Mit vielen Bildern Zeitreise auf der Veste Coburg

Norbert Klüglein , aktualisiert am 17.07.2022 - 17:19 Uhr

Die Innenhöfe der Veste werden für zwei Tage zum Heerlager. Auf der Bärenbastei donnern Kanonen und Musketen. Das Leben der Landsknechte begeistert Tausende von Besucher.

 
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Coburg - Sebastian Stelzner ist genau richtig gekleidet für dieses Fest. Zum Kettenhemd trägt der junge Mann eine modische Rüstung. „Zugegeben, die Sicht ist ein wenig eingeschränkt, wenn ich den Helm auf dem Kopf habe“, räumt er ein. „Aber sonst alles sehr bequem.“

Der Coburger ist nicht der einzige, der am Wochenende auf der Veste in Rüstung gesichtet wird. Zwei Tage lang ist das Mittelalter in das ehrwürdige Gemäuer zurückgekehrt und hat Landsknechte und Mägde, Feldschere und Armbruster, Kanoniere und Musketiere mitgebracht. Und natürlich einen Plattner. Das ist quasi der Couturier des 15. Jahrhunderts, der den Adligen die Rüstungen auf den Leib schneidert. Sebastian Stelzners Plattner kommt aus Langenzenn bei Fürth und heißt René Kohlstruck.  Bei der Zeitreise auf der Veste präsentiert er all das, was der Ritter von Welt heute so trägt.

Nach vier Jahren Pause haben die Kunstsammlungen der Veste Coburg endlich wieder zu einem Historienspektakel eingeladen. Die erste Ausgabe nach der Corona-Zwangspause fällt etwas kleiner aus als gewohnt.  Heerlager und Vorführungen beschränken sich auf die beiden Innenhöfe. Nur die Mitglieder der Schützengesellschaft  sind auf den unteren Wall ausgewichen, um ihren Vogelkönig auszuschießen (Bericht folgt). 

Marcus Pilz, der Kurator der historischen Waffensammlung in den Kunstsammlungen, zeigt sich am Sonntag sehr zufrieden mit der Resonanz: „Wir haben sehr gute Besucherzahlen. Die Stimmung ist super. Die Besucher sind extrem interessiert an den Vorführungen und die konsequente Vermeidung  von Kommerzialisierung – wir hatten ja keine Verkaufsstände – hat sich sehr bewährt.“ Das sieht auch Sven Hauschke, der Leiter der Kunstsammlungen, so: „Schon am ersten Tag kamen mehr als 2000 Besucher. Das sind 80 Prozent der Gesamtbesucherzahl früherer Jahre. Zum Jubiläum ‚20 Jahre Zeitreise’ ist das ein großer Erfolg. Auch das Thema Armbrustschießen erwies sich als Volltreffer.“

Treu geblieben ist die Zeitreise ihrem Anspruch, einerseits zu unterhalten und andererseits den Ausflug  in die Vergangenheit so authentisch wie möglich zu präsentieren. Garanten dafür sind die historischen Gruppen  und Vereine, die Mann und Maus mobilisieren, wenn die Veste ruft. So etwa das „Kurbairische Dragonerregiment Johann Wolf“, das im Landkreis Miltenberg zu Hause ist.  Die Pikeniere, Musketiere und Kanoniere verkörpern eine militärische Einheit, wie sie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Schlachten des 30-Jährigen Krieges gekämpft hat. Mit  Fahnenschwenken  und Trommelwirbel marschieren   die Männer zum Drill auf der Bärenbastei ein. Ihr Obrist  kennt 42 Kommandos, bis die Musketiere richtig Aufstellung genommen, ihre Waffen geladen und mit lautem Knall abgefeuert haben. Das Kriegshandwerk war in dieser Zeit eben noch wesentlich beschaulicher als es heute ist.  Das erfahren die Besucher auch beim Kanonendrill, den eine Gruppe zeigt, die mit Artillerie aus dem 15. Jahrhundert gekommen ist. Bis der erste Schuss fällt, vergehen Minuten.

Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Krieg  damals ebenso grausam und  tödlich war, wie in der Gegenwart. Die Feuerbüchsen – wenn sie denn mal trafen – rissen üble Wunden. Nur die Feldscheren – das waren Heilkundige, die  Soldaten chirurgisch versorgten – konnten oft das Schlimmste verhindern. Allerdings gingen die selten zimperlich zu Werk. „Wunden wurden mit glühenden Eisen ausgebrannt oder verletzte Gliedmaßen gleich ganz amputiert“ berichtet Vanessa-Anastasia Merten aus Coburg, die sich als Feldscher-Assistentin dem Tross des Regiments Wolf angeschlossen hat.

Aber nicht nur Militärisches wird auf der Zeitreise gezeigt. Sie ist ein richtiges Mitmach-Ereignis – vor allem für die Kinder. In dem Feldlager, das in beiden Innenhöfen der Veste aufgebaut ist, dürfen sie eigene Münzen prägen, einen großen Schleifstein drehen, die Waffenkammer erkunden  oder einmal in eine eiserne Hand schlüpfen, um zu spüren, wie unbeweglich die Ritter waren. Apropos Rüstungen. Die schmucken Metallpanzer, die im 15. Jahrhundert noch ein prima Schutz gegen gegnerische Pfeile oder Lanzen waren, werden spätestens mit der Erfindung der Armbrust zur todbringenden Montur. Weil die Ritter darin unbeweglich sind, werden sie zur Zielscheibe für die Armbrustschützen, die mit ihren Bolzen die Panzer der Edelleute leicht durchbohren können. Wie diese gefürchteten Waffen des ausgehenden Mittelalters gebaut und benutzt werden, können die Besucher am Zeitreise-Wochenende ausgiebig beobachten.

Und wer selbst mal ein Schwert in die Hand nehmen will,  kann beim Fechttraining die Klingen kreuzen. Das ist allerdings recht anstrengend. Da erscheint es verlockender,  doch lieber gleich hinüber zu den Marketenderinnen zu gehen, die mit Gesottenem und einem kühlen Trunk locken.

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