Dass das Gezeitenkraftwerk vor den Orkney-Inseln installiert wird, hat einen natürlichen Grund: Dort ist der Tidenhub besonders groß, und damit die Strömung besonders stark. "Der Grund, dass es so etwas bisher nicht gibt, ist die sehr lebensfeindliche Umgebung", sagt Johannsmann.
"Bisher war die Menschheit noch nicht in der Lage, etwas zu bauen, was diesen Kräften nicht nur widersteht, sondern auch Energie daraus gewinnt." Die Turbinen müssen nach Worten des SKF-Chefs "megarobust sein, gegen Salzwasser, gegen Sturm et cetera, aber das Schlimmste ist die Strömung".
Die EU-Kommission hat im November ihre Strategie für den Ausbau der Offshore-Energie vorgelegt, neben den neuen Gezeitenkraftwerken werden schwimmende Solarkraftwerke, schwimmende Windanlagen und Wellenkraftwerke getestet. "Meeresenergietechnologien könnten bis 2030 einen wesentlichen Beitrag zum Energiesystem und zur Industrie Europas leisten", heißt es in dem Dokument.
"Wir sind beim Thema Tidenturbinen jetzt in etwa so weit wie bei der Windkraft vor 35 Jahren, als es die ersten öffentlich geförderten Prototypen wie die Modellanlage Growian gab", sagt Johannsmann dazu. Die Lebensdauer der Tidenturbinen sei auf 20, 30 Jahre ausgelegt. "Man muss einfache Wartungen vor Ort machen können. Für größere Wartungen können Sie die Zigarre von den Ankerketten trennen und an Land schleppen, dafür braucht man kein Spezialschiff. Deswegen sind die Wartungskosten relativ günstig."
Als potenzielle Standorte für Tidenturbinen in Frage kommen Küsten mit ausgeprägtem Tidenhub. "In Europa gut geeignet sind vor allem Schottland und alles rund um die britischen Inseln, aber auch die französische Atlantikküste", sagt Johannsmann. "Das nördliche Seegebiet zwischen China und Korea wären auch sehr gut geeignet, ebenso die Ostküste der USA und Kanadas. Es sind wahrscheinlich ein Dutzend Regionen rund um die Welt."
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