Lesen Sie aus unserem Angebot: Gefährliche Wissenslücken bei Antibiotika
Sind die Kinder auf Dauer durch die Gabe von Antibiotika geschädigt?
Ab der Geburt verläuft die Entwicklung der Darmflora individuell sehr unterschiedlich – das heißt, auch die Effekte von Antibiotika können sehr unterschiedlich ausfallen, so Claudius Meyer. Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass erst im Alter zwischen drei und fünf Jahren bei Kindern die Entwicklung der Darmflora abgeschlossen ist. „Eine Erholung findet mutmaßlich statt, jedoch ist aktuell noch unklar, ob die Erholung jeweils vollständig verläuft.“ Möglicherweise kann eine Einnahme von Probiotika, welche das Darmmikrobiom während einer Antibiotika-Einnahme schützen sollen, den in der Studie beobachteten Effekt reduzieren, ergänzt seine Kollegin Cornelia Gottschick von der Uni Halle-Wittenberg.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Wie der Darm die Gesundheit beeinflusst
Was sollte grundsätzlich bei der Gabe von Antibiotika künftig beachtet werden?
Die Zahl der Antibiotika-Verordnungen im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin ist in den letzten Jahren deutlich gesunken, sagt Friedrich Reichert, Ärztlicher Leiter der Kindernotaufnahme und der Kinderinfektiologie im Klinikum Stuttgart. „Wir wissen mittlerweile, dass eine Mittelohrentzündung nur selten mit Antibiotika behandelt werden muss, dass der größte Teil aller Luftwegsinfekte im Kleinkindalter durch Antibiotika nicht schneller ausheilt und dass eine Antibiotika-Behandlung, wenn sie begonnen wird, auch viel kürzer sein darf, als früher angenommen.“ Die Studie bestätige laut Reichert, dass festgefahrene Verordnungsgewohnheiten ständig hinterfragt und dem aktuellen Wissenstand angepasst werden müssen. „Wichtig ist, dass bei der Antibiotika-Gabe – sofern sie nötig sein sollte – ein möglichst gezieltes Antibiotikum genutzt werden, und die Dauer der Therapie so kurz wie möglich sein sollte.“ Aber: „Antibiotika sind sichere und wichtige Medikamente, und richtig eingesetzt lindern sie das Leid und retten unzählige Leben.“
Welche Kinderkrankheiten mit Antibiotika behandelt werden
Krankheiten
Die wichtigsten Gründe für Antibiotika bei Kleinkindern sind schwere Harnwegsinfekte wie Nierenbeckenentzündungen, schwere Hautinfektionen und kompliziertere Mittelohrentzündungen, seltener auch Infektionen der unteren Atemwege wie Lungenentzündungen. Aber auch bei denen weiß man, dass viele ohne Antibiotika problemlos ausheilen, erklärt Friedrich Reichert vom Klinikum Stuttgart.
Resistenzen
Wenn nach Beginn der Therapie eine sehr rasche Besserung eintritt, kann man mit dem behandelnden Arzt besprechen, ob die Therapie auch früher beendet werden kann – das frühere Dogma „man muss immer die Packung fertig nehmen, sonst bilden sich Resistenzen“ sei eindeutig widerlegt, erklärt der Kindermediziner Friedrich Reichert vom Klinikum Stuttgart. „Resistenzdruck für die Keime entsteht immer durch die Gabe eines Antibiotikums, niemals durch die Nicht-Gabe.“