Kunstforum Schloss Hohenstein Assistent Algorithmus

Biologe,Techologieunternehmer und Künstler: Marc Gumpinger vor seiner Tapisserie „Ukrainka 5“. Foto: Ralph Veill

Marc Gumpinger will die virtuelle Welt greifbar machen. Mit digitalen Mitteln kreiert er abstrakte Bilder – malend und strickend.

 
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„Women in Cars“ locken derzeit Kunstfans nach Schloss Hohenstein. Unverkennbar ist die Handschrift des Pop-Art-Pioniers James Francis Gill, den diese Ausstellung bis Mitte August feiert. Doch inmitten der coolen Schönen in ihren bunten Retroschlitten sorgt ein Blickfang für Verwunderung: Ein monochromes Monument in Gelb dominiert das Treppenhaus.

Die wellige Maserung erinnert an die Strömungsfilme des Wetterberichts oder an den Fingerabdruck eines Riesen. Bei näherer Betrachtung verblüfft zudem das Material des zweieinhalb Quadratmeter großen Werks: gestrickte Wolle. Das vermeintliche Gemälde entpuppt sich als Tapisserie, die keineswegs einer Laune des Texaners Gill entsprungen ist, sondern der berechnenden Fantasie des deutschen Künstlers und Informatikers Marc Gumpinger.

Sein jüngst geschaffenes Werk „Ukrainka 5“ fungiert als „Cliffhanger“, verrät Ralph Veil, der kunstsinnige Schlossherr von Hohenstein. Es soll neugierig machen auf weitere Arbeiten Gumpingers, die bis 17. September im Musikzimmer des Schlosses zu sehen sind. Sie bedürfen der Erklärung, die auch angeboten wird, denn Gumpingers Arbeitsweise ist ungewöhnlich: Seine Assistenten sind Algorithmen. Mithilfe digitaler Werkzeuge möchte der Künstler das Abstrakte und Unfassbare dieser Epoche greifbar machen. Dafür setzt er neben selbst programmierten Algorithmen auch 3D-Konstruktions- und Simulationsprogramme und Visual-Effects-Software ein. Damit kennt sich der 44-Jährige aus: Der Doktor der Humanbiologie und Technologieunternehmer hat eines der einflussreichsten mobilen Social-Gaming-Netzwerke der Welt aufgebaut, das schließlich von Blackberry übernommen wurde.

Seither nutzt er sein Know-how in künstlerischer Mission, um virtuelle Welten mit klassischen Medien wie Ölgemälde oder Strickgewebe darzustellen. Mit großem Erfolg: Seine Werke sind in namhaften Sammlungen wie der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen vertreten und werden in Ausstellungen von München bis San Francisco gezeigt.

Gumpinger zählt sich zu den Pionieren der „prozeduralen Ästhetik“, die das Abgebildete hinterfragt. Die auf Schloss Hohenstein gezeigte „Ukrainka“-Werkgruppe zeigt kleine Teilchen, die durch eine algorithmische Simulation von Luftbewegungen entlang von virtuellen Strömungen angeordnet wurden, die wir als organisch wahrnehmen.

Für Gumpinger stehen sie sinnbildlich für die Auswirkungen menschlichen Handelns: Vom Ausstoß von klimaschädlichen Feinstaubteilchen bis hin zur Bewegung von Kampfmitteln in Kriegen. „Letztendlich stellen die Arbeiten die Frage, für welche Auswirkungen jeder von uns stehen möchte“, erläutert Gumpinger. Er möchte verdeutlichen, dass jeder Mensch die Verantwortung für sein Handeln trägt und jedes Handeln Spuren hinterlässt. Auch aus diesem Grund stiftet Marc Gumpinger den Erlös aus dem Verkauf von Arbeiten aus der Ausstellung vollständig für humanitäre Hilfe in der Ukraine.

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