Anfangs werde die Wiederbelebung etwa der Theater und Clubs "das Gemeinschaftserlebnis intensivieren und dessen Wertigkeit und Bedeutsamkeit noch weiter erhöhen". "Bereichernd kommt noch hinzu, dass sich die Personengruppen, die an diesen Events teilnehmen, verändert haben dürften im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Manche werden ihr Interesse und Bedürfnis nach diesen Facetten ihres Lebens neuentdecken und wiederentdecken - andere, die bislang sehr kunst- und kulturaffin waren, werden sich vielleicht zurückziehen." Der Vielfalt und dem kreativen Output werde das in jedem Falle guttun.
Gleichwohl dürfe nicht vergessen werden, betont Hahnzog, dass die Anzahl psychischer und sozialer Störungen und Erkrankungen in den letzten Monaten stark gestiegen sei und in nächster Zeit weiter steigen werde. "Manche Akteure wie Teilnehmende werden nicht mehr zu Aktivität in der Lage sein. Dies wird manches einschränken - birgt aber zugleich Potenzial für neue Wege oder freie Plätze der Kunst- und Kulturlandschaft, die von neuen Akteuren eingenommen werden."
Auch der amerikanische Soziologe und Arzt Nicholas Christakis von der Yale-Universität glaubt, dass es nach der Corona-Krise zu einer "Neuauflage der Goldenen Zwanziger", der "Roaring Twenties" komme, ähnlich wie nach der Spanischen Grippe vor gut 100 Jahren. "Machen wir uns klar: Seuchen mögen neu für uns sein. Für die Menschheit sind sie es nicht", sagte der Wissenschaftler der "Welt".
Seuchen haben demnach neben ihrem biologischen Verlauf auch einen sozialen. "Sie enden erst dann, wenn alle glauben, dass es wirklich vorbei ist." So sei das bei allen großen Pandemien gewesen: Ist das Virus erstmal biologisch kaltgestellt, kommen psychologische und ökonomische Aufräumarbeiten.
Der Unternehmensberater Achim Berg von McKinsey sagte kürzlich im "Spiegel"-Interview, nach den Corona-Restriktionen werde eine Menge nachgeholt werden. "Vielleicht eine Chance, die Roaring Twenties des letzten Jahrhunderts in diesem Jahrhundert zu wiederholen."
Das denkt auch Soziologe Christakis: Im Corona-Nachklang werde es einen Aufschwung geben, weil die Menschen das Geld ausgeben, das sie zurückgehalten haben. "Es wird ein Frühling sein, künstlerisch, wirtschaftlich, technologisch und auch politisch." Epidemien seien wegen der Toten, der zerstörten Lebensgrundlagen und der sozialen Isolation "Zeiten der Trauer". "Viele Menschen werden in der Not religiöser. Nach der Pandemie wird sich all das umkehren. Kneipen, Nachtclubs, Erotik, Sexualität, all das wird sehr wichtig werden." Bis zur vollen Normalität werde es aber wohl bis Anfang 2024 dauern.
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