Weidmann ist einer der wichtigsten Kritiker der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit Mario Draghi an der Spitze. Die innere Disziplin der Notenbank verhindert, dass davon viel nach außen dringt. Sind die Mikrofone abgeschaltet, machen führende Bundesbanker keinen Hehl daraus, dass ihnen der Ausstieg aus der Nullzinswelt schon viel zu lange dauert. Das schlagkräftigste Argument Draghis, dass die Inflation zu niedrig sei, zieht nicht mehr. In der Eurozone liegt die Preissteigerung bei rund zwei Prozent, der Idealwert für einen Kurswechsel. EZB-Ökonomen erwarten für 2020 eine Teuerung von 1,7 Prozent, was immer noch im Handlungskorridor der EZB liegt, die knapp zwei Prozent als den günstigsten Wert für Stabilität und Wachstum vertritt. Wie geht es nun weiter? Nach dem Ausstieg aus dem billionenschweren Anleiheprogramm könnte die Zentralbank ab Sommer/Herbst nächsten Jahres eine erste Erhöhung der Leitzinsen beschließen. Es werden wohl Tippelschritte sein. Immer vorausgesetzt, die Konjunktur läuft weiter rund. In einigen Jahren könnten Sparer dann wieder nennenswerte Zinsen bekommen. Frustrierte Anleger, die schon mal ein Auge auf fünf Prozent Rendite für Griechenland-Anleihen werfen, sollten sich also vielleicht noch etwas gedulden.