Mangel in Apotheken Medikamente fehlen

Immer öfter hört man in Apotheken, dass Medikamente nicht vorrätig sind. Der Mangel betrifft inzwischen 330 Präparate. Foto: dpa/Jan Woitas

Immer mehr Arzneimittel sind in den Apotheken nicht zu bekommen. Das macht den Patienten das Leben schwer.

 
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Angesichts des sich immer weiter verschärfenden Arzneimangels in Deutschland werden Forderungen nach grundlegenden Änderungen bei der Herstellung und Beschaffung von Medikamenten immer lauter. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verlangte, dass der Großhandel seine Bevorratung ändere, oder man müsse eine staatliche Planung für einen Grundstock an Medikamenten machen. Sollte der Bund nicht tätig werden, könne auch Bayern ein Zentrallager für Arzneimittel allein aufbauen, sagte Söder. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt (62), schlägt Tauschgeschäfte und Schenkungen mit europäischen Nachbarländern vor. „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Unterdessen fehlen immer mehr Arzneien. Die offizielle Liste gemeldeter Lieferengpässe des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte umfasste am Montagnachmittag 335 Positionen. Neben den Hustensäften und Fiebersenkern bei Kindern sind auch ganz andere Arzneigruppen betroffen. Immer mehr kommen auch Menschen mit chronischen Erkrankungen in Bedrängnis, die Schwierigkeiten bei der Beschaffung fortlaufend benötigter Medikamente haben. Selbst alltägliche Arzneien, wie bestimmte Cholesterinsenker, sind mitunter monatelang nicht verfügbar.

Besondere Sorge verursacht jedoch die derzeitige Welle von Erkältungs- und Atemwegserkrankungen speziell unter Kindern. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) appellierte an Ärzte und Apotheker, sich eng miteinander zu vernetzen. Der Minister sagte: „Tauschen Sie sich untereinander auch zur Verschreibung von Arzneimitteln und möglichen Alternativen aus. Alle müssen an einem Strang ziehen.“ Genau dies sei allerdings gerade ihr Berufsalltag, antworten die Apotheker. Täglich seien sie damit beschäftigt, bei Kollegen anzufragen, ob sie gesuchte Medikamente noch vorrätig haben, erläutert die Kulmbacher Apothekerin Alexandra Merkenthaler. Am Wochenende sei beispielsweise eine Mutter in ihrer Apotheke gewesen, der der Arzt ein Antibiotikum sowie zwei Schmerz- und Fiebersenker verschrieben habe, die sie alle drei nicht vorrätig gehabt habe. Nach einer Stunde Telefonaten mit zwölf Kollegen habe sie wenigstens zwei Mittel besorgen können.

Auf eine andere Möglichkeit weist Holetschek hin. Im Bedarfsfall könnten die Apotheker Fiebersäfte selbst herstellen. Dafür sei es wichtig, dass jetzt alle gesetzlichen Krankenkassen anfallende Mehrkosten bei Fiebersäften übernehmen und unbürokratische Hilfe anbieten. „Ja, die Herstellung von Fiebersäften ist Teil unserer Ausbildung, und wir könnten das natürlich auch tun“, sagt der Bayreuther Apotheker Andreas Paul. Bislang sei dies aber noch nicht erforderlich gewesen. Derzeit seien Medikamente der Industrie noch beschaffbar – wenn auch unter steigendem Aufwand. Paul wies aber darauf hin, dass die Apotheker strengen Regeln unterliegen, wonach sie immer nur die kostengünstigsten Präparate eines Wirkstoffs ausgeben und abrechnen können. Abweichungen müssten mit durchaus beachtlichem Aufwand belegt werden. Er schätze, dass die Herstellung eines Saftes der gängigen Medikamente Ibuprofen oder Paracetamol durch einen Apotheker auf einen Abgabepreis von zehn bis 14 Euro kommen würde, vorgefertigt kommen die Medikamente auf fünf bis sechs Euro. Soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Medikamente handle und Eltern dies wollten, sei eine Herstellung durch die Apotheke kein grundsätzliches Problem.

Hans-Peter Hubmann aus Kulmbach, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes, forderte, dass pharmazeutische Unternehmen und Großhandel sich abzeichnende Engpässe verpflichtend bekannt geben müssten. Sämtliche Akteure müssen in ein zentrales Informationssystem eingebunden werden. Außerdem sollten Krankenkassen verpflichtet werden, mit mehr als einem Arzneimittelhersteller Rabattverträge zu schließen. So könnten die Lieferengpässe eines Anbieters durch die anderen leichter ausgeglichen werden.

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