Nach dem Erdbeben So hilft Coburg dem türkischen Antakya

Nach dem Erdbeben von Anfang Februar dieses Jahres lag die türkische Stadt Antakya in Trümmern. Der Wiederaufbau wird jetzt auch von Coburg unterstützt Foto: picture alliance/dpa/Boris Roessler

Der Südosten der Türkei wird im Februar von verheerenden Erdbeben getroffen. Zwei junge Coburger haben Familie in der Region und handeln sofort.

 
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Als am 6. Februar im türkisch/syrischen Grenzgebiet die Erde bebte, klingelte mitten in der Nacht das Telefon bei Sema Güleryüz aus Coburg. „Unsere Verwandten haben uns sofort informiert“, erinnert sie sich. Die 32-Jährige lebt mit ihrer Familie in Coburg, Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten und weitere Angehörige stammen jedoch aus Antakya, jener Stadt, die als Antiochia aus der Bibel bekannt ist und bis heute als bedeutende historische Stätte gilt. Die Altstadt von Antakya wurde beim dem Erdbeben nahezu vollständig zerstört. „Es hat danach acht bis neun Tage gedauert, bis ich alle Familienangehörige vor Ort erreicht hatte und wusste, wie es ihnen geht“, erzählt Sema. Einem Freund seit Kindertagen geht es nicht anders. Mehmet Karyelioglus Familie stammt ebenfalls aus Antakya. Auch er lebt in Coburg und erfährt am Morgen nach dem Beben über Whatsapp, was in der Türkei geschehen ist. „Allerdings habe ich es anfangs nicht so ernst genommen. Erdbeben passieren dort immer wieder“, erzählt er. Erst im Laufe des Tages hätte er realisiert, dass die Dimension dieses Mal eine ganz andere ist. Leid, Zerstörung, Ausnahmezustand – am Ende sind fast 60 000 Tote und 125 000 Verletzte zu beklagen.

„Unsere Körper waren in Coburg, unsere Gedanken 3000 Kilometer weiter in der Türkei“, erinnert sich Sema, die gleich in den nächsten Stunden tätig wird. „Ich habe zum Beispiel Bestatter abgeklappert und Leichensäcke und Desinfektionsmittel organisiert, weil ich von der Familie wusste, dass viele Tote an den Straßen liegen.“ Über ein privates Netzwerk schickt sie die Dinge in die Türkei. Auch Mehmet wird tätig und überlegt, wie man am besten unterstützen kann. „Humanitäre Hilfe vor Ort konnten wir nicht leisten, daher haben wir überlegt, langfristig etwas aufzubauen“, so der 30-Jährige. Er und Sema werfen ihr berufliches Können zusammen – Mehmet als Einkäufer bei einer Werkzeug- und Maschinenbau-Firma in Lichtenfels und Sema als Entwicklungsingenieurin bei Mercedes-Benz in Stuttgart – und stellen ein eigenes Hilfsprojekt auf die Beine. Dafür sammeln sie Gelder, die zielgerichtet vor Ort für Schulen eingesetzt werden sollen. „Wir wollten keine Spenden, die irgendwo hingehen, sondern bedarfsgerecht helfen“, so Sema. Sechs Grund-, Mittelschulen und Gymnasien etwas außerhalb der Stadt machen sie ausfindig, die Unterstützung benötigen. Diese wurden nur wenig beschädigt und sollen nun erneut aufgebaut werden. Denn viele Stadtbewohner Antakyas sind in die Außengebiete geflohen und leben dort jetzt dicht an dicht auf kleinstem Raum. Um gerade den Kindern wieder einen normaleren Alltag zu ermöglichen, wollen die Coburger den Aufbau des Bildungssystems unterstützen.

Ein Bild aus der Zeit vor dem Erdbeben: Sema Güleryüz in der Altstadt von Antakya Foto: privat

Sie treten mit Schulleitern in Kontakt, fragen Bedarfe der Einrichtungen ab, bündeln diese und schicken eine Liste mit benötigten Dingen an drei Lieferanten in der Türkei. Dank ihres Verhandlungsgeschicks und der Mengen, die Sema und Mehmet benötigen, lässt sich bei den Preisen noch einiges machen. Spendengelder generieren die beiden mit privaten Aufrufen, aber auch öffentlichen Aktionen. So werden unter anderem die Einnahmen des Schulfests des Gymnasiums Albertinum, das an diesem Freitag stattfindet, Antakya zu Gute kommen. Sema ist eine ehemalige Schülerin des Albert.

Auch der Lions Club Coburg beteiligt sich. Mit seinem Hilfswerk fungiert dieser als Treuhandverwaltung. Sobald der dort eingegangene Spendenbetrag fest steht, wird der Club außerdem den Betrag verdoppeln – „und dann wird über den Lions Club bestellt. Kein Geld geht in private Hände und alles ist per Bestellung und Rechnung organisiert“, so Sema. Die Stadt und der Landkreis Coburg sowie die Stadt Neustadt unterstützen die Hilfsaktion ebenfalls.

Der Zeitplan sieht vor, dass die Spendensammlung bis Ende August/Mitte September laufen soll. Dann erfolgt die Verdopplung des Betrags durch den Lions Club Coburg „und voraussichtlich Mitte Oktober wollen wir die Lieferung in Antakya abnehmen“, erzählt Sema. Für sie und Mehmet wird es dann der erste Besuch in einer Stadt sein, die sie so ganz anders in Erinnerung haben. Zwei Mal im Jahr sind sie vor dem Erdbeben in der Türkei zu Besuch gewesen – wobei es viel mehr als ein Besuch war. „Wenn ich geflogen bin, habe ich immer gesagt, ich gehe zu Hause raus und komme zu Hause rein“, verdeutlicht die 32-Jährige das Gefühl, das ihr die zweite Heimat vermittelt. Nun erwartet sie schweres Baugerät, brache Flächen und ein Containerdorf. Aber immer auch noch eine Stadt „die man lieb gewonnen hat.“ - Infos und Spendenkonto: www.lions-coburg.de

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