Auf der neu befestigten Bühne des Kronacher Freilichttheaters stehen zwei große Schauspielerin-nen: Katja Klemt und Sabine Rossbach leben als zentrale Figuren die gesamte Klaviatur menschlicher Emotion aus - von machtbesessen, neidisch, eifersüchtig, unterkühlt, über zaudernd, zögerlich und zerrissen, angstgepeinigt, hoch verzweifelt und letztlich abgeklärt, verzeihend, liebevoll und auch bedauernd. Es ist alles drin. Dabei zeichnet Regisseurin Anja Dechant-Sundby einen großartigen Spannungsbogen. Sie setzt auf ein wohltuend reduziertes Bühnenbild. Ihr Augenmerk gilt der Wucht der Worte und der Kraft des Spiels. Den Schiller’schen Text hat sie zuschauerfreundlich verschlankt. Mit Ruth Pulgram hat sie eine kongeniale Ausstatterin an ihrer Seite, die die Brücke zwischen klassischem Stoff und moderner Inszenierung vorzüglich in Szene setzt. Große plissierte Krägen erinnern daran, dass es jeder Figur letztlich an den Selbigen gehen könnte.
Angedeutete historische Zitate
Räume und Kostüme sind skizzenhaft angedeutete historische Zitate, schaffen Raum für suggestive Bilder. Die imposante, in der Nacht beleuchtete Festung bildet den ebenso faszinierenden wie authentischen Rah-men. Die beiden Königinnen stehen auf zwei stilisierten Türmen - jeder taugt zum Schloss, zum Kerker und zum Schafott. Von dort führen sie die Dialoge mit ihren Vertrauten, intriganten Liebhabern und machtbesessenen Vasallen. Die emotionale Zerreißprobe findet jedoch ihren Höhepunkt im direkten Dialog der beiden Rivalinnen. Schreie der Verzweiflung, Hadern, Umgarnen, Hass, Machtwille, Bösartigkeit. Tragisch sind beide. Opfer und Täter zugleich. Geliebt und gehasst, ausgebeutet und ausbeutend. In diesem Menschheitsdrama kann es weder Siegerin noch Verliererin geben. Auch wenn Maria wie ein erbarmungswürdiges Häufchen Elend im Keller ihres Verlieses schmachtet und Elisabeth sich einer stürmischen Liebesnacht hingibt, so bleibt offen, wer wahrhaftig geliebt wird und wer den wahren Kerker erlebt. Auf dem Blutgerüst wird am Ende nur ein Zwischenstand exekutiert.
Alle Männerrollen sind Nebenrollen: Bernd Beleb (in einer Paraderolle als Leicester), Artur Hieb (Paulet), Gerald Leiß (Burleigh), Volker Figge (Shrewsbury), Gregor Nöllen (Davison) und Lukas Reinsch (herausragend als Mortimer). Allgegenwärtig - und das macht einen Teil des Schauderns aus - gehört ihnen jedoch die Macht.
Aktueller denn je
Selten rang Friedrich Schiller so leidenschaftlich um die Fragen, die ihn ein Leben lang umtrieben, wie in seinem Trauerspiel „Maria Stuart“: Wie lassen sich Recht und Gerechtigkeit angesichts der Widersprüchlichkeit des Menschen durchsetzen? Wie ist es um die Freiheit des Einzelnen bestellt? Was ist politische Macht und wo endet sie? In welchem Staat wollen wir leben? Welche Durchsetzungskraft haben weibliche Macht und Herrschaft in einem patriarchalen System? Fragen, die angesichts der aktuellen politischen Lage drängender sind denn je. Großartig, dass die Macher der Rosenberg Festspiele diese Themen mit Schillers Theaterklassiker aufgreifen. Und sie tun es erfrischend neu und anders. Die angestaubten Reklamheftchen können also getrost zuhause bleiben.
Weitere Termine
Weitere Aufführungen am 25. Juni (22.30 Uhr), 3. Juli (18 Uhr) sowie jeweils um 20.30 Uhr am 7. Juli, 17. Juli, 22. Juli, 28. Juli, 6. und 7. August. Tickets gibt es unter anderem in der Kronacher Tourist-Information, Telefon 09261/97236, oder unter www.rosenbergfestspiele.de