Matthäuspassion an Karfreitag „Monumentalfilm“ für die Ohren

Peter Stenglein,
Peter Stenglein leitet die Aufführung der Matthäuspassion mit dem Coburger Bachchor, dem Main-Barockorchester und Solisten. Foto: /Michael von Aichberger

Der Coburger Bachchor führt die Matthäuspassion an Karfreitag in der Morizkirche auf. Bachs umfangreichstes und aufwendigstes Werk gilt als Höhepunkt protestantischer Kirchenmusik.

 
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Nach zwölf Jahren erklingt eines der großartigsten Werke der Kirchenmusik wieder in der Coburger Morizkirche. Am Karfreitag, 29. März, um 17 Uhr führt der Coburger Bachchor die monumentale Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach auf. Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Peter Stenglein singen und musizieren mit dem Chor die Solisten Yuka Koroyasu (Sopran), Nele Gramß (Alt), Benedikt Heggemann (Tenor), Philipp Meierhöfer und Felix Rathgeber (Bass), sowie das Main-Barockorchester Frankfurt (Konzertmeister: Martin Jopp).

„In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäuspassion gehört, jedesmal mit demselben Gefühl der unermesslichen Verwunderung. Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium; es ist dies die Musik der Verneinung des Willens, ohne Erinnerung an die Askesis“. So hat Friedrich Nietzsche auf die Bach’sche Musik reagiert.

Der Thomaskantor Johann Sebastian Bach setzt die Geschichte von Leiden und Sterben Jesu auf einzigartige Weise in Töne um. Großartig ist das Werk in mehrerer Hinsicht: In puncto Länge setzt es mit seiner Dauer von rund zwei Stunden und 45 Minuten Maßstäbe. Auch seine Vielfalt ist außergewöhnlich: Bach fordert zwei Chöre und zwei Orchester. Er nutzt alle zur damaligen Zeit üblichen musikalischen Formen und erzeugt damit eine ungeheuere emotionale Bandbreite.

Wie ein groß angelegter Monumentalfilm kommt dem heutigen Zuhörer die Musik vor. Es ist faszinierend, wie es Bach gelingt, seine Hörer zu fesseln und in die Passionsgeschichte hineinzunehmen. Die musikalische Architektur basiert auf mehreren Säulen: Da ist der Chor, der sich ständig wandeln muss: Er beginnt und er beschließt die Passion. Er schlüpft in die Rolle des Volks und der Ankläger („Lass ihn kreuzigen!“, „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen“!).

Gleichzeitig übernimmt der Chor die Aufgabe aller derer, die von außen auf das Geschehen schauen: Durch die zahlreichen Choräle werden alle Zuhörenden stellvertretend in das Geschehen hineingenommen. Da sind die Solisten, die einerseits die Handlung erzählen und vorantreiben, die andererseits aber auch innehalten und die Geschehnisse in den Arien emotional aufarbeiten. Und da ist das Orchester, das für den jeweiligen musikalischen „Affekt“ zuständig ist. Bach verlangt einige selten zu hörende Instrumente wie Oboe da caccia, Blockflöte oder Viola da gamba.

Die Matthäuspassion erlebte ihre Uraufführung am 11. April 1727 (Karfreitag) in der Thomaskirche in Leipzig. Zu Bachs Lebzeiten wurde sie einige Male aufgeführt, jedoch ist keine einzige Reaktion der Kirchengemeinde, der Stadt Leipzig oder von Musikliebhabern überliefert. Anscheinend wurde das Werk von den Zeitgenossen weitgehend ignoriert. Nach Bachs Tod geriet das Werk in Vergessenheit. Die Wiederaufführung in einer gekürzten Version unter Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 leitete die Bach-Renaissance ein. Im 19. Jahrhundert waren Kolossalbesetzungen mit 300 bis 400 Musikern die Regel. Heute gilt Bachs umfangreichstes und am stärksten besetztes Werk als ein Höhepunkt protestantischer Kirchenmusik.

In der Morizkirche proben Orchester und Sänger/innen die Matthäuspassion. /Lutz Naumann

1949 wurde die Matthäus-Passion zum ersten Mal von Ernst Marischka verfilmt. Eine zweite Verfilmung durch Max Simonischek folgte 2006. Niederschlag fand „Mache dich, mein Herze, rein“ auch in der populären Musik: Michel Magne komponierte 1962 nach dem Bachschen Vorbild für den Roger Vadim-Film „Le repos du guerrier“ (dt. „Das Ruhekissen“) das später von der französischen Sängerin Frida Boccara weltweit bekannt gemachte Chanson „Cent Mille Chansons“.

Eintrittskarten gibt es bei der Neuen Presse, Steinweg 51, in Coburg (Tel. 09561/850170). Tickets können auch online gebucht werden unter www.lesershop-online.de oder www.moriz-klingt.reservix.de/events. Restkarten gibt es ab 16 Uhr an der Tageskasse.

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