Miss Allie in Coburg Die lustige Rebellin

Miss Allie ist eine taffe Träumerin. Mit Witz und Herz und Temperament bringt sie ihr Coburger Publikum zum Pfeifen, Singen und Jubeln.

 
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Träumerinnen sind realitätsfremd, Romantiker zart besaitet und Weltverbesserer furchtbar dröge. Können wir alles knicken. Miss Allie pfeift auf die Klischees und lacht sich ’nen Ast dabei. Einen ganzen Wald sogar. Sie ist die lustige Rebellin, die kokette Feministin mit Schmollmund, Biss und Krönchen. Die rotzige Songpoetin, die den Laden mit Lagerfeuergitarre und Ukulele rockt.

Ein Naturtalent zur Entertainerin besitzt sie obendrein: Ihr Publikum im ausverkauften Saal von St. Augustin hat sie mit ihrem Schnoddercharme im Nu um sämtliche Finger gewickelt und bald so weit, im Kanon ihr „Papiertüten-Kacke-Imperium“ zu besingen. Das hat Miss Allie ersonnen, um auf ebenso gewaltfreie wie nachhaltige Weise die Dummheit und Schlechtigkeit auf Erden zu bekämpfen: „Wer scheiße ist, wird mit Kacke bestraft." Ihr Ex war das Pilotprojekt, seither boomt das Geschäftsmodell. Wenn nicht gerade Corona bremst.

Klingt ein wenig ordinär, ist es aber nicht, denn die wortmächtige Kulturwissenschaftlerin verabreicht selbst anrüchige Visionen überaus verschmitzt und glasiert ihren Hintersinn mit Zuckerguss. Was ihr in den letzten Jahren viel Medienpräsenz in TV-SatireFormaten und diverse Kleinkunsttrophäen eingetragen hat, darunter den 2018 in Banz verliehenen Förderpreis der Hanns-Seidl-Stiftung. Kein Wunder also, dass sich die Hamburgerin im Oberfränkischen einer stattlichen Fanbase erfreut, die locker einen größeren Saal hätte füllen können. Sogar aus „Grönland“ seien welche da, jauchzt Miss Allie, die eigentlich Elisa Hantsch heißt, und natürlich ganz genau verstanden hat, dass es sich nur um „Rödental“ handelt. Aber ihre Fantasie schlägt gerne Purzelbäume, und das Spielen mit dem Publikum ist ihr Lebenselixier, selbst auf einer 44-Städte-Tour.

Die Bühne ist ihre Welt, „hier gehört sie hin, hier fühlt sie sich lebendig“, singt die 32-Jährige über das Mädchen, das schon immer etwas anders war, „zu laut, zu schrill“. Wie daraus die stimmstarke Musikkabarettistin wurde, schildert sie in ihrem Zweieinhabstunden-Konzert ausgesprochen launig. Die versuchte Selbstfindung in Australien, wo sie begann, barfuß auf der Straße zu singen (beim Barfuß ist es geblieben). Die harte Schule im Lüneburger Irish Pub. Das Studium im Jägermeister-Delirium, das trotzdem mit einer Masterarbeit über Singer-Songwriter im 21. Jahrhundert (Note: 1,3) erfolgreich endete.

Zum deutschsprachigen Lied kam sie, das versichert die Sängerin glaubwürdig, um mit jenem heißen Australier abzurechnen, der dauerhaft nicht hielt, was sein Prachtbody verheißen hatte. Das Ergebnis „Schweinesteak medium“ dürfte vielen Frauen aus dem Herzen sprechen und Männer zur Selbstkritik anregen. Naturgemäß bieten Macker und Machos ihrer süffisanten Ironie reiche Nahrung, insbesondere jene selbstgefälligen Exemplare, die sie irrtümlich der Spezies „Kleine Süße“ zuordnen oder ihr als „Zu-Nah-Me“ auf die Pelle rücken.

Es geht aber nicht nur um die Lüste und Früste der Zwischenmenschlichkeit und die Nöte und Freuden gewesener oder zukünftiger Singles in den Texten der Künstlerin, die sich in der Tradition der großen Songwriter wie Bob Dylan oder Joni Mitchel sieht.

Seit 60 Jahren singen die für eine bessere Gesellschaft, ohne erkennbare Wirkung: „Gelernt haben wir nicht viel“ konstatiert Miss Allie in ihrer Ode an die Idole und fragt bekümmert: „Wo ist Dylan, wenn man ihn braucht?“

Entmutigen lässt sie die taffe Träumerin aber nicht so schnell, das macht sie im Titelstück ihres neuen Albums klar: „Man muss immer wieder fallen, um immer wieder zu fliegen.“

Weitere Fotos: www.np-coburg.de

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