Müll-Sammelaktion Die Kinder machen es vor

Sie engagieren sich für weniger Müll in der Heldritter Flur (von links nach rechts): Bianca Boseckert, Pascal Meißner, Simone und Erich Wohnig mit Oscar sowie Nicole Kreußel mit ihren Kindern Emma und Miquel Belles Kreußel. Foto: privat

Vier Familien sammeln ein Wochenende lang Müll, den andere achtlos in der Natur entsorgt hatten. Sie richten einen Aufruf an alle, mitzumachen.

 
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Heldritt - Schon als Kind hatte Nicole Kreussel dieses ganz spezielle Hobby: Immer, wenn sie durch den Wald ging, räumte sie auf. Den Müll, den andere achtlos weggeworfen hatten, trug sie nach Hause und entsorgte den Unrat. Heute, 40 Jahre alt und selbst Mutter von zwei Kindern, tut sie das immer noch – und hat Mitstreiter gefunden. Zusammen mit drei weiteren Familien räumte sie nun in der Heldritter Flur auf und förderte so eine Menge Müll zutage, der anschließend vom Bauhof der Stadt Bad Rodach entsorgt wurde. „Früher konnte ich hin und wieder meine Freundinnen motivieren, aber meist war ich alleine“, sagt die Heldritterin rückblickend und freut sich umso mehr, dass nun andere ihr Anliegen teilen und kräftig mit anpacken, wenn es um den Umweltschutz geht.

Mit ihren Kindern Emma (7) und Miquel (5) hat die Architektin schon immer viel über Tier- und Umweltschutz gesprochen. „Und entsprechend gelebt“, wie sie hinzufügt. Während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr bekam das Thema dann nochmals zusätzliche Motivation und stellte zugleich eine sinnvolle Beschäftigung für die Familie dar. „Das Müllsammeln war für die Kinder von Anfang an ein absolutes Highlight. Das geht immer – wirklich erstaunlich“, bekräftigt die 40-Jährige, die sich auch über den Bund Naturschutz an Sammelaktionen im Stadtgebiet von Hildburghausen beteiligte. Hin und wieder stellt sie ihre Müllausbeute auch in die örtlichen Gruppen der sozialen Medien. „Als Mahnung“, wie sie sagt. „Nach dem Motto: Die Kinder machen es vor und sammeln euren Müll auf.“

Über einen dieser Einträge erfuhr Simone Wohnig von Nicole Kreussels Engagement. Kurzerhand trafen sie die beiden Heldritterinnen und sammelten bei einem gemeinsamen Spaziergang die Straßengräben von Heldritt in Richtung Elsa ab. Das steckte weitere Familien aus dem Dorf an, die bei früheren Ausflügen mit ihren Kindern in der umliegenden Flur schon oft auf Müll gestoßen waren – und daher punktgenau sagen konnten, wo sich besonders viel Unrat türmt. Und so machten sich insgesamt vier Familien auf, ein Wochenende lang zeitlich versetzt und über ein breites Gebiet hinweg Abfall aufzusammeln. „Wir hätten es zunächst nicht gedacht, aber es war furchtbar schlimm und wir haben echt schwere Teile rausgezogen“, schildert Simone Wohnig ihre Eindrücke und fügt hinzu: „Wir haben unsere Männer da wirklich dringend gebraucht – es war echt anstrengend, manche Teile den Hang hoch zu ziehen. Es war Schwerstarbeit.“

Der Erfolg jedoch habe all die Mühe gerechtfertigt: Nach dem Wochenende sei das Gebiet weitestgehend von Glas- und Plastikflaschen, Bodenbelägen, Fässern, Keramik- und Metallteilen befreit worden. Auch vollkommen verrosteter Stacheldraht sei gefunden worden, wie Simone Wohnig berichtet. „Vor allem der Stacheldraht war für wilde Tiere und auch Hunde sehr gefährlich, sie hätten sich darin verheddern und schlimm verletzen können“, gibt sie zu bedenken. Auch ein paar schräge Sachen seien regelmäßig unter den Fundsachen, wie Nicole Kreussel aus langjähriger Erfahrung weiß und aufzählt: „Ein Stiefel, ein Slip, benutzte Kondome.“ Aber auch eine Feuerschale aus Keramik, die ein Mitstreiter behalten habe.

Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Umwelt und Gesundheit seien zudem die zahlreich aufgefundenen Zigarettenstummel, vor allem an den Wegrändern. „Es dauert zwei bis sieben Jahre, bis sich so eine Zigarette zersetzt. Und die Giftstoffe aus der Zigarette sickern in das Grundwasser“, mahnt Simone Wohnig. Nicole Kreussel ergänzt: „Nicht nur Hunde, sondern auch Kleinkinder können sich damit vergiften. Dabei gibt es so schöne Taschenaschenbecher.“ Überhaupt seien alle erschrocken darüber, wie lange es dauere, bis achtlos weggeworfener Müll wieder aus der Landschaft verschwindet. Während ein Apfel lediglich zwei bis vier Wochen für eine Zersetzung brauche, benötige eine Orangen- oder Bananenschale schon ein bis drei Jahre. Ein Kaugummi verrottet in drei bis fünf Jahren, eine Plastikflasche erst in 100 bis 5000 Jahren. „Mikroplastik bleibt jedoch immer zurück und geht in das Grundwasser, in das Meer. Daran denken die Menschen einfach nicht“, so die Kritik der Heldritter.

Für die Teilnehmer des Müllsammelwochenendes ist klar: Das war nicht die letzte Aktion dieser Art. Ob gemeinsam oder jeder für sich beim Sonntagsspaziergang, Müll sammeln und die Umwelt schützen steht bei allem hoch im Kurs. „Warum nimmt nicht einfacher jeder einen Beutel mit auf seinen Spaziergang – und sammelt Müll ein, der in der Natur liegt?“, ruft Simone Wohnig zum Mitmachen auf. Spaß und ein wenig Abenteuer sei damit garantiert. Auch Nicole Kreussel ist motiviert: „Am besten finde ich die Begeisterung aller, die mit ihrem Wirken einen sinnvollen Beitrag leisten.“

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