Mödlareuth Stiller Protest gegen Höcke-Auftritt

Manfred Köhler und Katrin Zeiß

Zum 70. Jahrestag des Volksaufstands in der DDR stand das einst geteilte Dorf Mödlareuth im Fokus: Das Hofer Bündnis für Zivilcourage protestierte mit 100 Stühlen gegen Thüringens AfD-Chef.

 
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Während Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke am Samstag im einst geteilten Dorf Mödlareuth von seinen 350 Anhängern beinahe wie ein Rockstar empfangen wurde, setzte das Hofer Bündnis für Zivilcourage zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR auf einen stillen, aber eindringlichen Protest: Etwa 200 Meter entfernt von der AfD-Veranstaltung und in völliger Stille hatten sich unter dem Motto „Mödlareuth – grenzenlos bunt“ rund ein Dutzend Vertreter des Hofer Bündnisses für Zivilcourage versammelt. Auf einer Wiese standen 100 Stühle mit Fotos verschiedenster Menschen als Demonstration gegen Hass, Hetze und rechtes Gedankengut. Als eine der Verantwortlichen dieser Aktion sagte Nanne Wienands unserer Zeitung, man wolle darauf hinweisen, dass eine bunte Gesellschaft bereits heute Realität sei. Die 100 Stühle mit den Porträtfotos sollten eine Offenheit und Menschenfreundlichkeit symbolisieren, wie sie im Land lebendig sei. „Menschen aus allen Teilen der Erde lebten und arbeiteten in dieser Gesellschaft, viele Firmen und Einrichtungen müssten ohne sie schließen“. In einer Mitteilung hielt das Bündnis der AfD vor, den Jahrestag des Volksaufstandes zu missbrauchen, um menschenfeindliche Parolen zu verbreiten.

Bei der AfD gab es dagegen keine Stille: Rund 350 Besucher aus Bayern, Thüringen und Sachsen empfingen Björn Höcke, mit lauten „Höcke, Höcke“-Rufen. Der nahm gleich bei seiner Ankunft ein Bad in der Menge. Im Anschluss an seine rund 45-minütige Rede bildete sich eine lange Schlange von Anhängern, die für Selfies und kurze persönliche Gespräche anstanden.

Der Volksaufstand machte den eher kleineren Teil der Rede aus. Höcke ging nach einigen Sätzen über den Mauerfall in Mödlareuth auf den Krieg in der Ukraine ein und übte unter anderem Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung. Zum Jahrestag des Volksaufstandes sagte er, der 17. Juni 1953 sei ein Tag des Kampfes gegen eine übergriffige Obrigkeit gewesen. Zu den Rednern der AfD-Kundgebung in Mödlareuth gehörten auch die bayerischen Landtagsabgeordnete Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm. Sie sind die Spitzenkandidaten der AfD bei der Landtagswahl in Bayern. Beide werden dem völkisch-nationalen Flügel der Partei zugerechnet.

Höcke hatte am Samstag vor seinem Auftritt in Mödlareuth bei einer Kundgebung in Gera die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik in Zweifel gezogen. In einer Rede in der thüringischen Stadt verwies er zur Begründung unter anderem auf die Corona-Politik der vergangenen Jahre. „Deshalb muss man eben feststellen, dass die Bundesrepublik Deutschland kein voll entwickelter Rechtsstaat mehr ist, sondern ein Gesinnungsstaat“, sagte Höcke vor laut Polizei bis zu 250 Menschen. Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit seien „so bedroht wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“. Gegen die AfD-Kundgebung und den Auftritt Höckes in Gera protestierten nach Polizeiangaben bis zu 80 Menschen. Der Thüringer AfD-Landesverband wird vom Landesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warf der AfD vor, den Gedenktag zum Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 für ihre Zwecke zu nutzen. Bei dem Volksaufstand hätten sich vor 70 Jahren Menschen gegen ein autoritäres Regime aufgelehnt, sagte Maier der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. „Jetzt will ausgerechnet die AfD diesen Tag kapern für sich, obwohl in ihrer Ideologie ein autoritäres Staatsverständnis angelegt ist.“ Das sei nicht nur ein Widerspruch in sich, sondern auch eine perfide Strategie.

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