"In jeder unserer Zellen wird die DNA täglich tausende Male beschädigt und spezialisierte molekulare Mechanismen reparieren sie ständig", erklärte Mitautor Alessandro Cellerino vom FLI. Vergleichende Genomstudien hätten gezeigt, dass langlebige Säugetierarten ihre DNA außergewöhnlich effizient reparieren können.
Gute DNA-Reparatur = langes Leben?
Die Ergebnisse beim Grönlandhai seien ein weiterer Hinweis darauf, dass die DNA-Reparatur ein allgemeiner Mechanismus sein könnte, der der Evolution außergewöhnlicher Langlebigkeit zugrunde liegt, so das Fazit der Forschenden. Darüber hinaus seien die Daten eine Grundlage dafür, die genomische Vielfalt und damit die Populationsgröße der gefährdeten Art abschätzen zu können.
Dass Grönlandhaie 400 Jahre alt werden können, hatte eine Forschergruppe um Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen schon 2016 in der Fachzeitschrift "Science" berichtet. Ihre Geschlechtsreife erreichen diese Haie demnach erst nach etwa 150 Jahren. Die Tiere können mehr als fünf Meter lang werden, wachsen aber sehr langsam.
Eine im vergangenen Jahr vorgestellte Studie hatte ergeben, dass sich das Erbgut von Haien wesentlich langsamer verändert als das anderer Wirbeltiere. Die Veränderungsrate speziell bei Epaulettenhaien beträgt nur etwa ein Zwanzigstel der Rate beim Menschen, wie Forscher um Manfred Schartl von der Universität Würzburg im Journal "Nature Communications" berichteten. Es handle sich um die niedrigste bisher bei Wirbeltieren bekannte Mutationsrate überhaupt.
Bei Haiarten in kalten Gewässern mit noch niedrigerer Stoffwechselrate - wie dem Grönlandhai (Somniosus microcephalus) - könnten noch niedrigere Mutationsraten zu erwarten sein, erläutern die Wissenschaftler.
Alles hat Vor- und Nachteile
Eine geringe Veränderungsrate hat Vor- und Nachteile, wie das Forschungsteam erläutert: Dass sich in das Erbgut so selten Änderungen einschleichen, sei eine mögliche Erklärung für das außergewöhnlich geringe Krebsrisiko der Haie. Allerdings könnten sie sich aus demselben Grund langsamer an Umweltveränderungen anpassen als andere Tiere.
Erbgut-Änderungen sind die Grundlage für Evolution: Manche bringen einen Überlebensvorteil für die betroffenen Tiere und bleiben damit eher erhalten, weil diese Exemplare eine größere Chance für mehr Nachwuchs haben. Aber auch die Erkrankung Krebs basiert auf spontanen kleinen Änderungen in der DNA, die zu Fehlfunktionen der betroffenen Zelle und ungezügelter Zellvermehrung führen.
Unverändert seit einer halben Milliarde Jahren
Haie sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt. Sie bevölkern die Weltmeere seit etwa 400 bis 500 Millionen Jahren; ihr grundsätzliches Erscheinungsbild hat sich in dieser enormen Zeitspanne kaum verändert. Haie werden spät geschlechtsreif, haben einen langsamen Stoffwechsel, werden sehr alt und haben wenig Nachkommen. Überfischung, Lebensraumverlust und Klimawandel verursachen einen Rückgang der Bestände vieler Haiarten.