Mutter und Tochter tot 35-Jähriger ersticht Freundin und Kind

Weil der Angeklagte Ayoub K. (Mitte) nach einem Suizidversuch im Bayreuther Klinikum behandelt wird und nicht transportfähig ist, verlegte das Coburger Landgericht ausnahmsweise einen Sitzungstag in den Bayreuther Justizpalast. Foto: Gunter Becker

Sie waren nur kurze Zeit ein Paar: ein 35-jähriger Mann aus Marokko und eine 31-jährige Frau aus Eritrea. Im Mai 2020 ersticht der Mann seine Freundin und deren zweijährige Tochter.

 
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An Pfingsten 2021 ereignet sich in einem Asylbewerberheim in Kronach eine schreckliche Bluttat. Der 35-jährige Ayoub K. soll seine 31-jährige Freundin und deren zweijährige Tochter erstochen und die Körper angezündet haben. Er erleidet selbst schwerste Brandverletzungen, überlebt nur knapp. Am Mittwoch fand im Bayreuther Justizpalast eine Verhandlung des Coburger Landgerichts gegen den Mann statt.

Behandlung im Bayreuther Klinikum

Dass die Strafkammer des Landgerichts Coburg unter Leitung von Richterin Jana Huber bereits zum zweiten in Bayreuth tagt – zwei Verhandlungen haben im Mai und Juni vor dem Landgericht Coburg stattgefunden – ist auf den Gesundheitszustand des Angeklagten zurückzuführen. Nach dem zweiten Verhandlungstag hat der anerkannte Asylbewerber aus Marokko einen Selbstmordversuch unternommen. Seit dem wird er im Klinikum Bayreuth behandelt. Da er nicht transportfähig war, fand eine dritte, nur wenige Minuten währende Sitzung im Klinikum statt. Die vierte nun im Justizpalast. Es gehe ihm wieder gut, antwortete er auf die Frage von Richterin Huber nach seinem Gesundheitszustand.

Splitterndes Glas und laute Schreie

Hals und Kopf von Ayoub K. sind mit Brandnarben überzogen. Den linken Arm hält er angewinkelt vor der Brust. In der rechten Hand trägt er eine weiße Plastiktüte, an den Füßen, die in Sandalen stecken, Fußfesseln, im Gesicht eine Schutzmaske. Haftkleidung. Der 35-Jährige soll am 23. Mai des vergangenen Jahres durch eine gläserne Balkontür in die kleine Wohnung seiner Freundin, eine Asylbewerberin aus Eritrea, eingedrungen sei. Eine Mitbewohnerin sagt bei der Befragung durch die Polizei aus, sie habe splitterndes Glas gehört und laute Schreie. Dem von Richterin Huber verlesenen Protokoll nach sei sie in die Küche geeilt, wo sie zwei weitere Mitbewohnerinnen sowie das spätere Opfer und deren zweijährige Tochter angetroffen habe. Sie habe das Mädchen auf ihren Arm genommen, als der Angeklagte in die Küche gestürmt sei und begonnen habe, auf die Frau einzuschlagen und sie zu treten. Am Boden habe die Frau nach ihrem Kind gerufen, das der Mann der Zeugin aus dem Arm gerissen habe. Die Frauen sind auf die Straße geflüchtet. Kurze Zeit später dringt Rauch durch das geöffnete Küchenfenster, dann lehnt sich der Mann mit deutlich erkennbaren Brandwunden aus dem Fenster. Die beiden seien ein Paar gewesen, liest die Richterin aus der Zeugenaussage weiter vor. Doch er habe sie geschlagen. Einen Monat vor der Tat habe sie sich von ihm getrennt.

Fragen nach intimen Details

Ein Jahr nach der Tat wird der Untersuchungshäftling Ayoub K. in Bamberg von Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ausführlich befragt. Es gilt, seinen Status als anerkannter Flüchtling zu überprüfen. Das Landgericht ließ das Protokoll der Anhörung beschlagnahmen, um es bei der Verhandlung in Teilen zu verlesen. Er sei, sagte der Angeklagte, 2018 aus Marokko ausgereist. Er habe ein normales Leben gelebt, als Teamleiter in einem Callcenter gearbeitet. Doch im Laufe der Jahre seien Mobbing und Verachtung immer größer geworden. Kollegen hätten ihm Make up auf den Arbeitsplatz gelegt, Familienmitglieder und Freunde seien ihm mit Missachtung begegnet. Ayoub K. ist homosexuell. Als er bei einer Demonstration für Rechte für Homosexuelle teilnimmt, wird er von einem Messerstecher schwer verletzt. 2013 plant er die Ausreise. 2018 hat er genug Geld gespart und reist nach Deutschland. Als die Fragen nach seiner sexuellen Orientierung und deren Ausleben durch die Bamf-Mitarbeiter immer intimer werden, unterbricht Richterin Huber ihren vorlesenden Kollegen.

„Komplett zerstört“

Klar wird dies: In Kronach lernt er das spätere Opfer kennen. Sie freunden sich an, er habe die Tochter sehr lieb gehabt, sagt er in Bamberg. Die Frau habe für ihn gekocht, sich um seine Wäsche gekümmert. Er habe ihr offenbart, dass er homosexuell sei. Trotzdem kommen sich die beiden näher. Im Herbst 2020 habe er gemerkt, dass er sich in die Frau verliebt habe. Sie wird schwanger. Ayoub K. ruft seine Mutter, die ihn verstoßen hat, an und berichtet ihr voller Freude von der Schwangerschaft. Wochen später erhält der Ex-Freund von der Frau eine Mitteilung, sie liege in Sonneberg im Krankenhaus. Ihr neuer Freund habe sie geschlagen. Vielleicht reift zu dieser Zeit der Entschluss, das Kind nicht zu wollen. Sie lässt die Schwangerschaft abbrechen.

Am Tattag versucht die 31-Jährige vergeblich, ihren Ex-Freund zu erreichen. Stunden später sind sie und ihre zweijährige Tochter Hannah tot.

Bei der Befragung in Bamberg Monate nach der Tat wird Ayoub K. auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand nur diesen einen Satz sagen: „Ich bin komplett zerstört.“

Der nächste Verhandlungstag findet am 15. August am Landgericht in Coburg statt.

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