„Die Idee hatte ich schon länger, aber mir hat noch der letzte Schubs gefehlt“, gibt er zu. Den bekam er bei einem Workshop eines Bekannten aus Regensburg, der sich als Dirigent ebenfalls mit dem Thema Online-Proben auseinandergesetzt hat. „Dessen Konzept war der Ruck, den ich gebraucht habe.“ Vor allem die Kombination aus Technik und Methodik hätte ihn überzeugt.
Anfang Januar lädt er seine Mitstreiter zum ersten Mal über die Plattform Zoom zur Probe ein. Das besondere: Alle Teilnehmer, die sich zuschalten, müssen ihr Mikrofon ausschalten. Heißt: Niemand aus dem Orchester hört, was der andere spielt – auch Tim nicht. Der jedoch gibt an alle gleichzeitig zu Beginn einen Ton zum Stimmen der Instrumente aus und dann Musik, die die Teilnehmer wiederum über ihre Kopfhörer aufnehmen und dazu spielen. Ob das dann überhaupt eine Probe im klassischen Sinn ist? „Uns hat das gemeinsame Musikmachen und die Arbeit im Orchester gefehlt. Alles ist daher besser als nichts“, verdeutlicht er.
Die Musik, die das Orchester auf die Kopfhörer bekommt, sind eigene Aufnahmen der Formation oder Stücke, die Tim oder andere Musiker am Klavier eingespielt haben. Damit die Werke bei den Proben nicht einfach nur schnell durchgespielt werden – das Orchester verfügt über eine Mappe mit rund 200 Stücken – hat Tim die Aufnahmen geschnitten und mit Anmerkungen versehen. „Ich unterbreche an gewissen Stellen, um auf Besonderheiten hinzuweisen. So bekommen wir auch das Probengefühl“, verdeutlicht er. Für den Dirigenten heißt das allerdings, es gibt schon im Vorfeld jede Menge zu tun. „Der Aufwand ist viel höher als früher. Ohne Software- und Schnittkenntnisse geht nichts.“
Musik aus dem Rathaus
Auch an der Probendauer musste Tim Eller drehen. Ursprünglich waren es zwei Stunden, „das verkürzen wir nun auf 20 Uhr weil viele in einer Mietwohnung wohnen und nicht ewig lange spielen dürfen. Der ein oder andere hat tagsüber auch schon Online-Musikunterricht“, begründet er. Tim selbst sitzt übrigens nicht zu Hause, sondern in einem Raum im Rathaus Rödental. „Den hat uns der Bürgermeister zur Verfügung gestellt, weil hier das Keyboard stehen bleiben kann und niemanden stört“, erklärt er. Ohnehin sei das alles nur durch die große Unterstützung der Stadt Rödental möglich. „Wir sind da sehr dankbar.“
Die Resonanz auf die Online-Proben sei durchweg gut. „Alle freuen sich, dass wir endlich wieder zusammen Musik machen können“, sagt Tim. Und jene, die nicht per Video dabei sein wollen oder nicht über Zoom verfügen, würden sich sogar einfach per Telefon zuschalten und so mitspielen, freut er sich.
Das digitale Engagement des Jugendorchesters Rödental ist übrigens keine einmalige Sache. Schon Ende 2020 hatten die Mitglieder Ideenreichtum bewiesen und im Internet auf sich aufmerksam gemacht. Weil das traditionelle Weihnachtskonzert des Musikvereins ausfallen musste und dem Orchester so ihr großer und geliebter Auftritt vor 700 Menschen in der Franz-Goebel-Halle verwehrt blieb, hatten sie unter dem Namen „La Familia Musica“ ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen und mit einem Video um finanzielle aber auch ideelle Unterstützung für die Musik in Rödental gebeten. Mehr als 7000 Euro kamen so zusammen. „Schon nach ein paar Stunden waren 1000 Euro erreicht“, erinnert sich Tim Eller. Von dem Geld werden jetzt „La Familia Musica“ Shirts gedruckt, die alle Unterstützer dann beim nächsten Weihnachtskonzert tragen sollen. Der Rest des Geldes geht an den Kinderschutzbund Coburg.