Kronacher Synagoge Eine Stätte der Menschlichkeit

Heike Schülein
2. Vorsitzende Gisela Zaich (von rechts) dankt Odette Eisenträger-Sarter, die den Aktionskreis bereits seit dessen Gründung als Vorsitzende begleitet. Foto: /Heike Schülein

Jahrzehntelang fristete die ehemalige Synagoge in Kronach ein trauriges Schattendasein. Vor rund 30 Jahren dann hauchte ein Aktionskreis dem Gebäude neues Leben ein. Jetzt feiert er Jubiläum.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der „Aktionskreis Kronacher Synagoge“ wurde 1992 ins Leben gerufen, um das Gebäude aus dem Jahr 1883 vor dem Verfall zu retten. Das primäre Ziel, die ehemalige jüdische Gebetsstätte behutsam und würdig zu renovieren, wurde 2002 erreicht. Die jetzige Aufgabe des Vereins ist es, das Haus mit neuem Leben zu erfüllen – so wie auch am Samstag, als in der Synagoge das 30-jährige Jubiläum mit einem Festakt gefeiert wurde.

„Unser Aktionskreis ist nötiger denn je. Aktuelle Zahlen belegen, dass der Antisemitismus gerade in Bayern wieder zugenommen hat“, prangerte Odette Eisenträger-Sarter an. In bewegenden Worten, untermalt von eindrucksvollen Bildern, blickte die Vorsitzende auf die Meilensteine seit Vereinsgründung zurück. Aufgrund der stetig steigenden Anzahl jüdischer Mitbürger hatten diese 1880 eine selbstständige Kultusgemeinde gegründet und 1883 eine Synagoge erbaut. Nach der Machtergreifung der Nazis emigrierten viele und so verkaufte der Vorsitzende der Kultusgemeinde die Synagoge im Februar 1938 zu einem symbolischen Preis an die Stadt Kronach, die bis heute Eigentümerin des Gebäudes ist. Später wurde dieses vom Roten Kreuz als Sanitätsdepot genutzt, weswegen es vor einer Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 verschont blieb. Im Inneren baute man das Gotteshaus zu einem zweistöckigen Funktionsgebäude um. Als das Rote Kreuz in modernere Räumlichkeiten umzog, wurde das Gebäude bis 1988 als Lagerhalle verpachtet. Nach deren Räumung stand das Haus leer und die Stadt überlegte 1991, ob man es vielleicht abreißen sollte, zumal es nicht als geschütztes Baudenkmal anerkannt war.

Einweihung 2002

Am 15. Mai 1992 gründete sich der Aktionskreis mit dem Ziel, das Gebäude zu restaurieren und im Gedenken an die einstigen Kronacher jüdischen Glaubens mit neuem Leben zu erfüllen. Dies gelang innerhalb von zehn Jahren intensiver Vereinsarbeit, sodass am 4. Oktober 2002 das Haus wieder eingeweiht werden konnte. Heute dient es als Gedenkstätte und Veranstaltungssaal für Ausstellungen, Vorträge und Konzerte, oftmals mit jüdischem Bezug. Hierzu zählen das alljährliche Gedenken der Reichspogromnacht sowie der Bücherverbrennung. Höhepunkte war unter anderem der Besuch von Literaturnobelpreisträger Günter Grass 2004.

„Jedes Mitglied hat dazu beigetragen, den Aktionskreis dorthin zu tragen, wo er heute ist“, lobte die Vorsitzende. Ihr Dank galt insbesondere ihren Kollegen der Vorstandschaft sowie in liebevoller Erinnerung dem viel zu früh verstorbenen geschäftsführenden Vorsitzenden Willi Zaich. „Hinter uns liegen 30 schwere und arbeitsreiche, aber auch sehr schöne Jahre“, bekundete sie. Ein großer Wunsch für die Zukunft sei die Neugewinnung junger Menschen als Mitglieder. In diesem Zusammenhang stellte sie insbesondere den Historiker Christian Porzelt heraus, dessen Fachwissen unbezahlbar sei. Nach wie vor werden alle Arbeiten ehrenamtlich verrichtet. Es gebe kein Geld von der Stadt oder vom Staat, weswegen man ausschließlich auf Spenden angewiesen sei. Dank gebühre „Demokratie leben“ für die finanzielle Unterstützung verschiedener Projekte.

Ein Dorn im Auge

Viel Lob wurde dem rührigen Aktionskreis in den Grußworten zuteil. Die Vorsitzende der Willi-Zaich-Stiftung, Katja Zaich, erinnerte sich daran, wie der Zustand der Synagoge und die Pläne mit dem Gebäude ihrem Vater ein Dorn im Auge gewesen sei. Große Anerkennung für die Erforschung der regionalen jüdischen Geschichte zollte die amerikanische Sänger- und Songwriterin, Laura Wetzler, ihrem Urgroßvater, Moses Wetzler, der fast 40 Jahre lang als Vorsänger in der Synagoge tätig gewesen war. Kronachs Bürgermeisterin Angela Hofmann dankte für die geleistete Pionierarbeit. „Es war ein zäher Kampf und es bedurfte eines langen Atems bis zur Wiederbelebung“, lobte stellvertretende Landrätin Edith Memmel. Wie wichtig Bewahren von Geschichte, deren Vermittlung und die Warnung vor einer Wiederholung sei, zeige aktuell der Kriegin der Ukraine.

Seitens der Kirchen nahmen am Festakt Dekan Markus Müller sowie Diakon Jürgen Fischer teil. Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von Maria Schöne mit der Geige, Fabia Bartuschka mit der Blockflöte und Marc Tetzel mit der Querflöte. Alle drei kamen von der Berufsfachschule für Musik Oberfranken mit einem eigens ausgearbeiteten Programm.

Erschütternder Platz

„Was für ein schmucker Ort ist entstanden und zugleich ein erschütternder Ort, weil gerade am Platz des Thoraschreins Verwundungen sichtbar geblieben sind“, verinnerlichte der oberfränkische Bezirksheimatpfleger Günter Dippold in seinem Festvortrag „Erforschung und Bewahrung jüdischer Geschichte in Franken“. Noch gut erinnere er sich, wie es in der Synagoge vor 30 Jahren aussah und roch; an die Zwischendecke, die den Raum teilte, an die Ölflecken an Wand und Boden. Der Aktionskreis mit seinen engagierten Menschen - damals 30 Männer und Frauen - hätten diese Wandlung angestoßen und sie begleitet. „Der Verein hat sich freilich nicht nur des Gebäudes angenommen. Er hat es - und das ist nicht minder verdienstvoll - mit Leben erfüllt, aus der Synagoge einen Ort der Kultur geschaffen“, stellte er heraus. Kultur bedeute immer Begegnung und heiße stets menschliches Miteinander. Eine kulturelle Stätte sei eine wahrhaft menschliche Stätte – und was würde besser zu einer Synagoge passen, wenn sie schon nicht mehr Stätte des Gebets sei.

Bilder