Lichtenfels Einmal noch zu den "Amigos"

Katja Diedler
Den "Amigos" ganz nah: Bernd Ulrich (links) und Karl-Heinz Ulrich kümmern sich um Gerhard Neuwald, einen besonderen Konzertbesucher. Foto: Michael Stelzner

Mit dem Wünschewagen hat Gerhard Neuwald das Konzert der Schlagerstars in Lichtenfels besucht. Ein ganzes Team hatte den Ausflug organisiert.

 
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Lichtenfels - Als die "Amigos" am Sonntag im ZDF-Fernsehgarten ihre Daumen nach oben strecken, ist das ein Gruß an den Coburger Gerhard Neuwald. Das haben sie dem 81-Jährigen während ihres Konzerts in Lichtenfels versprochen. Ganz selbstverständlich war es für ihn nicht, die Schlagerstars auf der Bühne zu erleben. Er leidet unter Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und muss seit 2014 mit einem Tracheostoma beatmet werden. Seither lebt er in der Intensivpflege-Einrichtung von Fazmed auf Schloss Hohenfels.

Ein Wünschewagen für Coburg

Bislang steht der einzige bayerische ASB-Wünschewagen in München. Er war es auch, der Gerhard Neuwald nach Lichtenfels brachte. Von Mitte Dezember an soll sich das ändern. Dann bekommt Franken seinen eigenen Wünschewagen, der todkranken Menschen letzte Träume erfüllt. Er wird zentral in Erlangen stehen.

Im Prinzip sieht das Fahrzeug aus wie ein Krankenwagen, er ist nur ein bisschen länger. Den Unterschied macht die Ausstattung. So gibt es zum Beispiel einen Sternenhimmel, und durch die großen Fenster kann der Fahrgast die Landschaft betrachten. Trotz allen Komforts ist der Wünschewagen natürlich für Notfälle mit medizinischer Ausrüstung ausgestattet. Eine Fahrt wird üblicherweise von Pflegern des Wünschers begleitet. Zur Besatzung des Wünschewagens gehören zwei Sanitäter, die ehrenamtlich arbeiten.

Und genau solche Leute sucht der Coburger ASB noch. "Wie oft der Wagen unterwegs sein kann, hängt auch davon ab, wie viele Ehrenamtliche wir finden", sagt Matthias Neuf vom Coburger ASB. Wünsche können über die Homepage www.wuenschewagen.de angefragt werden.

Nach Lichtenfels hat ihn der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) gebracht. Eingefädelt haben das sein Pfleger Ronny Linz und seine Tochter Gina Dahm, die selbst als Pflegerin bei Fazmed arbeitet. Organisatorisch wurden sie von Sohn Christian Neuwald unterstützt, der unter anderem das Treffen mit den "Amigos" organisiert hatte. Heike Neuwald, die älteste Tochter, hat im Hintergrund Strippen gezogen.

Die Musik der "Amigos" hat die Familie über Jahre hinweg begleitet. "Mein Vater ist oft in den Keller gegangen und hat die Anlage ganz laut aufgedreht. Auch zum Leidwesen von uns Kindern und meiner Mutter", verrät Christian Neuwald. Nur zu einem Konzert hat er es nie geschafft. Am Freitag sind alle Familienmitglieder "Amigos"-Fans, sie freuen sich für ihren Vater. Am frühen Nachmittag haben sie sich schon in der Pflegeeinrichtung versammelt. Gina Dahm hat ihren Vater schick gemacht für den Ausflug. Christian Neuwald erklärt dem 81-Jährigen genau, was auf ihn zukommt. "Er kann zwar nicht mehr sprechen, bekommt aber noch alles mit, was um ihn herum geschieht", erklärt er. Neuwald verständigt sich mit seinem Vater über Blickkontakt.

Für alle ist es ein aufregender Tag, auch weil der Wünschewagen im Stau steht. Erst kurz vor 18 Uhr biegen Benni Schweiger und Stephan Peklo mit dem Krankenwagen in die Auffahrt ein. Christian Neuwald packt alles zusammen, was notwendig ist: Beatmungsgerät, Akku und eine große Tasche mit medizinischem Zubehör. Dann geht es los. Ein bisschen zu spät kommt die Gruppe in Lichtenfels an. Das macht aber nichts. Wilfried Emig, der Manager von den "Amigos", hat alles organisiert. Eine Mitarbeiterin vom Veranstaltungsservice Bamberg bringt Familie und Pfleger hinter die Bühne - und dann kommen sie schon, die "Amigos". Beherzt geht Bernd Ulrich auf Gerhard Neuwald zu, berührt seine Hand und sagt: "Schön, dass du da bist." Der ALS-Patient hat ganz glasige Augen, blinzelt kaum. "Er will alles mitbekommen", erklärt Gina Dahm. Sie kümmert sich mit ihrem Bruder um den Vater, auch während des Konzerts, das alle hinter der Bühne miterleben. Immer wieder informieren sie den 81-Jährigen darüber, dass alles in Ordnung ist und die Werte passen. Er ist das erste Mal seit vielen Jahren wieder in der Öffentlichkeit unterwegs. "Sonst ging es für ihn immer nur ins Krankenhaus", sagt Christian Neuwald.

Besonders froh ist Neuwalds Ehefrau Renate. Sie genießt es, neben ihrem Mann hinter der Bühne zu sitzen, hat nur Augen für ihn. Und als die Musiker "In unserem Herzen lebt die Erinnerung" anstimmen, werden ihre Augen einen kurzen Moment lang feucht. Auch die "Amigos" sind für ihren besonderen Gast da, signieren in der Pause ein T-Shirt und nach dem Konzert nehmen sie sich Zeit für den 81-Jährigen.

Weil es in Coburg noch keinen Wünschewagen gibt, wandten sich Familie und Pfleger an das Team aus München. Das sagte laut Christian Neuwald recht schnell zu. Auch Wilfried Emig, der Manager der "Amigos", versprach, ein Treffen möglich zu machen. Norbert Lang von der Stadthalle Lichtenfels kümmerte sich darum, dass der 81-Jährige das Konzert von einer Liege aus verfolgen kann. Dann gab es noch allerhand medizinische Dinge zu klären. So kontaktierte Gina Dahm den Hausarzt ihres Vaters, Dr. Albrecht Schmitt - auch der gab seine Zustimmung. Dann hatten sie noch ein Problem. Der Akku für das Beatmungsgerät hält nur zwei Stunden. "Da halfen uns Sebastian Münch und Tanja Jungbluth von Löwenstein Medical, dem Beatmungsdiensleister. Die haben uns sofort einen größeren Akku zur Verfügung gestellt. Ich möchte wirklich allen danken, die uns dabei geholfen haben, das möglich zu machen", sagt Christian Neuwald.

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