Trump behauptete in Tweets, dass die Briefwahl in der Corona-Krise die Betrugsgefahr erhöhe - und bereitete damit den Boden für seine späteren Versuche, das legitime Wahlergebnis zu kippen. Twitter versah einen Trump-Tweet nach dem anderen mit Warnhinweisen. Die Republikaner zitierten Dorsey mehrfach vor Kongressausschüsse und versuchten, den Spielraum von Online-Plattformen beim Vorgehen gegen Nutzer und Inhalte einzuengen.
"Mr. Dorsey, wer zur Hölle hat sie gewählt und damit beauftragt, zu entscheiden, was die Medien berichten dürfen und was das amerikanische Volk erfahren darf?", brüllte der republikanische Senator Ted Cruz den Twitter-Chef kurz vor der US-Wahl an. Nach der Attacke von Trump-Anhängern auf das Kapitol verbannte Twitter den damals noch amtierenden Präsidenten - und betonte, dass es für ihn keinen Weg zurück auf die Plattform gebe.
Dieser Konflikt könnte Twitter noch Kopfschmerzen bereiten, wenn die Republikaner die Kontrolle über den US-Kongress zurückgewinnen sollten. Auch anderswo steht Twitter unter Druck: Russland drosselte jüngst den Dienst und droht mit einer Blockade.
Die Anfänge des Dienstes waren bei weitem nicht so kontrovers. Ein Tweet am 15. Januar 2009 machte der ganzen Welt das Potenzial der Plattform deutlich, bei der jeder News teilen kann. "Es ist ein Flugzeug im Hudson", twitterte der Software-Unternehmer Janis Krums sein Foto einer gerade im New Yorker Fluss notgewasserten Passagiermaschine, das er auf einer Fähre im Hudson gemacht hatte.
Im "Arabischen Frühling" - den Protesten, die Ägypten, Libyen und Tunesien veränderten - half Twitter der Bewegung und wurde zu einem wichtigen Instrument der Demonstranten.
Die schnelle Twitter-Reaktion der Keksmarke Oreo bei einem Stromausfall während des Superbowls 2013 - "Man kann auch im Dunkeln tunken" - zeigte Firmen, wie man sich schnell ins Gespräch bringt.
Sein Geld verdient Twitter mit Werbung. Im Kern zahlt man dafür, Tweets in die Timelines der Nutzer zu bringen. Nach einer langen Durststrecke ist Twitter mit dem Modell inzwischen fest in den schwarzen Zahlen angekommen. Wie viele Nutzer der Dienst hat, weiß man unterdessen nicht genau. Twitter nennt seit einiger Zeit nur noch die Zahl der täglichen Nutzer, die über die hauseigene App oder das Web mit Werbung erreicht werden können. Zuletzt waren es 192 Millionen.
Mit Dorseys Performance als Twitter-Chef sind aber viele Investoren nicht zufrieden. Das hat nicht nur mit den vergleichsweise geringen Umsatzzahlen zu tun, die längst nicht mit Facebook oder Google mithalten können. Auch der Aktienkurs hat sich nur mau entwickelt.
Kritiker werfen Dorsey vor, bestimmte Innovationsthemen nur halbherzig angegangen zu sein. So habe er es verpasst, den Live-Video-Streamingdienst Periscope zum Erfolg zu führen, den Twitter im März 2015 gekauft hatte. Stattdessen konnte das chinesische Technologieunternehmen Bytedance dieses Segment mit TikTok besetzen. Die Periscope-App wird dagegen Ende März eingestellt. Immerhin wurde die Live-Funktionalität in der Twitter-App selbst integriert.
Dorsey probiert unterdessen noch eine ganz andere Möglichkeit aus, mit Tweets Geld zu machen. Er versteigert gerade eine digitale Kopie seiner ersten Twitter-Nachricht. Der Tweet vom 21. März 2006 mit den Worten "just setting up my twttr" ("Ich richte nur mein twttr ein") ist die älteste Nachricht, die auf der Plattform verfügbar ist. Das Höchstgebot liegt bei 2,5 Millionen Dollar (etwa 2,1 Mio Euro). Dorsey will das Geld spenden.
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