Modellprojekt in Kronach Für das rettende Dach überm Kopf

Heike Schülein
Irene Piontek, Stefan Löffler, Cornelia Gion, Anita Swiduruk, Cornelia Thron und Landrat Klaus Löffler (von links) sind davon überzeugt, dass die neue Fachstelle vielen Menschen helfen kann. Foto: Heike Schülein

Die Angst, aus der eigenen Wohnung zu fliegen, kennen leider viele. Und Obdachlosigkeit ist längst nicht mehr nur ein Phänomen der Großstädte. In Kronach gibt es nun eine neues Hilfsangebot.

 
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Kronach - Der Caritasverband Kronach erweitert sein Beratungsangebot um eine Fachstelle für Wohnraumsicherung und Wohnungslosenhilfe. Am Donnerstag wurde das neue Hilfeportfolio im Landratsamt vorgestellt.

Die Einrichtung dient als Anlaufstelle für Ratsuchende, Vermieter und Mieter. Durch die Zusammenarbeit mit Kommunen, Behörden, Wohnungsgenossenschaften und privaten Anbietern sollen passgenaue Wohnungen erschlossen werden. Angesiedelt ist die zunächst befristete Fachstelle beim Caritasverband für den Landkreis Kronach; gefördert wird sie vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.

„Die Versorgung mit angemessenem Wohnraum ist ein elementares Grundbedürfnis“, erklärte die Leiterin der Sozialen Hilfen, Irene Piontek. Um das Modellprojekt habe man sich beworben, nachdem Hilfesuchende immer öfters die Wohnungsnot-Thematik oder Miet- oder Energieschulden an die Caritas herangetragen hätten. Ermöglicht wird der neue wichtige Baustein des Hilfsnetzwerkes durch eine Förderung des Freistaats als Anschubfinanzierung für „Modellprojekte zur Betreuung und Beratung von Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen in den Kommunen in Bayern“. Die Finanzierung ist für ein Jahr bewilligt, für ein weiteres Jahr in Aussicht gestellt.

Existenzängste

„Die Gefahr eines Wohnungsverlusts verursacht Existenzängste“, zeigte sich die Sozialpädagogin sicher. Wohnnotfälle resultierten meist aus einer Vielzahl komplexer Probleme und seien oftmals Beginn einer Abwärtsspirale. Daher erforderten diese eine intensive Beratung, gerade auch in Kooperation mit anderen Fachstellen, sozialen Hilfen und Behörden. Das Konzept richtet sich in erster Linie an Menschen aus allen Landkreisgemeinden, die kurz davor stehen, ihre Wohnung zu verlieren oder sie bereits verloren haben und in Obdachlosenunterkünften oder bei Bekannten untergekommen sind. Durch eine intensive Beratung und Begleitung möchte man diese darin unterstützen, das bestehende Mietverhältnis zu erhalten oder ein auf Dauer angelegtes Mietverhältnis zu bekommen. Zum anderen möchte man diese auch hierfür erforderlichen Kompetenzen vermitteln – wie etwa die regelmäßige Begleichung von Miete und Nebenkosten, Modalitäten bei einem Umzug.

Die Mitarbeiterinnen der Fachstelle sind seit 15. Dezember letzten Jahres tätig. „Der Bedarf lässt sich bereits jetzt schon mehr als feststellen“, verdeutlichte Irene Piontek. Obwohl man das Angebot noch nicht öffentlich gemacht habe, werden aktuell bereits 35 Einzelpersonen und Familien betreut: 14 aus dem Stadtgebiet Kronach, 21 aus dem Landkreis. Sechs von ihnen verfügen über ein Einkommen, 24 sind Jobcenter-Kunden. In 24 Fällen handelt es sich um einen Ein-Personen-Haushalt. Vertreten sind alle Generationen, am meisten (mit 13 Personen) die Altersgruppe der 21- bis 29-Jährigen.

Die Stelle ist mit den beiden Mitarbeiterinnen Cornelia Gion sowie Anita Swiduruk besetzt. „Gleich zu Beginn war ein junger Mann bei mir, der seit acht Tagen bei Eiseskälte im Flur einer Bank geschlafen hat“, berichtet die Kauffrau und Fachkraft für Wohnungslosenhilfe, Anita Swiduruk, die seit 15 Jahren in Regierungsprojekten mit den Schwerpunkten Arbeitsvermittlung und Hilfe in prekären Lebenslagen von jungen Erwachsenen bis zu Senioren tätig ist. Glücklicherweise konnte man den jungen Mann noch vor Weihnachten in ein geregeltes Wohnverhältnis bringen. „Der Bedarf ist weit gefasst“, schließt sich ihr Cornelia Gion an. Die Sozialpädagogin und Systemische Beraterin (DGSF) verfügt über 15 Jahre Erfahrung in der Begleitung von Erwachsenen in Not, Kinder, Jugendlichen und Familien. Hilfe benötigten beispielsweise Frauen, die häusliche Gewalt erfahren und mit ihren Kindern einen Platz in einem Frauenhaus suchten, ebenso wie Rentner, denen wegen Eigenbedarf gekündigt werde.

Kleine, bezahlbare Wohnungen fehlen

„Aufgrund körperlicher Einschränkungen benötigen wir für vier unserer Klienten mindestens seniorengerechten beziehungsweise barrierefreien Wohnraum“, bestätigt Irene Piontek. Zudem ist ein erhöhter Bedarf an kleinen, bezahlbaren Wohnungen festzustellen. Ihr Wunsch sei daher, dass der in den letzten Jahren auch in Kronach stark gesunkene soziale Wohnungsbau wieder forciert werde. Untersuchungen belegten, dass eine Unterbringung wohnungsloser Menschen für die Kommunen aus haushaltspolitscher Sicht erheblich kostenaufwendiger ist als eine vorbeugende Wohnraumsicherung.

Sehr dankbar für die hervorragende Netzwerkarbeit zeigte sich Caritas-Kreisgeschäftsführerin Cornelia Thron. „In den letzten Monaten konnte schon sehr viel bewegt werden“, freute sie sich. Angesiedelt ist die Fachstelle im Caritas-Haus – auf dem Flur der Sozialen Hilfen. Ihr abschließender Appell lautet, sich frühzeitig mit den Mitarbeiterinnen in Verbindung zu setzen – nicht erst, wenn die Kündigung bereits geschrieben sei.

An die Fachstelle sollten sich alle wenden, die freie Wohnungen haben oder von freiem Wohnraum erfahren oder deren Wohnverhältnis mit ihrem Mieter gefährdet ist. Gleiches gilt für Vermieter, wenn die Gefahr besteht, dass ihr Wohnungsverhältnis gekündigt wird, sie wegen Energie- und Mietschulden von Wohnungsverlust bedroht sind oder ihre Wohnung bereits verloren haben.

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