Oberfranken – Pliiing! – eine neue SMS. Pliiing! – ein neues Posting auf Facebook. Pliiing! – ein lustiges Kätzchen-Video über WhatsApp. Immerzu meldet sich das Smartphone in der Hosentasche und fordert: Nimm mich, guck mich an, beschäftige dich mit mir, und zwar sofort! Häufig erliegen Handy-Besitzer der Versuchung. Durchschnittlich 80 Mal am Tag, wie eine Studie der Uni Bonn kürzlich herausgefunden hat.
Diese Gefahr der ständigen Ablenkung lauert außerdem in fast jeder Schultasche, denn nahezu jeder Jugendliche besitzt ein Smartphone. An bayerischen Schulen sind die Geräte seit 2006 verboten. Wer das Schulgelände betritt, muss seines ausschalten. Eigentlich, denn die Realität sieht oft anders aus. „Verbieten kann man viel“, sagt Clemens Pfefferle, medienpädagogischer Berater für die Realschulen in Oberfranken und Lehrer an der Realschule in Pegnitz. Für viele Schüler sei das Smartphone Statussymbol und ständiger Begleiter. Pfefferle weiß, dass die Realität das Verbot häufig einholt, dass Jugendliche in der Schule SMS schreiben, Videos gucken, WhatsApp-Nachrichten verschicken, Lösungen googeln oder gar Fotos von Gerät zu Gerät schicken, die strenggenommen als pornografisch gelten.
Die mobilen Geräte schaffen viele Probleme. Für Schüler und Lehrer. „Manche machen gar keine Hausaufgaben mehr“, sagt Pfefferle. „Einer erledigt die Hausaufgaben. Dann werden sie innerhalb einer WhatsApp- oder Facebook-Gruppe herumgeschickt. Die anderen schreiben einfach nur ab.“ Die Folgen sind oft verheerend. Weil es den Schülern so an Übung fehlt, rasseln sie nicht zuletzt deshalb durch die Prüfungen. „Schüler haben natürlich schon immer voneinander abgeschrieben. Aber dieser Umfang ist neu“, sagt Pfefferle. Das allein schon sei bedenklich genug. Doch es gibt noch beängstigendere Fälle: „Es soll auch schon passiert sein, dass ein Schüler dazu genötigt worden ist, Hausaufgaben zu machen und sie an andere zu schicken.“
Wer sein Smartphone im Unterricht oder in der Pause unerlaubterweise benutzt, auf den warten teilweise beträchtliche Strafen. Am Jean-Paul-Gymnasium in Hof zum Beispiel erhält der Schüler einen Verweis, wenn sein Telefon im Unterricht klingelt. „Diese Regelung haben wir zusammen mit Eltern und Schülern getroffen. Das funktioniert gut“, sagt Schulleiter Dr. Markus Köhler. Bisher hätten die Lehrer in diesem Schuljahr ein halbes Dutzend Verweise ausgesprochen.
Doch es gibt auch Ausnahmen. Wenn die Schüler vorher den Lehrer fragen, dürfen sie in bestimmen Fällen zum Smartphone greifen: „Wenn ein Kind seine Eltern anrufen und fragen will, ob Mutter oder Vater zum Abholen kommt, erlauben wir das.“ Und unter Aufsicht werde das Smartphone gelegentlich sogar im Unterricht eingesetzt, erzählt Köhler: „Zum Beispiel im Musikunterricht, um Musikstücke zu finden.“ Am Hochfranken-Gymnasium in Naila setzt Schulleiter Lothar Braun das Smartphone auch schon mal in Englisch ein: „Da haben wir kürzlich mit einem Online-Wörterbuch gearbeitet.“
Für den Unterricht bietet das Handy ganz neue Möglichkeiten zum Lernen. Wo bis vor Kurzem noch eine teure und komplizierte technische Ausstattung nötig war, können die kleinen Geräte heute wertvolle Hilfe sein. Schließlich bietet das Smartphone nicht nur ein Telefon, sondern auch Video-Kamera, Fotoapparat, Enzyklopädie, Sternenkarte, ein Abspielgerät für Musik und Videos oder ein Radio. Damit kann man im Internet recherchieren, bestimmte Lieder für den Musikunterricht finden, Versuche im Chemie- oder Bio-Unterricht aufzeichnen oder Fotostorys für den Englisch-Unterricht aufbereiten. Außerdem gibt es digitale Werkzeuge, die Schülern und Lehrern einen kreativen Umgang mit den mobilen Geräten ermöglichen: Etwa Unterrichts-Apps wie die „Wortarten-Lernapp“ für den Deutsch-Unterricht; den „Historischen Atlas“ für Geschichte oder das „Akustiklabor“ für Physik.
Schüler sollten das Gerät nur im Klassenraum und unter Aufsicht benutzen dürfen, rät Berater Pfefferle: „Sobald der Erste das Gerät benutzt, um jemand anderes auf der Toilette zu filmen, ist die Grenze überschritten.“ Grundsätzlich sei die Schule ein geschützter Bereich, „da will der Lehrer nicht die Fotos oder Videos vom Wochenende sehen.“ Und Facebook-Freundschaften mit Schülern seien Lehrern ohnehin verboten.
Bei den 14- bis 15-Jährigen waren 2013 laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest 78 Prozent der Schüler im Besitz eines Smartphones, bei den 18- bis 19-Jährigen sogar noch mehr. Die Schule könne nicht verlangen, dass jeder ein Handy mit Internetzugang dabei habe, sagt Pfefferle. Dass das Smartphone trotzdem immer stärker Einsatz im Unterricht finden werde, davon ist der Oberfranke jedoch überzeugt: „Das Smartphone ist eine Erfindung, die unser Leben noch mehr verändern wird.“ An dieser Tatsache kämen auch die Lehrer nicht vorbei.
Länderspiegel Schlaues Gerät für smarte Schüler
Julia Ertel 06.05.2014 - 00:00 Uhr
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