Lautertal Widerstand gegen Windriesen wächst

Martin Rebhan
In Sachen Lautstärke spielt die Höhe des Windrades keine Rolle. Das sagt zumindest der Betreiber. Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Bei einer öffentlichen Sitzung des Lautertaler Klimabeirates informiert der Bürgermeister, dass im Rathaus erneut eine Unterschriftenliste eingegangen ist. Damit habe sich nun eine eindeutige Mehrheit der Bürger gegen den Austausch der alten Anlage ausgesprochen. Indes versuchen Experten weiter, die Bedenken in der Bevölkerung zu entkräften.

 
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Lautertal - Nachdem die Gemeinde Lautertal letzte Woche die Bürger aus Tremersdorf und Rottenbach zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Erneuerung der Windkraftanlagen bei Tremersdorf eingeladen hatte (NP vom 16. Juli), konnten jetzt alle Interessierten an einer Sitzung des Lautertaler Klima- und Umweltbeirates teilnehmen und Fragen an Experten stellen.

Bevor sich „Windkümmerer“ Hubert Tremel-Franz (Energieagentur Nordbayern), Umweltingenieurin Elke Dubs (Landratsamt Coburg) sowie Matthias Pavel und Maximilian Weiß (Uhl Windkraft) zum Status quo, den rechtlichen Vorgaben und den Zielen einer Erneuerung der drei vorhandenen Windkrafträder äußerten, ließ Bürgermeister Karl Kolb wissen, dass in der Gemeinde eine weitere Unterschriftenliste eingegangen ist, über die sich 60 Bürger aus Rottenbach gegen neue Windräder aussprachen. „Somit haben sich 99 Einwohner und damit 62,6 Prozent der Wahlberechtigten der Ortsteile Rottenbach und Tremersdorf gegen das Projekt ausgesprochen“, stellte Bürgermeister Kolb fest.

Interessant war festzustellen, dass aber nicht einmal die Hälfte der Gegner die Gelegenheiten nutzen, sich über die geplante Maßnahme zu informieren und aus erster Hand zu erfahren, was eigentlich westlich von Tremersdorf geschehen soll.

Schnell vom Tisch war der Einwand, dass durch Infraschall gesundheitliche Schäden auftreten können. Dr. Marten Schrievers, Facharzt für Umweltmedizin, verwies darauf, dass es keinerlei medizinisch wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gäbe, dass Infraschall zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Matthias Pavel erläuterte, dass Infraschall (Frequenz unter 20 Hertz), vom menschlichen Ohr nicht wahrnehmbar sei. „In einer Entfernung von 500 Meter ist dieser nicht mehr messbar“, betonte Pavel und ergänzte, dass in Wohnhäusern durch Elektrogeräte mehr Infraschall entstehe als durch Windräder. Nicht unerwähnt ließ Pavel, dass sich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bei der Umrechnung von gemessenen Infraschallwellen in akustische Daten um den Faktor 1000 verrechnet habe. Es wurden dadurch viel zu hohe Dezibel-Angaben veröffentlicht.

Der Forderung, bereits jetzt eine Lärmberechnung zu machen, konnte Matthias Pavel nicht entsprechen. Er erläuterte, dass für ein belastbares Gutachten enorme Vorarbeit geleistet werden müsse. „Das geht nicht von heute auf morgen“, betonte Pavel und ergänzte, dass eine solche Expertise dann in Auftrag gegeben wird, wenn sich die Planungen verdichten. Auch der Vorschlag statt den geplanten 250 Meter hohen Windrädern einfach kleinere zu bauen, erwies sich als nicht zielführend. Matthias Pavel meinte hierzu: „Anlagen mit der halben Höhe würden dann immer noch zwei Drittel der Kosten verursachen, damit wären wir nicht mehr wettbewerbsfähig“. Pavel weiter: „Die Geräuschemissionen haben mit der Anlagenhöhe nichts zu tun.“

Auch den Hinweis, dass der Bau von neuen Windkraftanlagen selbst Kohlendioxid erzeugt, konnte Matthias Pavel entkräften. Nach seinen Ausführungen sind die Anlagen innerhalb von vier bis sechs Monaten klimaneutral. Auch bestehe keine Gefahr, dass eine Anlage umkippen könnte.

Bevor neue Windräder gebaut werden können, müssen nach Worten von Elke Dubs zwei Fragen beantwortet werden: „Lässt die Natur Windräder zu, lässt die Nachbarschaft Windräder zu?“ Klimabeirat Frank Reißenweber betonte, dass eine Energiewende ohne Windkraft nicht möglich sei.

Der Biologe betonte, dass durch hohe Windräder Vögel und Fledermäuse nicht so stark betroffen seien. Allein mit der grünen Stromerzeugung sei es für ihn aber nicht getan. Als nächster Schritt müsste dann aus dem gewonnenen Strom Wasserstoff bzw. Methangas erzeugt werden. Die Frage nach dem Abtransport des erzeugten Stroms konnte Matthias Pavel dahingehend beantworten, dass man mit der SÜC Coburg bereits Kontakt aufgenommen habe und der Strom über eine neue Erdverkabelung in das Coburger Umspannwerk eingespeist werden könnte.

Gemeindegeschäftsführer Cedric Lindner fürchtet seit Längerem, dass die 10H-Regel wohl nicht mehr lange hält. Er betonte: „Wenn die 10H-Regel fällt, dann wird die Gemeinde nur noch gehört.“ Dies sah Klimabeirat Dr. Bernd Wicklein ebenso. „Es stellt sich nicht die Frage ob wir ein Repowering durchführen, sondern wann.“ Wicklein weiter: „Jetzt haben wir noch das Sagen“.

Dass die Frage von neuen Windrädern die Dorfgemeinschaft spalten könnte, befürchtet Frank Fischer. „Ich habe keinen Bock darauf, dass sich jemand wegen der Windräder von der Feuerwehr abmeldet“, äußerte er sich als Kommandant der Feuerwehr Rottenbach. Er forderte Bürgermeister Kolb auf, sensibel mit dem Thema umzugehen.

Bevor weitere Schritte unternommen werden können, müssen alle Beteiligten erst das arten- und naturschutzrechtliche Gutachten abwarten, das wahrscheinlich erst im Herbst dieses Jahres vorliegen wird.

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