Kurioses Gerichtsurteil Künftig nur noch ein Bier pro Tag

Manfred Wagner
Nur noch ein Bier pro Tag darf ein 39-Jähriger aus den Haßbergen laut Gerichtsurteil künftig konsumieren. Foto: picture alliance/dpa/Felix Hörhager

Ein 39-jähriger Obdachloser steht wegen Beleidigung von Polizeibeamten vor dem Amtsgericht in Haßfurt. Dort hat er Glück, dass er noch einmal mit Bewährung davonkommt – und einer Auflage.

 
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Haßfurt/ Zeil - Ein Obdachloser hatte gleich vier Polizisten mit nicht zitierfähigen Ausdrücken beschimpft und dazu den Mittelfinger hochgereckt. Die auch als „Stinkefinger“ bekannte Geste bedeutet soviel wie: „Du bist ein Vollidiot.“ Derartige verächtliche und ehrverletzende Beleidigungen sind strafbar und brachten den Mann fast in den Knast. Der mehrfach Vorbestrafte hatte großes Glück, denn der Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot verurteilte ihn „nur“ zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe – obwohl dieser die Tat unter laufender Bewährung begangen hatte.

Was war passiert? Am 30. Juni dieses Jahres gab es gegen ein Uhr in der Nacht einen Mordslärm auf dem Marktplatz in Zeil am Main. Lautstark grölte damals der Angeklagte zusammen mit einigen anderen Saufkumpanen mitten in der Kleinstadt. Zwei Streifenwagen der Polizei erschienen daraufhin am Tatort. Als die insgesamt vier Beamten den Lärmenden einen Platzverweis erteilten, wurde der Obdachlose renitent und beschimpfte die Polizisten. Seine Schimpftirade hielt auch dann noch an, als man ihn in Haßfurt in die Ausnüchterungszelle steckte.

Der derzeit im Maintal lebende Angeklagte bestritt die Vorwürfe nicht, sondern legte ein volles Geständnis ab. Zum Hintergrund des Vorfalls erklärte er, dass sie den Geburtstag eines Kumpels gefeiert hätten. Offenbar floss der Alkohol in Strömen - an Sekt, Bier und Schnaps konnte sich der Beschuldigte erinnern. Sein Rechtsanwalt Alexander Wessel sprach in diesem Zusammenhang von einer „alkoholbedingten Enthemmung“.

Ausführlich beleuchtete der Vorsitzende den bisherigen Lebenslauf des Angeschuldigten. Der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammende Mann schaffte zum Abschluss seiner Schulzeit die mittlere Reife. Anschließend absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung als Verfahrensmechaniker im Kunststoffbereich. Danach ging er nach Schweinfurt, wo er etwa acht Jahre lang in der Großindustrie arbeitete, zuletzt sogar als Schichtleiter.

Er wollte beruflich weiter vorankommen, doch 2013 kam es dann zu einem tiefen Einschnitt in seinem Leben. Er hatte ein Burnout und verfiel in tiefe Depressionen. Seitdem ging es mit ihm ständig bergab. Das belegen auch seine acht Vorstrafen im Bundeszentralregister. Die erste Verurteilung wegen Diebstahls erfolgte Ende 2013, die letzte am 29. Juli dieses Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung. Da wurde er zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

„Bewährungsversager“

Da die massive Beleidigung der Beamten unter laufender Bewährung erfolgte, forderte der Staatsanwalt eine viermonatige Freiheitsstrafe. Er nannte den Angeklagten einen „Bewährungsversager“ und da es keine festen Strukturen bezüglich Wohnung, Familienverhältnisse und Arbeit bei ihm gibt, konstatierte er eine negative Sozialprognose. Der Verteidiger hingegen wies darauf hin, dass sein Mandant zum ersten Mal wegen Beleidigung angeklagt sei und man von daher nicht von einem „Wiederholungstäter“ sprechen könne.

Nach längerer Abwägung entschied sich Richter Gillot doch noch für eine Bewährungsstrafe. Schädlich für den Mann sei vor allem sein großer Alkoholkonsum und sein Umgang mit anderen gescheiterten Existenzen. Trotzdem sah er kleine „Zeichen der Hoffnung“. Deshalb verhängte er eine ganze Reihe von Bewährungsauflagen. Dazu zählt neben einem Bewährungshelfer die Weisung, regelmäßig Kontakt zur Suchtberatung zu halten. Hinsichtlich des Alkohols verbot er dem Verurteilten, zukünftig mehr als ein Bier täglich zu konsumieren. Diese Anordnung kann jederzeit unangekündigt von der Polizei überprüft werden. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Sie wieder straffällig werden – aber Sie können mir das Gegenteil beweisen!“, sagte der Vorsitzende abschließend. Das Urteil wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig.

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