Landkreis überdenkt Impf-Strategie Irritieren, informieren, impfen

Pia Bayer
  Foto: René Ruprecht

Nicht noch mehr informieren, sondern vor allem anders. Das ist das Hauptanliegen, das bei der ersten digitalen Impfkonferenz des Landkreises Haßberge deutlich wird.          

 
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Kreis Haßberge - Sie war die erste ihrer Art – und das in ganz Unterfranken. Mit der ersten digitalen Impfkonferenz am vergangenen Donnerstagabend hat der Landkreis Haßberge einen wichtigen Austausch ermöglicht. Teilgenommen haben rund 80 Vertreter aus Wirtschaft und Verbänden, Schulen, Kitas und der Pflege, Kommunalpolitiker, Ärzte, Helfer aus dem Impfzentrum und Gastronomen. Der größte Wunsch vieler Teilnehmer, das wurde schnell deutlich, war es, bessere Kommunikationswege und -strategien für unterschiedliche Personengruppen zu entwickeln. Das Problem dabei: fehlende Daten.

Ungenaue Datenlage

Der Landkreis Haßberge liegt statistisch gesehen jeweils zwei bis drei Prozentpunkte hinter der Impfquote in ganz Bayern, sowohl was den Impfschutz durch zwei Impfungen angeht (Haßberge: 69,0 Prozent, bayernweit: 72,6 Prozent), als auch beim Boostern (Haßberge: 47,4 Prozent, bayernweit: 49,4 Prozent). Ob diese Zahlen auch das Verhältnis der geimpften Personen in der Realität widerspiegelt, zog André Kuhn, Verwaltungsleiter des Impfbereichs am Landratsamt, allerdings in Zweifel. Denn, so gab er zu bedenken: „Die Anzahl der Betriebsimpfungen ist hier nicht einkalkuliert.“ Zudem wurde die Postleitzahlenzuordnung für die Impfungen seit Sommer aufgehoben: Viele Pendler, die im Landkreis wohnen, aber in Schweinfurt, Bamberg oder Coburg arbeiten, könnten also dort erfasst worden sein.

Betriebsimpfungen

Auf die Frage, ob man die Daten nach bestimmten Merkmalen wie Alter auswerten könnte, um gezieltere Kommunikationsstrategien zu entwickeln, antwortete Kuhn, eine entsprechende Filterung sei nicht mehr möglich. Auch sei die Zusammenführung der Daten aus den unterschiedlichen Systemen, die Hausärzte, Betriebe und Impfzentren zur Impfdokumentation verwenden, schwierig. Die Daten der Betriebsimpfungen werden deshalb nur zentral ans RKI gemeldet. „Allerdings ist es immer noch nicht möglich, uns seitens des RKI Informationen zur Verfügung zu stellen, wie viele Impfungen im Betrieb durchgeführt wurden“, erklärte Kuhn. Diesbezüglich mahnte Michael Bischof von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft an: „Warum kriegen Sie von diesen Unternehmen die Zahlen nicht? Ich würde das an Ihrer Stelle schon mal anfragen.“

Eine weitere Idee, auf die Bischof verwies, waren „sprachlich fundierte Impftage“. So habe er von einem Unternehmen gehört, das einen arabischen Impftag angeboten habe, erklärte er.

Andere Sprachen

Diesen Themenkomplex griff Stefan Paulus, 1. Bürgermeister von Knetzgau, weiter auf. Auch er habe die Erfahrung gemacht, dass manche Gruppen von den bisherigen Informationen nicht erreicht würden. Im Blick hatte er dabei Menschen in einer Siedlung mit starkem Russlandbezug. Seine Frage hierzu lautete: „Ich habe Ärzte hier, die das machen würden. Was kann ich tun, um an der Haustüre zu impfen?“ Das wäre wegen des hohen technischen und Dokumentationsaufwandes für staatlich finanzierte Impfungen nicht so leicht möglich, entgegnete Kuhn. Man will nun überlegen, inwieweit der Impfbus ab April für solche Zwecke genutzt werden kann.

Weitere Ideen, die während der Konferenz entwickelt wurden, um speziell Menschen mit Migrationshintergrund besser zu erreichen, waren Info-Aktionen an bestimmten Einkaufsmöglichkeiten und Informationsflyer in anderen Sprachen.

Insgesamt wurde in der Konferenz deutlich, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen gesättigt seien mit Informationen über Corona und mögliche Impfungen, andere Gruppen dagegen bisher nicht erreicht werden. So fehle es an gezielten Kommunikationsstrategien für Kräfte aus dem medizinischen und dem Pflegebereich, für Eltern und Schüler oder auch zu Booster-Impfungen, die den jeweiligen Mehrwert herausstellen. Zudem wurden Kampagnen in Richtung Werbung gefordert, die mehr Aufmerksamkeit erregen. Die gesammelten Ideen werden nun im Landratsamt ausgewertet. Anschließend soll es eine weitere Konferenz geben.

Impfen ohne Termin

Ab Montag bis mindestens 13. Februar bietet der Landkreis Haßberge in allen drei Impfzentren in Hofheim, Ebelsbach und Königsberg Impfungen auch ohne Termin an. „Aktuell lässt die Impfanfrage stetig nach. Es ist nicht mehr ausgebucht seit rund eineinhalb Wochen“, erklärte Kuhn. Für eine Planung von Impfungen und Kapazitäten ohne Termin über den 13. Februar hinaus wolle man allerdings erst die Lieferung des neuen Impfstoffs von Novavax abwarten, so Kuhn weiter. Dieser sei derzeit für Ende Februar, Anfang März angekündigt. Landrat Wilhelm Schneider ergänzte: „Wir wissen auch nicht, ob die Impflicht kommt – ob ab 50 oder 18.“ All das hätte selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Kapazitäten.

Ab April will der Landkreis darüber hinaus einen Impfbus einsetzen. Zusätzlich denkbar sind Impfungen vor Kneipen, Kinos oder Clubs.

Impfbus ab April

Im Landkreis Schweinfurt ist er schon unterwegs gewesen, die Landkreise Coburg und Kronach setzen ebenfalls schon länger auf ihn. Nun will auch der Landkreis Haßberge einen Impfbus ins Rollen bringen. Starten soll das Projekt „ab Ende April“, wie André Kuhn berichtete.

„Bei jetziger Witterung ist das äußerst schwierig“, erklärte Kuhn auf Nachfrage von Teilnehmern der Konferenz, warum man nicht schon früher mit dem Angebot beginne. So habe der Landkreis Schweinfurt bereits einen Bus im Einsatz gehabt, sei im Winter aber mit Schwierigkeiten wegen der Witterung konfrontiert gewesen. Deshalb habe man sich für diesen Zeitplan entschieden.

Neben festen Stationen, die der Impfbus in regelmäßigen Abständen anfährt, kam während der Konferenz auch die Idee auf, den Bus zu nutzen, um von Tür zu Tür zu gehen und in einzelnen Straßenzügen zur Impfung zu motivieren. So könne man die Impfung gezielt zum Bürger bringen anstatt den Bürger zur Impfung, zeigten sich mehrere Teilnehmer der Online-Konferenz von der Idee angetan.

Nadine Vierheilig, Betriebsleitung im Lokwerk in Haßfurt, signalisierte in der Impfkonferenz ebenfalls bereits Interesse an einem Einsatz des Impfbusses. „Trotz mäßigem Erfolg der Impfaktion im Lokwerk Ende September 2021 würden wir gerne wieder eine Impfaktion anbieten – besonders auch mithilfe des Impfbusses am Stadtstrand Haßfurt (geplante Öffnung April)“, schrieb sie ins Chatfenster.

Novavax kommt

Ab Ende Februar, Anfang März soll laut André Kuhn auch der Impfstoff von Novavax in den Impfzentren des Landkreises Haßberge zur Verfügung stehen. Vorrangig wolle man diesen in den Haßbergen, wie im ganzen Freistaat, zunächst für Menschen aus dem medizinischen Bereich und der Pflege zur Verfügung stellen, sagte Kuhn während der ersten digitalen Impfkonferenz des Landkreises. Ziel damit sei es, Versorgungsengpässe abzufedern, die mit der ab dem 15. März geltenden Impflicht in diesen Berufsgruppen entstehen könnten. Eine extra Online-Veranstaltung zur Information sei geplant.

Für den vollen Impfschutz mit der Vakzine von Novavax braucht es laut Kuhn mindestens fünf Wochen: Zwischen der ersten und der zweiten Impfung müssen demnach drei Wochen vergehen. 14 Tage nach der zweiten Impfung gilt man schließlich als vollständig immunisiert.

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