Beobachten lässt sich dieser Effekt, indem man zerstossene Teeblättchen auf eine Wasseroberfläche gibt. Die Bruchstücke verteilen sich zunächst gleichmäßig. Gibt man einen Tropfen Seife dazu, werden die Teeblättchen schlagartig an den Rand gezogen. Dabei treten Strömungen auf, die auf der Oberfläche zirkulieren. Halten solche Strömungen lange an, stabilisieren sie die Bläschen im Bierschaum.
Protein entscheidet über Schaumqualität
Eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung des Bierschaumes spielt das Protein LTP1 (Lipid transfer protein 1):
In einfach vergorenen Bieren, wie den Lagerbieren, sind die LPT1-Proteine in ihrer ursprünglichen Form vorhanden. Sie wirken wie kleine, kugelförmige Teilchen, die sich dicht gepackt auf der Oberfläche der Bläschen anordnen. Das entspricht einer zweidimensionalen Suspension: Also einem Stoffgemisch aus einer Flüssigkeit und fein verteilten Festkörpern, welche wiederum diese Blasen stabilisiert.
Bei der zweiten Gärung werden die Proteine durch die Hefezellen etwas denaturiert, das heisst ihre natürliche Struktur wird leicht verändert. Sie bilden dann eine netzartige Struktur, eine Art Membran, welche die Bläschen noch stabiler macht.
Bei der dritten Gärung werden die bereits veränderten LPT1-Proteine so stark denaturiert, dass es Bruchstücke mit einem wasserabstossenden und einem „wasserliebenden“ Ende gibt. Diese Bruchstücke verringern die Grenz- und Oberflächenspannungen und stabilisieren die Bläschen maximal. „Diese Proteinteile funktionieren wie Tenside, die in vielen Alltagsanwendungen wie Waschmitteln Schäume stabilisieren“, erklärt Vermant.
Zusammenspiel vieler Faktoren
„Die Stabilität des Schaums hängt nicht linear von einzelnen Faktoren ab. Man kann nicht einfach ‘etwas’ ändern und es ‘richtig’ einstellen“, erklärt Vermant.
Wird die Viskosität durch zusätzliche Tenside erhöht, könne das den Schaum sogar instabiler machen, weil man damit die Marangoni-Effekte zu stark verlangsame. „Entscheidend ist, gezielt an einem Mechanismus zu arbeiten – nicht an mehreren gleichzeitig. Bier macht das offensichtlich von Natur aus gut.“
Für belgische Bierkonsumenten sei der Schaum wichtig, wegen des Geschmacks und als „Teil der Experience“, wie der Materialforscher erläutert. „Aber nicht überall, wo Bier getrunken wird, ist der Schaum so wichtig. Das ist etwas Kulturelles.“
Anwendungen auch in Technik und Umwelt möglich
Die Erkenntnisse aus der Bierschaum-Forschung haben auch außerhalb der Braukunst Bedeutung. In Elektrofahrzeugen etwa können Schmiermittel schäumen – ein gefährliches Problem.
Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung nachhaltiger Tenside, die auf Fluor oder Silizium verzichten.