Theater ohne Publikum ist sinnlos, ist eine Fiktion. Gesundes Theater kann ebenso wenig ohne Publikum leben, wie es ohne Schauspieler oder ohne Autor zu leben vermöchte." So las man's 1961 in der "Zeit". Freilich haben auch die Kulturberichterstatter der renommierten Wochenzeitung während der 56 Jahre seither mitbekommen, wie sich die Dinge änderten. Heutzutage geht's durchaus auch "ohne": zwar nicht (ganz) ohne Darsteller; aber längst muss eine Bühnenproduktion nicht mehr über einen Autor verfügen, der den Namen allein verdient; und bereits Jahrzehnte vor dem zitierten "Zeit"-Essay kam die radikale Idee eines Theaters ohne Publikum auf. Namentlich Bertolt Brecht hat sie in "Lehrstücken" wie dem "Lindberghflug" oder "Die Ausnahme und die Regel" zu verwirklichen versucht: in Spielen, bei denen die Grenze zwischen Kunstproduzent und -konsument - zwischen Schauspieler und Zuschauer - fällt; indem der eine wie der andere unterschiedslos zum Teilnehmer wird, können sie menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Verhältnisse buchstäblich durch-spielen, mit kritischem Erkenntnisgewinn. Indes dachte der Italiener Giovanni Mongiano wahrscheinlich nicht an derart ausgeklügelte Theorien, als er sich kürzlich entschloss, in der lombardischen Stadt Gallarate als Darsteller in einem Einpersonen-Stück aufzutreten - vor leeren Stuhlreihen; keine einzige Karte war verkauft worden. "Trotzdem ließ Giovanni kein Komma aus", berichtete die Regieassistentin später. "Es war wunderschön". Klagen über Zuschauerschwund, mal beim einen, mal beim andern Theater im Lande, finden in den Feuilletons regelmäßig ihr Echo, ebenso wie Meldungen von Fehlbeträgen im Etat oder Intendantenwechseln. Volle Häuser, zumal bei kleinen Bühnen und im Schauspiel, sind nicht durchweg die Regel; ein völlig leeres Auditorium aber wäre eine beispiellose Ausnahme. In Hof, wo noch bis zum Montag die 35. Bayerischen Theatertage gastieren, droht solch gründliches Verhängnis nicht: Hier sind die Reihen meist erfreulich dicht besetzt.