zeigt eine Umfrage der Stadt. Darin geben Teilnehmer an, dass in der Oberen Stadt ein Supermarkt fehlt. Ein Tante-Emma-Laden könnte das Problem lösen, schreibt einer der Teilnehmer.

Die Innenstadt habe sich während der vergangenen 50 Jahre zu einem Handelsraum entwickelt, sagt Kneitz. Supermärkte sind demnach an den Stadtrand verdrängt worden. Wer einkaufen möchte, muss meist mit dem Auto dorthin fahren. Nun der Wandel. Die Pandemie zeige mehr denn je, dass Menschen öfter im Internet als in der Innenstadt einkaufen. Folge: Geschäfte schließen. Das bietet laut Kneitz die Möglichkeit, die Innenstadt umzugestalten. „Es wird große Veränderungen geben müssen“, sagt er. Kronach biete viele Voraussetzungen dafür.

Das haben Politiker erkannt. Die Frankenwald-CSU etwa hatte angekündigt, 200 neue Wohnungen in den kommenden Jahren in Kronach schaffen zu wollen. Auch die Campusgesellschaft möchte die Stadt mit umgestalten. Den Anfang machenunter anderem vier Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Sie baut die Gesellschaft in der Kreuzbergstraße. Zudem möchten Vertreter der Gesellschaft 25 leer stehende Häuser umbauen. Dadurch bekomme man neuen Wohnraum, sagte SPD-Stadträtin Sabine Gross, als das Projekt vorgestellt wurde. Fest steht auch, dass 45 neue Wohnungen auf dem Areal des ehemaligen Lucas-Cranach-Seniorenheims entstehen sollen, vielleicht ein neues Quartier. Dort investiert die Sparkasse Kulmbach-Kronach rund neun Millionen Euro. Je mehr Wohnungen es gibt, desto erschwinglicher seien sie, sagt CIK-Mitarbeiterin Thiel.

In Kronachs größtem Industriegebiet an der Industriestraße gibt es ungenutzte Flächen. Dort könnten Wohnungen für Arbeiter der Fabriken des Viertels entstehen, sagt Kneitz. Eine „Chance“, Wege zu verkürzen, unnötigen Berufsverkehr zu verhindern und preiswerten Wohnraum zu schaffen. Azubis aus dem Landkreis ohne Auto könnten einfacher ihren Arbeitsplatz erreichen. Eine Stadt umzugestalten, sei ein langwieriger Prozess. Dabei müsse man „auch kreativ werden“.

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