Mancher Leser missversteht Günter Grass' grandiose "Blechtrommel", ihrer schlüpfrigen Passagen wegen, als unappetitlich. Gründlichere Kenner hingegen schätzen das Buch als Lesefutter. Zwei Jahre nach Erscheinen des Romans, 1961, machte sich der Schweizer Objektkünstler Dieter Roth metzgernd über derlei Texte her: So mutierte auch die "Blechtrommel" zur "Literaturwurst" - als zerkleinertes Papier, verrührt mit Fett und Gelatine, würzig abgeschmeckt, in Naturdarm gepresst. "Eat-Art" - das passt zu Grass: So wunderbar wie er vermengte kaum ein anderer Autor Genüsse der Lektüre und der Küche. Lang vor ihm, aber gleichen Sinnes ging Giuseppe Arcimboldo zu Werk. Berühmt bleibt der Mailänder Renaissancemaler auch 425 Jahre nach seinem Tod am 11. Juli 1593, weil er Allegorien der Jahreszeiten oder der vier Elemente, obendrein so manchen Prominenten extrem eigensinnig porträtierte: Köpfe und Gesichter stellte er auf seinen Leinwänden gern durch Blüten, Gräser und Gezweig, Trauben und Äpfel, Zwiebeln oder Gurken dar. So überführte der Manierist das beliebte Genre des Frucht- und Blumen-Stilllebens unterhaltsam in die Karikatur. Kunst mit Essen, Essen als Kunst: Plastisch, wie ein Relief, realisierte Dieter Roths Landsmann Daniel Spoerri das Thema, indem er die Überbleibsel geselliger Gaumenfreuden konservierte, fixierte und gekippt als Tafel an die Wand hängte. "Problem Paintings" malt Urs Fischer, abermals ein Schweizer: Gesichter, die er durch Spiegeleier oder Gemüse oder Obst halb abdeckt. Natürlich lässt sich solche kulinarische Bildnerei nicht denken ohne Andy Warhols Campbell-Suppendosen auf 32 Leinwänden von 1962 oder die gelbe Banane auf dem Debütalbum der Rockband Velvet Underground - Eat-Art als Pop-Art. Weitaus länger behauptet sich eine spirituelle Variante als Sujet der Kunst: Jesus mit den Jüngern bei Brot und Wein des letzten Abendmahls - heilige Speise.