Medellin - Ich lasse Santa Marta hinter mir und steige in den Bus nach Medellin. Wow, WiFi an Bord. Das habe ich bislang nicht erlebt. Ich habe auch überhaupt keine Ahnung, ob es das in meiner alten Heimat schon gibt, zumal ich dort ja selten in den Bus steige. In Lateinamerika hingegen ist der Bus - ob Luxus-Ausstattung oder nahezu schrottreif - das Fortbewegungsmittel Nummer 1 für alle Gesellschaftsschichten. Die Liegesitze im Bus, der mich 800 Kilometer gen Süden bringt, lassen sich tatsächlich ganz zurückfahren, aber mein kleiner Rucksack ist zu breit, um ihn oben im Fach zu verstauen. Also muss ich ihn unter meine Beine quetschen, für die dann nur noch begrenzt Platz bleibt. Wie ein Embryo hänge ich zusammengekauert im Sitz und richte mich irgendwie ein. Leo indes liegt bequem in meinem Rucksack. 15 Stunden Fahrt liegen vor uns. Glücklicherweise habe ich gut vorgesorgt, denn wie meist in solchen Überlandbussen ist es hier eisig wie im Kühlschrank. Das verhält sich genauso wie mit der Musik. Es gibt nur den An- oder Aus-Knopf. Der An-Knopf im Bus pustet mir die Kälte derart in die Augen, dass sie unentwegt tränen. Also ziehe ich mir Chaps Wintermütze - eine Wärme, die ich schon gefühlsmäßig dringend brauche - nicht nur über den Kopf, sondern zusätzlich über die Augen, hülle mich in mein großes Badetuch und zieh' den Reißverschluss meiner Fleecejacke ganz nach oben.

Unerwartetes Wiedersehen

Ich bin froh, als wir nach drei kurzen Pausen und der langen Fahrt endlich da sind. Ich schnappe mir sofort ein Taxi und erreiche bald darauf das Black Sheep Hostel. Da allerdings muss ich fast vier Stunden ausharren, bis mein Zimmer endlich bezugsbereit ist. Dafür gibt es kostenlosen Kaffee und später einen Frühschoppen mit Aguila. Die Biermarke, die mir bislang am ehesten zusagt. Eine riesige Überraschung folgt etwa eine gute Stunde nach meiner Ankunft: Matt, der Engländer mit dem Monty-Python-Humor, mit dem ich mich vier Tage durch den Dschungel gekämpft habe, streckt den Kopf zur Tür herein. Wie uralte Freunde fallen wir uns um den Hals. Auch er ist in 15 Stunden mit dem Bus hierher gekommen, nur mit einer anderen Gesellschaft. Es ist schon witzig, wie man immer wieder auf die gleichen Leute stößt, wenn man sich am Lonely Planet, dem Reiseführer für "billige Touren", orientiert. In Englisch wie in Deutsch oder anderen Sprachen sind hier von Kennern immer die besten Plätze für Traveller empfohlen. Und so trifft man in einer Millionen-Metropole auf Bekannte, die man vor zwei Wochen ja noch nicht einmal gekannt hat.

Metro und Metro-Cable für Arm und Reich

Die Provinzhauptstadt, mit drei Millionen Einwohnern gleichzeitig zweitgrößte Stadt Kolumbiens, bietet wie keine andere kolumbianische City eine dermaßen kontrastreiche und bewegende Geschichte. Die noch bis vor 20 Jahren als die „gefährlichste Stadt der Welt“ verrufene Metropole, in der sich weder Bewohner noch Besucher sicher fühlen konnten, wächst heute zu einem Magneten für vornehmlich Rucksack-Reisende heran. Wenngleich geführte Besucher-Touren allmählich ebenfalls in die Schuhe kommen. Vorsicht jedoch ist nach wie vor geboten, auch wenn Millionen von Dollars in den Imagewandel und die Infrastruktur investiert worden sind. Die Metro - Kolumbiens einzige Hoch-Bahn, die seit 1996 in Betrieb ist - und das Metro-Cable, die Seilbahn, die seit zehn Jahren auch über etliche Armen-Viertel hinweg gondelt, sind Sehenswürdigkeiten, derer sich die Stadt rühmt. Sie bezieht auf einmal auch die Menschen mit ein, die vor einigen Jahren noch im Abseits gelebt haben. Wer einstmals zwei Stunden mit dem Bus bis zur Arbeit gebraucht hat, ist nun in einer halben Stunde da. Und was all die Paisas, wie sich die Einwohner Medellins voller Stolz nennen, vereint, sind Metro und Metro-Cable. Deshalb würde es auch nicht dem Ärmsten und Wütendsten einfallen, hier irgendwelche Scheiben einzuwerfen, die Waggons zu besprühen oder die Wände in den Haltestationen mit Schmierereien oder Müll zu verunstalten.

Siebtreichster Mensch der Welt

Einer, der schon vor vielen Jahren darauf geachtet hat, dass die Ärmsten auch etwas vom fetten Kuchen der Reichen abbekommen, ist Pablo Escobar, brutalster Gangsterboss und zu seinen "Glanz"-Zeiten laut Forbes-Magazin siebtreichster Mensch der Welt, dem die Armen in der Stadt bis heute huldigen. Er hat dort, wo die Menschen zwischen Brettern, Blech und Schlamm hausten, Häuser über einige Hügel der Stadt ziehen lassen. Der Drogen-Baron indes genoss seinen Reichtum in vollen Zügen. Allein in Kolumbien hat er mehr als 500 luxuriöse Häuser und Grundstücke besessen, in vielen Ländern außerhalb Südamerikas ebenfalls. Dass ich die Escobar-Tour, die mich vier Stunden auf die Spuren dieses Mannes führt, mitmache, steht außer Frage. Aber es ist ein permanentes Abwägen von Gut und Böse, das ich ebenso erlebe wie die anderen Traveller, die sich an die Fersen des legendären, vielfachen Mörders heften. Ob und wie häufig sich der nur 1,67 Meter kleine Kolumbianer - er ist genauso groß gewesen wie ich - dabei selbst die Hände schmutzig gemacht hat, vermag wohl keiner nachzuweisen. Denn seine engsten Begleiter aus jener Zeit sind nahezu alle tot. Wenn nicht im Kugelhagel gestorben, dann durch böse, mafiöse Gegner ebenso brutal zu Tode gequält, wie dies Escobars Truppen selbst zu tun pflegten. Oder sie fristen den Rest ihres Lebens im Gefängnis.
1,7 Millionen arbeiten für die "Organisation"

Rund 1,7 Millionen Menschen haben für die "Organisation" gearbeitet, wie die kleine Kolumbianerin Paola - mächtig stolz auf ihr Land, das unglaublich viel Schönes zu bieten hat - während der Tour erzählt. Lange Zeit bekämpften sich unter der Regentschaft Escobars die linke Guerilla, die rechten Paramilitärs und die Armee. Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Armut existieren jedoch bis heute. So komme ich mir schon sehr beschämt vor, als ich meine kleine Zwischenmahlzeit während der über vierstündigen Tour nicht schaffe. Ein halber Hühnerschenkel, eine kleine Kartoffel und zwei Maisplätzchen - die Beilagen wollte ich doch gar nicht - liegen noch in der Plastiktüte. Neben mir bekommt ein kleiner, runzliger Händler mit Bauchladen schon Stielaugen und sieht mich flehend an. Natürlich gebe ich ihm die Tüte. Aber betroffen macht mich das allemal.

Das Drogengeschäft, vor allem mit Coca und Marihuana, hat lange Tradition in Kolumbien und zählt noch heute zu den ertragreichsten Geschäften des Landes. Wegen der hohen Nachfrage im Ausland sowie den guten klimatischen, aber auch geographischen Bedingungen zum Anbau sowie zum Verstecken angesichts des unendlichen Dschungels, scheint es nach wie vor ein lohnendes Geschäft. Auch aufgrund der Perspektivlosigkeit vieler Bauern und der Menschen, die abseits der dichten Großstädte leben und die sich wegen billiger Lebensmittelimporte kaum noch ernähren können, werden etliche regelrecht in diese Machenschaften gedrängt, bei denen auf jeden Fall viel mehr Geld verdient werden kann. Wer denkt da schon an all die armen Teufel, die durch Kokain ums Leben kommen. Über die Hälfte des weltweit konsumierten Kokains stammt nach wie vor aus Kolumbien und ist somit, wenn auch illegal, ein großer Teil der Wirtschaft.

Tausende sterben in den Straßen

Bis in die 1990er-Jahre wurde der Drogenanbau und -handel zum Großteil durch die Kartelle von Medellin und Cali bestimmt. Paola nennt die Jahre zwischen 1989 und 1991 die schlimmsten. Wer es sich leisten kann - finanziell oder durch Beziehungen - verlässt das Land, geht meist in die USA. Tausende von Menschen sterben in den Straßen Medellins. Nachts sind die Straßen wie ausgestorben, wer den Schritt hinauswagt, kehrt selten zurück. Noch heute, so versichert Paola, "gibt es in Medellin Bezirke, in die sich weder Politiker noch Polizei hinein wagen". Hier liefern sich rivalisierende Banden wegen des Drogenhandels weiterhin Kämpfe, die viele mit dem Leben bezahlen. Während Escobars Drogen-Herrschaft und der harten Zeit danach verlieren über sechs Millionen Menschen ihr Leben, schildert die junge Kolumbianerin eindrucksvoll. "Die meisten von ihnen hatten mit Drogen gar nichts zu tun", sagt Paola betroffen und erinnert an unzählige Bombenattente, darunter etliche auf Escobars Hauptquartier, dessen Überreste bis heute unangetastet bleiben. Mahnende Überbleibsel aus der Zeit des schmutzigen Geldes. Und das gibt es bis heute. Paola traut keinem Polizisten über den Weg. Und die gibt es hier in solchen Mengen, dass man es kaum glauben mag. Nun ja, einer der Backpacker, den ich treffe, wird bei einer Durchsuchung der Taschen unterwegs mal eben um 20.000 Pesos bestohlen. Das mögen nur acht Euro sein. Aber es zeigt, dass die Staatsdiener ebenso korrupt sind bis auf die Knochen wie viele jener, die das Sagen im Lande haben.

El Doctor, El Patron und Don Pablo

Wieder zurück in die junge Vergangenheit: Der steigenden Nachfrage nach Kokain in den Siebzigern in den USA wegen, wurde ein gut organisiertes Produktions-, Handels- und Transfer-Netzwerk für Kokain aufgebaut. Das Medellin-Kartell unter Pablo Escobar kontrollierte zu seinen besten Zeiten 80 Prozent des Geschäfts, während der Rest von 20 Prozent in den Händen des Cali-Kartells lag. Als der mächtigste, rücksichtsloseste und brutalste Drogenhändler, den es je gegeben hat, am 2. Dezember 1993 erschossen wird, lässt der Zerfall des Kartells nicht lange auf sich warten.
Unsere Begleiterin Paola, die gerade mal fünf Jahre alt ist, als ein mächtiger Apparat verschiedenster Geheimdienste den als "El Doctor", "El Patron" oder "Don Pablo" gefürchteten Drogenhändler zur Strecke bringt, lässt uns tiefer eintauchen in die Geschichte. Escobar wird einen Tag nach seinem 44. Geburtstag auf der Flucht übers Dach seiner geheimen Bleibe in Medellin erschossen. Als wir vor dem unspektakulären Gebäude stehen, schweigen alle. Paola indes hält uns die Bilder aus jener Zeit unter die Nase, wo der über allen Stehende plötzlich ohne Unmengen von Leibwächtern und Verbündeten als einziges die Flucht übers Dach als letzten Weg wähnt. "Lieber ein Grab in Kolumbien als ein Gefängnis in den Vereinigten Staaten", ist die legendäre Aussage des Drogen-Königs. Und die bewahrheitet sich an besagtem 2. Dezember 1993.



Drei Prozent besitzen fast alles

Ein Blick zurück: Gewalt prägt schon die Jugend Pablo Escobars, der daher später keinerlei Skrupel entwickelt, um seine Ziele umzusetzen. Als Escobar geboren wird, besitzen gerade einmal drei Prozent der kolumbianischen Bevölkerung 97 Prozent der Ländereien und Rohstoffe Kolumbiens, darunter Bergwerke, Ölquellen sowie Kaffee- und Bananenplantagen. Escobar, der dem ländlichen Mittelstand entstammt, zieht mit seiner Familie nach Envigado, den Stadtteil, in dem ich gerade im "Black Sheep Hostel" wohne. Pablo beginnt hier bereits mit 13 Jahren kolumbianisches Marihuana zu rauchen, wird aber niemals selbst Kokain konsumieren, mit dessen Handel er Abermillionen verdient.

Zusammen mit seinem Cousin Gustavo Gaviria verbringt er seine Jugend auf den Straßen und in den Bars des Medelliner Rotlichtbezirks, wo er Bekanntschaft macht mit lokalen Unterweltgrößen. Raubüberfälle und der Handel mit geschmuggelten Marlboro-Zigaretten bringen ihn früh an die Macht. Einen Schulabschluss hat Escobar nicht.
Mit 20 Jahren beginnt er, Autos zu stehlen, sie zu zerlegen und als Hehlerware zu verkaufen. Die verhassten reichen Bürger entführt er bald darauf mit seiner Bande und tötet sie oft - trotz Lösegeldzahlungen.

1,5 Millionen Dollar Verdienst pro Tag

In den 1970er-Jahren baut Escobar ein riesiges Drogenimperium auf. Während seiner besten Jahre soll er bis zu 1,5 Millionen US-Dollar am Tag verdient haben. Durch Grausamkeit und Skrupellosigkeit gelangt er schnell an die Spitze des Medellin-Kartells. Obwohl Escobar einmal im Besitz von elf Kilogramm Kokain festgenommen wird, gibt es nie einen Prozess wegen Drogenbesitzes oder -handels gegen ihn, da der ihn belastende Polizist unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt. Durch Morddrohungen werden die Richter eingeschüchtert, die den Prozess nicht noch einmal aufrollen. John Jairo Velásquez Vásquez, genannt „Popeye“, ist engster Vertrauter und Chefkiller Escobars, der auf dessen Befehl über 150 Menschen töten lässt. Insgesamt geht auf Escobars Konto die Hinrichtung von 30 Richtern und 457 Polizisten.

Escobar heiratet die 15-jährige María Victoria Henao Vellejo. Mit ihr bekommt er die Kinder Juan Pablo und Manuela. Sie leben laut Paola heute unter falscher Identität in Argentinien. Mit seinem Sohn lässt sich Escobar zu jenen Zeiten, als er auch politisch ganz oben steht, sogar vor dem Weißen Haus in Washington ablichten. In jenem Land, das ihn später eisernst verfolgt. Obwohl der Drogen-Multimillionär seine Frau mit unzähligen jungen Mädchen betrügt, wird seine Ehe als glücklich beschrieben. Man muss ja nicht alles im Leben verstehen. Wurde eine dieser Frauen schwanger, ist sie schlicht von Escobars Auftragsmördern getötet worden. So heißt es auf jeden Fall in der jungen Historie.
"plato o plomo"

1976 landet Escobar wegen Kokain-Handels erstmals im Gefängnis. Er lässt sich noch mit einem strahlenden Lächeln mit seiner Registrier-Nummer ablichten. Nicht lange dauert seine Zeit hinter Gittern, zumal er nach Bestechung kurz darauf wieder freigelassen wird. Die Beamten, die ihn verhaftet haben, werden ermordet. Der Drogen-König etabliert damit das kolumbianische „plata o plomo“: Silber oder Blei. Wer sich nicht bestechen lässt, wird mit Bleikugeln vollgepumpt. Die Drogen-Transporte werden derweil hauptsächlich mit Staffeln von Sportflugzeugen abgewickelt, aber auch mit ferngesteuerten Mini-U-Booten, die bis zwei Tonnen Kokain von der Nordküste Kolumbiens bis nach Puerto Rico transportieren. In der Endphase lässt der Drogen-König zehn Tonnen Kokain in einer umgebauten Boeing 727 in die USA exportieren.

Privat-Zoo und künstliche Seen

1979 kauft Escobar für 63 Millionen Dollar eine 3000 Hektar große Ranch bei Puerto Triunfo und lässt daraus einen luxuriösen Landsitz gestalten, der neben Flug- und Hubschrauberlandeplatz über eine Stierkampfarena, sechs Swimmingpools, ein gynäkologisches Untersuchungszimmer, künstliche Seen für Wasserski und ein komplettes Straßennetz verfügt. Für seinen Zoo auf der Hacienda lässt Escobar Elefanten, Büffel, Löwen, Nashörner, Gazellen, Zebras, Flusspferde, Kamele und Strauße einfliegen. Dass hier die schönsten Frauen ein- und ausgingen (im schlimmsten Fall auch nicht mehr), mag in solchen Kreisen nicht weiter verwundern. Aber dass der Drogen-Baron seiner Zeit weit voraus war, mag bei einem Blick auf "Wikipedia" die Geschichte von Demütigungen beweisen, wo Schönheitsköniginnen Insekten schlucken oder nackt auf Bäume klettern mussten. Da kann ich nur sagen: Das "Dschungel-Camp" lässt grüßen. Tantiemen müssten posthum wohl abgeführt werden. Zudem sollen etliche Hinrichtungen auf der Hacienda - auch zur Unterhaltung von Escobars Gästen - gang und gäbe gewesen sein.

Politiker und "Robin Hood" zugleich

Escobar hat es zudem zu politischem Ruhm geschafft. 1978 wird er als Abgeordneter in den Stadtrat von Medellin gewählt, die politische Immunität schützt ihn vor weiterer Strafverfolgung. 1982 lässt sich Escobar als Abgeordneter in den kolumbianischen Kongress wählen. Auf dem Gipfel seiner Popularität nennen ihn die Menschen „Paisa Robin Hood“. Wegen bewiesenen Drogenhandels wird er gezwungen, sein Mandat niederzulegen. Sein Einfluss auf die Politik bleibt - dank Bestechung. 1988 investiert George Bush, seines Zeichens US-Präsident, einen Milliarden-Etat in den Kampf gegen den kolumbianischen Drogenhandel.

Im Widerstand gegen ein von der kolumbianischen Regierung beabsichtigtes Gesetz zur Auslieferung von Drogenhändlern an die USA führt Escobar an der Spitze der Extraditables („die Auslieferbaren“) einen regelrechten Krieg gegen den Staat. Er lässt Hunderte von Polizisten, Richtern und Staatsanwälten ermorden und überzieht die Hauptstadt Bogotá mit Bombenterror. Ein besonders spektakuläres Bombenattentat legt den Sitz der Tageszeitung „El Espectador“ in Bogotá in Trümmer. Zahlreiche Entführungen von Angehörigen des öffentlichen Lebens in Kolumbien, häufig mit tödlichem Ausgang, gehen auf Escobars Konto. Auftragskiller bekommen zwischen 500 und 1000 Dollar Kopfgeld für jeden getöteten Polizisten in Medellin.

Luxuriöser Knast

Nach Friedensverhandlungen erklärt Escobar 1991 einen Waffenstillstand und stellt sich der Polizei, nachdem ihm zugesichert wird, nicht an die USA ausgeliefert zu werden. In den von ihm selbst errichteten luxuriösen Knast La Catedral rückt der Drogen-Boss samt seiner Leibgarde ein. Da blinken selbst in Paolas Augen viele Fragezeichen. Als Escobar Drogenhändler ins Gefängnis kommen und dort ermorden lässt, will die Regierung nicht weiter zusehen und ihn in ein anderes Gefängnis verlegen. Daraufhin ergreift er die Flucht. Vom luxuriösen Gefängnis gibt es heute keinerlei Spuren mehr.

16 Monate später stirbt Escobar im Kugelhagel einer US-amerikanisch-kolumbianischen Elite-Einheit in Medellin. Beim Telefonat mit seinem Sohn spüren ihn die Ermittler auf. Und das, obwohl er 60 verschiedene Satelliten-Verbindungen gehabt haben soll. Bei seiner Flucht über das Dach seiner Bleibe bringen ihn seine Verfolger nach einem langen Katz-und-Maus-Spiel zur Strecke.

Über 20.000 Menschen bei Beerdigung

An Pablo Escobars Beerdigung nehmen über 20.000 Menschen teil. Sein Grab, das - wie sollte es anders sein - sticht aus allen einfachen Gräbern heraus. Wenn auch längst nicht so voluminös, wie man das häufig in unseren Breiten sieht. Aber es ist bis heute eine Pilgerstätte. Und eben erst muss jemand frische Blumen abgelegt haben. Als ich vor dem Grabstein stehe, erlebe ich erneut dieses Wechselbad der Gefühle. Von den Armen, die es nach wie vor zuhauf gibt, wird Escobar regelrecht vergöttert. Ich stelle den Drogen-Baron durchaus auf eine Stufe mit einigen anderen Schlächtern der jüngeren Vergangenheit. Und Paola erwischt mich bei meinem Gedanken-Sprung: Sie bittet uns Ausländer höflich darum, ein wenig über die Geschichte ihres Landes nachzudenken und diese nicht nur auf die Ära Escobar zu reduzieren. Schließlich werde Deutschland auch nicht stets in einem Atemzug mit Hitler genannt. Ja, das gibt einem zu denken.

Und weil Medellin so viele andere wunderbare Geschichten birgt und es jede Menge zu erleben gibt, genießen Leo und ich diese Metropole noch einige Tage.