Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte Küng als vehementen Streiter für den Dialog der Religionen und Kulturen. Küng habe sich für die humanistischen Prinzipien der Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit eingesetzt, teilte Kretschmann mit. "Mit seinem beeindruckenden theologischen Wirken war Hans Küng für viele Menschen - mich eingeschlossen - ein wichtiger und wegbereitender Lehrer in Fragen des Glaubens, des ethischen Handelns und der Deutung des Weltgeschehens."
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bezeichnete Küng als eine der großen geistigen Persönlichkeiten unserer Zeit. Küng, der seit 2002 Ehrenbürger von Tübingen ist, solle auf dem Stadtfriedhof seine Ruhestätte finden, teilte Palmer mit. "Dort, wo die großen Toten unserer Stadt begraben sind."
Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" teilte mit, Küngs lebenslange Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen blieben Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich. Küng habe wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit im Christentum wachgerüttelt und wachgehalten, hieß es.
Weil Küng die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes anzweifelte, ließ Papst Johannes Paul II. ihm 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entziehen. Der Tübinger Theologie-Professor prangerte aber auch danach immer wieder die mächtige Position des Papstes an und bezeichnete die Kirche deshalb als Diktatur. In seinen Büchern und Vorträgen trieb er den Dialog zwischen den Weltreligionen voran.
In den vergangenen Jahren hatte sich Küng wegen seines Gesundheitszustands zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er litt unter anderem an Parkinson, wie er in seiner Autobiografie öffentlich gemacht hatte.
"Die katholische Kirche ist krank, vielleicht sterbenskrank", diagnostizierte er mit Blick auf den Priestermangel und den Mitgliederschwund. Den Päpsten und nicht zuletzt seinem früheren Weggefährten Benedikt XVI. warf er vor, den biblisch bezeugten Jesus durch ein "selbstfabriziertes Kirchenrecht" verdrängt zu haben. Seine Forderungen wie die Abschaffung des Zölibats, also des Heiratsverbots für Priester, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und die Stärkung der Laien machten ihn für viele Reformkatholiken zu einem Vordenker.
Küng wurde am 19. März 1928 in Sursee in der Schweiz geboren. Mit 20 Jahren begann er sein Studium an der Päpstlichen Universität in Rom. Er wurde Seelsorger an der Luzerner Hofkirche, entschied sich dann aber für eine akademische Laufbahn und ging als wissenschaftlicher Assistent nach Münster. 1960 wurde er Professor in Tübingen, wo er für den Rest seines Lebens wohnte. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) ernannte Papst Johannes XXIII. ihn zusammen mit Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., zum Berater.
Doch schon beim Erscheinen seiner Doktorarbeit 1957 legte die Glaubenskongregation ein Dossier über den Theologen an. 1967 kochte der Ärger dann endgültig hoch: Die Kurie verbot die Übersetzung von Küngs Buch "Die Kirche". Er hielt sich nicht daran, der Titel wurde zum Bestseller und Küng zu einem der prominentesten Theologen.
Sein großes Alterswerk wurde die von ihm ins Leben gerufene Stiftung Weltethos. Sie setzt sich für interkulturelle und interreligiöse Forschung, Bildung und Begegnung ein.
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