Im Juli schließlich, wenn es mit dem Fliegen schon ganz gut klappe, stellten die Eltern langsam die Fütterung ein. "Das geschieht, damit die Kleinen ihnen folgen und lernen, sich ihre Beute selbst zu suchen." Heuschrecken, Mäuse, Insekten, Ratten, der Weißstorch sei nicht wählerisch, was sein Futter angehe. Da dürfe es auch schon mal Aas sein. Das anfängliche Betteln der Jungstörche ende nach etwa einer Woche, denn dann hätten sie endgültig begriffen: "Es gibt keinen Lieferservice mehr." Abgenabelt und bereit, ihr eigenes Abenteuer zu suchen, verließen die Jungstörche Anfang August den Horst, um sich einem Zug Richtung Winterquartier anzuschließen. Ab September machten dann auch die Eltern sich auf den Weg in wärmere Gefilde.
Welche Entfernungen sie dabei zurücklegen, ist spektakulär. Bis zu 13 000 Kilometer einfach kommen da - je nach Flugroute - schon mal zusammen. Richtung Afrika gäbe es nämlich eine Ost- und eine Westroute und da könne es auch mal vorkommen, dass Störche auf den Mülldeponien Portugals blieben, weil sie hier ein entsprechendes Nahrungsangebot vorfänden. Die anderen, die bis nach Afrika fliegen, leisten in etwa drei Wochen ein beachtliches Pensum. "Sie können bis zu 600 Kilometer am Tag zurücklegen und sind Thermikflieger, aber über dem Wasser gibt es keine Thermik. Sie müssen also in großer Höhe von Gibraltar aus starten und kommen in Bodennähe in Afrika an. Da kann es schon mal zu einer Überanstrengung kommen und ein Teil der Störche fällt deshalb in Küstennähe ins Mittelmeer." Außerdem würden in Teilen Afrikas Störche immer noch bejagt, bedauerte Schönecker. Im Frühjahr machten sich die Tiere an den Rückweg, denn "wer zuerst kommt, kann zuerst seinen Horst besetzen". Der Storch sieht es wohl eher pragmatisch, denn laut Schönecker kommt bei ihm die Horsttreue noch vor der Partnertreue. "Unter anderem auch aus diesem Grund überwintern immer mehr Störche hier, wenn das Futterangebot stimmt. Und kommt die alte Partnerin nicht zurück, dann nimmt er sich eine neue."