Kronacher Richter zum Angeklagten „Schlicht und ergreifend asozial“

Jürgen Malcher
  Foto: picture alliance/dpa/Biczysko

Ein 38-Jähriger wurde zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Fußball und Alkohol waren für ihn keine gute Kombination.

 
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Während der Fußball-EM-Viertelfinalbegegnung zwischen der DFB-Elf und England drangsalierte am späteren Abend des 29. Juni letzten Jahres ein heute 38 Jahre alter, ehemaliger Landkreisbewohner nach dem Konsum von Unmengen an Bier und dem einen oder anderen Gin Tonic seine Nachbarn in einem Mehrparteienhaus mit mehrmaligen Ruhestörungen in Form eines laut gestellten Fernsehers und lauter Musik. Als er nach dem insgesamt vierten Einsatz der PI Ludwigsstadt innerhalb weniger Stunden in Gewahrsam genommen und nach Kronach zum Ausnüchtern verbracht werden sollte, flippte er gänzlich aus …

Unter anderem wegen Widerstandes und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie falscher Verdächtigung, Bedrohung und Beleidigung ist er deshalb am Donnerstag vor dem Amtsgericht Kronach rechtskräftig zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Zudem muss er 1000 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen.

Der derzeit arbeitssuchende und zweifach einschlägig vorbelastete 38-Jährige räumte die Vorwürfe von Staatsanwalt Johannes Tränkle größtenteils ein – wenn auch eigenwillig interpretiert: Demnach versperrte er sich seiner Ingewahrsamnahme und dem Anlegen von Handschellen, indem er seine Arme verschränkte und einem Polizisten mehrmals das Bein stellte, um diesen zu Fall zu bringen. Nach mehrmaligen Versuchen gelang es, den Wüterich – wenn auch bäuchlings und mit heruntergezogener Hose – auf den Rücksitz zu verfrachten und die Fahrt in die Kreisstadt anzutreten. „Es war jetzt nicht schön, aber es ging leider nicht anders“, wie einer der Gesetzeshüter bei seiner späteren Zeugenbefragung selbstkritisch einräumte.

Wüste Beschimpfungen

Auf der Wache angekommen sollte der Beklagte in eine Haftzelle verbracht und zur eigenen Sicherheit entkleidet werden. Dabei leistete er Widerstand und trat einem Beamten gegen das Schienbein – flankiert von wüsten Beschimpfungen und Bedrohungen gegen diesen und drei weitere anwesende Schutzmänner. Am Folgetag beschuldigte der 38-Jährige dann obendrein einen der Beamten, ihn während der Überführungsfahrt über das entblößte Gesäß gestreichelt und gar einen Finger rektal eingeführt zu haben – Vorwürfe, die durch die eingeschalteten Bodycams der Beamten zweifelsfrei widerlegt werden konnten.

„Da war wohl meine Wahrnehmung etwas beeinträchtigt“, zeigte sich der 38-Jährige diesbezüglich reumütig. Doch in den anderen Fällen war er um Ausreden nicht verlegen: Böse Nachbarn seien es, die ihn auf dem Kieker hätten und bei jeder Gelegenheit anschwärzen würden. Einem der Beamten dachte er dabei gar die Rolle eines Konspirateurs zu, der ihn allfort schikaniere. Die angewandten Methoden wie auch den Gewahrsam erachtete er „nur wegen einem Fernseher auf Zimmerlautstärke“ als unangemessen.

„Jedes fünfjährige Kind weiß: Wenn die Polizei vor der Tür steht und zum Mitkommen auffordert, dann hat man dem Folge zu leisten“, warf Richter Christoph Lehmann ein. Die Beleidigungen und Drohungen habe er „aus Angst und Verzweiflung“ ausgestoßen; und auch den Tritt gegen den Polizeibeamten stellte er als ein Schütteln seines Fußes dar, um sich seines Schuhes zu entledigen.

Gezielte Tritte

„Er hat gezielt nach mir getreten“, erinnerte sich dagegen der Betroffene. Auch sei merkbar gewesen, „dass er sich voll auf meine Person eingeschossen hat“, stellte der Beamte auch mit Bezug auf die vorherigen Besuche beim 38-Jährigen am Tattag heraus. „Er hat immer hämisch gegrinst und gelacht. Das war schon fast ein bisschen grotesk.“

Die Nachbarn hätten den Beamten dabei von einem gezielten Wechsel zwischen laut und leise und einem mehrmaligen Hämmern des 38-Jährigen gegen Wände und Decke berichtet. Ein noch freiwillig durchgeführter Alkotest beim Beklagten vor seiner Wohnung habe jenseits der zwei Promille gelegen; danach „war er nicht mehr zu erreichen und zeigte keinerlei Einsicht“, so der Beamte. Die weiteren Vorfälle in der Wache schilderte ein weiterer Beamter analog zur Anklageschrift. Zwei Zeugen fielen krankheitsbedingt aus. Eine Entschuldigung bei dem Beamten und dessen Kollegen entfuhr dem Beklagten erst auf mehrmalige richterliche Aufforderung.

Der Staatsanwalt forderte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr nebst Geldauflage. „Er hat es großteils eingeräumt – auch wenn er die Verantwortung dafür immer bei anderen sucht“, so das Fazit Tränkles. Eine Geldstrafe von 450 Euro – 30 Tagessätze à 15 Euro – wollte Verteidiger Friedrich Fricke mit Verweis auf Taten „an der unteren Grenze der Gewalt“ erreichen.

„Für Hilfe suchende Mitmenschen und auch die Polizei ist es unerträglich, wenn man so was mehrmals an einem Abend über sich ergehen lassen muss – und Sie haben sich aus der ganzen Situation auch noch einen dämlichen Spaß gemacht. So etwas ist schlicht und ergreifend asozial“, fand Richter Lehmann in der Urteilsbegründung mehr als deutliche Worte in Richtung Anklagebank. Auch die falsche Verdächtigung sei „völlig abwegig“ gewesen. „Ich will Sie hier nicht noch einmal sehen!“, gab er dem 38-Jährigen final mit auf den Weg.

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