Kunst aus der Ukraine Vom Leben und Kämpfen

Thomas Eller
Die Fotografie „ Foto: privat

Mürsbach hat eine historische Beziehung zur Ukraine. Nun zeigt THEgallery zwei Ausstellungen, die von der rauen Geschichte und dem Alltag der Bewohner im letzten Jahrhundert erzählen.

 
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THEgallery lädt zu zwei parallelen Ausstellungen ein, die Mürsbach mit der Ukraine verbinden - oder eher umgekehrt. Der Ort im Itzgrund ist seit jeher eng mit der Ukraine verbunden, und zwar durch einen Gelehrten, der in Mürsbach geboren und aufgewachsen ist und 1804 Gründer der philosophischen Fakultät einer neuen Universität in Charkiv wurde. Johann Baptist Schad führte die Ideen der Aufklärung und des Humanismus in der Ukraine ein und inspirierte viele Intellektuelle dort.

Die beiden Ausstellungen „Du weißt, dass du ein Mensch bist“ und Vadim Sidur „Krieg und Frieden“ erzählen von der rauen Geschichte und dem menschlichen Leben in der Ukraine im letzten Jahrhundert.

„You Know That You Are Human“ ist eine von Kateryna Filyuk kuratierte Ausstellung von 21 ukrainischen Fotografen, die das Menschsein in seiner Vielfalt, in geschlechtlichen, kulturellen und sozialen Kontexten zeigt, indem sie die individuelle Positionierung der Künstler im Alltag in den Mittelpunkt stellt. Das Konzept für diese Ausstellung entstand vor der russischen Invasion in der Ukraine. Es ging um die ukrainische Fotografie der Lebensweisen von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Der Titel ist dem berühmten Gedicht des ukrainischen Dichters Vasyl Symonenko aus den 1960er Jahren entlehnt: Ти знаєш, що ти - людина / Du weißt, dass du ein Mensch bist.

Die Arbeiten der ukrainischen Fotografen geben einen Einblick in die Veränderungen der ukrainischen Gesellschaft seit den 1960er Jahren, von den Jahren, in denen sich der Traum vom Sozialismus allmählich als gescheitert erwies, bis zu den letzten Monaten des aufopferungsvollen Kampfes der Ukrainer für ihr Land. Die Ausstellung war zuvor in der Zionskirche Berlin zu sehen.

Vadim Sidurs Plastik „After the War“ aus dem Jah 1968. Foto: privat

Vadim Abramovich Sidur war ein ukrainischer sowjetischer Avantgarde-Bildhauer und Künstler, der manchmal als sowjetischer Henry Moore bezeichnet wird. Er kreierte einen Stil namens Grob-Art (Coffin-Art). Sidur wurde in Dnipropetrowsk, Ukraine, als Sohn eines jüdischen Vaters und einer russischen Mutter geboren. Eine der einprägsamsten Kindheitserinnerungen war der Holodomor von 1932/1933. In seinem autobiografischen Werk „Denkmal für den gegenwärtigen Zustand“ schildert er vor allem das Massensterben aufgrund von Hungersnöten in den Dörfern, Fälle von Kannibalismus und Ernährung durch Leihmütter. Er spricht auch über die Arbeit des Torgsin-Systems. So tauschte seine Mutter einen Silberlöffel gegen ein Kilogramm Mehl ein. Im Jahr 1942 wurde er zur Roten Armee eingezogen und kämpfte im Zweiten Weltkrieg. Nachdem er von einer deutschen Kugel am Kiefer verwundet worden war, wurde er als Kriegsversehrter entlassen.

Seit den 1960er Jahren wurden Sidurs Werke im Westen bekannt. Bald wurde er berühmt. In der Sowjetunion wurden seine Werke von 1950 bis zu seinem Tod nicht ausgestellt, mit Ausnahme einer eintägigen Ausstellung im Haus der Schriftsteller in Moskau im Jahr 1968.

THE gallery, Mühlstraße 8, MürsbachAusstellungsdauer: 2. - 30. April, Samstag und Sonntag, 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung

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