Mariä Himmelfahrt Feiertag und Tag der Kräuter

Katrin Henn
Die Königskerze ist eine der zentralen Pflanzen im Würzbüschel und hilft bei Hustenerkrankungen, wie Apotheker Thomas Richter von der Hofapotheke zum Löwen in Würzburg erklärt. Foto: Katrin Henn/pow

In den Haßbergen ist der 15. August fast überall ein Feiertag – nur fünf Gemeinden bilden die Ausnahme. Überall gibt es jedoch den Brauch, an diesem Tag Kräuterbüschel zu binden. Apotheker Thomas Richter erklärt, welche Heilkräuter sich besonders hervortun.

 
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Ob Kamillentee, Salbeibonbons oder Lavendelduft – in der Hausapotheke kommen so einige Kräuter und Pflanzen zum Einsatz. Die drei genannten Pflanzen haben jedoch noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sie werden zu Mariä Himmelfahrt am 15. August zu einem Würzbüschel zusammengebunden. „Der Tag heißt im Volksmund auch ‚Mariawurzweih‘, und da werden die Marienkräuter geweiht. Nicht nur die klassischen Marienpflanzen, sondern auch der Würzbüschel“, erklärt Apotheker Thomas Richter von der Hofapotheke zum Löwen in Würzburg. „Man hängt ihn in Häusern und Dachfirsten auf. Das hat eine schützende Wirkung vor Unheil, Unwetter und allen möglichen Krankheiten.“ Da sei ein wenig Aberglaube im Spiel, aber auch Volksmedizin.

Heutzutage seien viele der Kräuter immer noch fester Bestandteil in der Hausapotheke. Es gebe Pflanzen aus der Volksmedizin, die noch von hoher Bedeutung seien. Einige seien aber auch obsolet geworden. „Die Volksmedizin ist immer eine Quelle für die Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit pflanzlichen Arzneimitteln gewesen“, erklärt Richter. Es sei immer schon ein Thema der Kirche gewesen, wie man die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen kann. Das Apotheken- und Ärztenetz sei vor 100 bis 200 Jahren anders gewesen. Arzneien und medizinische Behandlungen seien für die Bevölkerung nicht flächendeckend zugänglich gewesen.

Marienpflanzen und die Kräuter im Würzbüschel seien nicht das Gleiche, erklärt Richter. Wichtig sei es, die Pflanzen zu unterscheiden. Marienpflanzen werden durch ihre Attribute der Jungfrau Maria zugeordnet. Die Farbe Weiß spielt dabei eine große Rolle, weil Weiß für die Reinheit stehe. „Ave Maria zart, du edler Rosengart, lilienweiß“, heiße es beispielsweise im Kirchenlied. Die Pfingstrose ist ebenfalls eine Marienpflanze, weil sie eine Rose ohne Dornen sei. Das Schneeglöckchen sei nicht nur weiß, sondern blühe, wenn man Glück hat, zu Lichtmess. Auch das ist ein Marienfeiertag. Im Jahreskreis finde man mehrere Feste, an denen Pflanzen blühen, die Maria zugeordnet werden.

Die Pflanzen im Würzbüschel orientieren sich dagegen daran, welche Kräuter zu der Zeit verfügbar seien. Die Anzahl der Kräuter im Würzbüschel sei unterschiedlich. Die Personengruppen, die sich damit auseinandergesetzt haben, würden immer kleiner werden. Diese finde man vor allem in ländlichen Regionen. Die verschiedenen Kräuter für den Würzbüschel könne man selbst sammeln. Natürlich sei beim Sammeln Vorsicht geboten. Im Frühling werde das Maiglöckchen gerne mal mit dem Bärlauch verwechselt. „Bärlauch ist schmackhafter Waldknoblauch und das Maiblümlein ist hochgiftig“, warnt Richter. „Das Wildsammeln wird heute immer schwieriger“, erklärt er. Aufgrund des Artensterbens wüchsen immer weniger Wildkräuter. In der Regel holten Firmen, die Tees auf den Markt bringen, ihre Pflanzen aus Kulturen, also aus landwirtschaftlichen Anbauflächen.

Die zentrale Pflanze im Würzbuschel sei meistens die Königskerze. Sie werde auch „Muttergotteskerze“ genannt und helfe bei Hustenerkrankungen. Die Wirkung sei medizinisch belegt. Das Aussehen der Pflanze geht auf den Namen ein. Die Königskerze ist eine schlanke Pflanze und steht wie eine Kerze an dem Ort, wo sie wächst. Die Signaturenlehre spielte in der Pflanzenmedizin eine große Rolle. Dabei versuchte man, aus den Signaturen, also aus den äußeren Merkmalen der Pflanze, die Wirkungen abzuleiten.

Inzwischen sei es in den Apotheken nicht mehr Usus, offene Tees anzubieten, einfach weil die Nachfrage zu gering sei. Das generelle Wissen über die Wirkung von Pflanzen sei zurückgegangen, weil es viele Fertigarzneimittel gebe. „Es ist aber auch ein bisschen Kulturgeschichte, die untergeht. Die Seele der Apotheke ist dadurch schon etwas beschädigt worden, aber deswegen geht die Apothekenwelt trotzdem weiter“, sagt Richter. Das Wissen über Kräuter und Tees werde in der pharmazeutischen Ausbildung weiterhin gelehrt. Die Apotheke bleibe damit die richtige Anlaufstelle für Fragen zur Wirkung von Pflanzen.

Die Grenze zwischen Heilwirkung und Küche sei manchmal fließend. Viele wohlschmeckende Kräuter werden auch in der Küche eingesetzt. Thymian beispielsweise habe eine Wirkung als Hustensaft. Wermuth sei für den Büschel geeignet und gehöre zu den Bitterkräutern. „Alles, was bitter ist, sagt man, ist gut für den Magen“, erklärt Richter. Kräuter verlieren ihre Wirkung nicht, wenn sie in Alkohol aufgelöst werden. Alkohol könne jedoch andere Stoffe lösen, die Nebenwirkungen haben. Generell gewännen Kräuter an Wirkung, wenn sie getrocknet werden. Deswegen seien die Trocknungsvorgänge auch beim Würzbüschel entscheidend, weil die Pflanze postmortal noch einmal Inhaltsstoffe produziere.

Viele Heilkräuter sind beispielsweise im Kräutergarten des Klosters Oberzell zu finden. Einen Blick in den Garten und Tipps zur Verwendung der verschiedenen Heilkräuter gibt es unter www.oberzell.de

Mariä Himmelfahrt
  In den rund 1700 überwiegend katholischen Gemeinden Bayerns haben am Montag, 15. August, Fabriken und Geschäfte geschlossen: Gefeiert wird das Hochfest „Mariä Himmelfahrt“. In Unterfranken sind nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik von insgesamt 308 Gemeinden 87 Prozent überwiegend katholisch. Hinter „Mariä Himmelfahrt“ verbirgt sich theologisch korrekt gesprochen das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel: Maria ist mit Leib und Seele als ganzer Mensch in die Herrlichkeit Gottes aufgenommen worden. Diesen Glaubenssatz erhob Papst Pius XII. nach Befragung aller Bischöfe am Allerheiligenfest 1950 zum Dogma. In den Haßbergen ist der Tag fast überall ein Feiertag; die Ausnahme bilden die überwiegend evangelischen Gemeinden Maroldsweisach, Ermershausen, Untermerzbach, Rentweinsdorf sowie die Stadt Königsberg.

Kräuterweihe
 Traditionell mit dem Hochfest verbunden ist der Brauch der Kräuterweihe. Sieben, neun oder gar bis zu 77 Kräuter sind es, die traditionell in den Weih- oder Würzbüschel, Marienwisch, Würzwisch oder Sangen genannten Sträußen zu finden sind. Darunter Johanniskraut, Kamille, Frauenmantel, Minze, Wermut, Wohlmut, Majoran, Holunder, Schafgarbe, Basilikum und Sonnwendkraut. Beifuß und Lavendel etwa sollen Ungeziefer abwehren, Rosmarin zu einem guten Schlaf verhelfen. Dazwischen sind mitunter auch eine Königskerze, eine Rose oder Getreideähren vertreten. Die Kräuterbüschel sollen nach Volksglauben vor Unwettern oder Krankheiten schützen, indem sie auf dem Dachboden aufgehängt, im Herd verbrannt oder dem Essen oder Viehfutter beigemischt werden. In manchen Gegenden werden die Pflanzen und Kräuter, die am Mariä-Himmelfahrts-Tag in den Kirchen geweiht werden, auch Kindern und Jungvermählten ins Bett oder Toten in den Sarg gelegt. Das Marienfest war einst auch der Tag der Apotheker und Drogisten, der Gärtner und Blumenhändler, der Gewürzkrämer und Parfümeure.

Brauchtum
Der Brauch der Kräuterweihe geht bis in die vorchristliche Zeit zurück. Schon die Ägypter, Griechen, Römer und die germanischen Völker kannten die Heilkraft bestimmter Pflanzen. Im Mittelalter wurde der Brauch christianisiert, indem die Wirkung der Gewächse auf Gott und die Fürsprache Marias zurückgeführt wurde. Die frühesten Belege stammen aus dem 10. Jahrhundert. Die christliche Legende, die der Kräuterweihe zugrunde liegt, dreht sich um die Himmelfahrt Marias: Als die Apostel nach drei Tagen das Grab der Muttergottes öffneten, fanden sie statt des Leichnams duftende Blumen und Kräuter.

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