Kronacher Schulzentrum Berufsfindung als Ein-Mann-Theaterstück

Heike Schülein

Junge Leute fürs Handwerk zu begeistern ist Richard Betz’ Mission. Um das zu schaffen, hat er sich etwas Besonderes überlegt. Jetzt war er zu Gast in Kronach.

 
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Mit philosophischen Fragen und praktischer Anschauung machte Zimmerer Richard Betz Schülern der Pestalozzi-Schule und Siegmund-Loewe-Realschule Mut, ihren Berufsweg zu finden. Foto: Heike Schülein

„Sie ist fertig: Die Brücke, die Leonardo da Vinci vor über 500 Jahren erfunden hat“ – Richard Betz strahlt in seiner Kluft wie ein Schneekönig, als er sich auf eine von ihm soeben gezimmerte, vollkommen ohne Schrauben und Nägeln auskommende Brücke stellt, seinen Zimmerer-Hut abnimmt, das Glas erhebt und bei seinem inbrünstig vorgetragenen Richtspruch das Handwerk hochleben lässt.

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„Handwerk ist (un)cool?“ Betz hat die Frage nicht ohne Grund plakativ in seinem Bühnenbild platziert. Seit 2016 tourt der Zimmerer alljährlich sechs Wochen mit seinem Ein-Mann-Theaterstück „Hand und Werk – oder wie finde ich meinen eigenen Weg im Leben“ durch Bayern, um die Jugend für seinen Beruf zu begeistern. Nun war der „Brückenbauer“ am Kronacher Schulzentrum zu Gast.

„Vor einigen Jahren bin ich mit meinem Auszubildenden Joe frühmorgens zur Arbeit gefahren. Da fragt er mich ohne Vorwarnung, was für mich der Sinn des Lebens ist und ob ich mit 18 Jahren schon gewusst habe, wohin mein Leben läuft“, erzählt Betz. Diese Fragen seien für ihn Anstoß zu diesem Theaterstück gewesen.

Berufsfindung einmal anders

Auch Schüler der Pestalozzi-Schule sowie der neunten Jahrgangsstufe der Siegmund-Loewe-Realschule ließ Betz auf fesselnd-authentische Art und Weise an seiner Berufsfindung teilhaben. Immer wieder flogen dabei die Späne. Es wurde gebohrt und gesägt, sogar mit einer Motorsäge. So entstand – wie nebenbei – eine echte Brücke.

Betz stammt aus einem Dorf nahe Ochsenfurt und sollte einmal den elterlichen Hof übernehmen. Aber: „Ich wollte kein Bauer werden“, sagt er. Eine Alternative hatte er aber noch nicht. So drückte er weiter die Schulbank bis zum Fachabitur. Als er nach seinem Zivildienst noch immer keinen Plan hatte, schrieb er sich an der Uni für ein Architektur-Studium ein. Weil er damit nicht glücklich wurde, ging er zwei Jahre ins Ausland. Dort habe er gemerkt, dass er ein Zuhause brauchte. Zurück in Deutschland, kaufte er sich ein altes, halb verfallenes Haus und beendete sein Studium.

Schüler der Pestalozzi-Schule sowie Siegmund-Lowe-Realschule bauten die Leonardo-Brücke nach. /Heike Schülein

„Ich war damals 25 Jahre alt, hatte einen Beruf mit einem großen Fragezeichen und ein völlig kaputtes Haus“, blickte er zurück. Um zu lernen, wie er sein Haus renovieren könne, suchte er sich eine Zimmerei für ein Praktikum. Am dritten Tag unterschrieb er seinen Lehrvertrag und zwei Jahre später war er stolzer Zimmerergeselle.

„Dann habe ich die beste Entscheidung in meinem ganzen Leben getroffen: Ich habe den Architektenjob an den Nagel gehängt und meine Zimmerei nach vorne gebracht. Das möchte ich machen, solange ich kann“, bekundete er. Geld sei ihm nie wichtig gewesen, und er habe festgestellt: Wenn man etwas mit ganzem Herzen macht, komme das Geld von selbst.

Kronacher Schulen wollen zusammenarbeiten

Vier Schüler durften dann die Brücke zerlegen und wieder zusammenbauen, was sehr gut gelang. Und es gab viele Fragen an den erfahrenen Zimmerer, der seit fast 40 Jahren ausbildet. Eine davon war, nach welchen Kriterien er seine Azubis aussuche. „Man muss Interesse zeigen und aktiv werden, am besten anrufen oder gleich vorbeikommen und nach einem Praktikum fragen“, verdeutlichte er. Auf eine supertolle Bewerbungsmappe lege er keinen Wert.

Organisiert wird die ungewöhnliche Form der Berufsorientierung vom Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks. Als Ausnahmefall organisierte sie in Kronach die Pestalozzi-Schule Kronach in einem erstmals erfolgenden Kooperationsprojekt mit der Siegmund-Loewe-Realschule. Schulleiter Stefan Mück zeigte sich – auch namens seines Amtskollegen, Realschul-Rektor Uwe Schönfeld – sehr stolz über das Zustandekommen. Beide Schulleiter möchten die Kooperation nach dieser erfolgreichen Premiere ausbauen.

Für Jugendliche ist die Berufswahl oft schwierig – insbesondere auch für die Absolventen der Pestalozzi-Schule, wie die Lehrer Stephan Schiller, Sabrina Müller und Nina Kolb-Rebhan bestätigen. „Das Hauptproblem ist, dass viele Ausbildungsberufe mittlerweile sehr technisch angelegt sind“, verdeutlicht Nina Kolb-Rebhan. Diese Diskrepanz zwischen der Praxis und den theoretischen Herausforderungen schafften viele nicht. Ein Großteil der Absolventen gehe danach in den Verkauf, in die Pflege, in die Küche, auch auf den Bau oder ins Handwerk.

Erfreulicherweise besuchten einige von ihnen danach auch die Mittelschule, teilweise auch Realschule oder die FOS. Das Ansehen der Schule und ihrer Absolventen habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, zumal viele Betriebe die Jugendlichen von Praktika her kannten.