Nach Hilferuf der Flutopfer Coburg Handwerker helfen im Ahrtal

In der Region um Ahrweiler herrscht noch immer Ausnahmezustand. 20 000 Haushalte sind dort ohne Heizung. Ein Unternehmen aus dem Landkreis Coburg hilft.

 
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Coburg/Neuses an den Eichen - Es waren Anrufe von Kollegen aus Kulmbach und Thurnau, die Frank Brückner, den Geschäftsführer der Firma Heinz Brückner in Neuses an den Eichen, auf die Situation haben aufmerksam werden lassen. „Die Kreishandwerkerschaft Ahrweiler hat bei meinen Kollegen Hilfe angefragt“, erinnert sich der Unternehmer. Im Ahrtal, jener Region in Rheinland-Pfalz, die vor gut drei Monaten von einer Flutkatastrophe bisher unbekannten Ausmaßes heimgesucht wurde, leben viele Menschen noch immer im Ausnahmezustand. „Es fehlen 20 000 Heizungen. Und jetzt kommt der Winter“, sagt Frank Brückner.

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Sein Unternehmen in Neuses an den Eichen ist eine der größten Sanitär- und Heizungstechnik-Firmen in der Region. 40 Mitarbeiter beschäftigt Brückner – fünf seiner Monteure haben sich spontan bereit erklärt, mit ihrer kompletten Ausrüstung zum Helfen ins Ahrtal zu fahren. „Als ich in der Belegschaft nachgefragt habe, waren sogar zehn Mitarbeiter sofort bereit“, betont Brückner. Weil sich aber auch in Stadt und Landkreis Coburg die Handwerker kaum vor Arbeit retten können, fiel die Entscheidung, erst einmal nur fünf Kollegen ins Flutgebiet zu schicken. Ende Oktober – von Donnerstag bis Samstag – verbrachten die Männer im Ahrtal. „Konkret haben sie Heizungsanlagen in Bad Neuenahr und Ahrweiler eingebaut“, erzählt Frank Brückner. Innerhalb dieser kurzen Zeit sei es gelungen, zwei Anlagen zu installieren – und damit zwei Haushalten wieder warmes Wasser und eine Heizung zur Verfügung zu stellen. Um einen Heizkessel auszuwechseln, brauche es gut zwei bis drei Tage, rechnet der Fachmann vor. Neben Fachkräften, die händeringend für den Einbau gesucht werden, sei vor allem auch Material knapp. „Die notwendigen Teile zu bekommen ist fast unmöglich“, bekennt der Geschäftsführer. Gleichzeitig sei die Versorgung mit Wärme derzeit aber das drängendste Problem der Menschen in dieser Region.

Für das Helfen vor Ort haben sich Brückners Mitarbeiter Urlaub genommen. Im Gegenzug sei ihnen jede Menge Dankbarkeit entgegengebracht worden. „Das ältere Ehepaar, in dessen Haus sie eine neue Heizung installiert haben, hat fast geweint, als sie endlich wieder warmes Wasser hatten“, erzählt Brückner. Angesichts der noch immer teils dramatischen Situation im Ahrtal kein Wunder. „Vielerorts ist kein Stein mehr auf dem anderen. Es sieht noch immer aus wie nach dem Krieg. Und in manchen Häusern werden noch immer die Keller ausgepumpt“, gibt der Unternehmer die Schilderungen seiner Mitarbeiter wieder. Jede Menge Fotos und Videos haben diese außerdem in die Firma geschickt. Sie zeigen das Ausmaß der Zerstörung, die auch Monate nach der Flut noch im Ahrtal herrscht. „Wir werden daher noch mal Mitarbeiter hinschicken – und zwar noch in diesem Jahr“, so Brückner. Außerdem will er dafür werben, dass sich auch andere Unternehmen seinem Beispiel anschließen und, wenn es ihnen möglich ist, die Sanierungsarbeiten vor Ort mit Fachkräften unterstützen.

„Für die Unterbringung und Versorgung der Mitarbeiter ist vor Ort gesorgt,“ erklärt Brückner. In einem riesigen Helfercamp seien Schlaf- und Versorgungszelte aufgebaut worden. Fast wie bei einem Festival bekommt man nur mit einem Bändchen am Armgelenk Zutritt.

Koordiniert werden sämtliche Hilfsmaßnahmen mittlerweile über ein Online-Angebot der Handwerkskammer Koblenz. Unter www.handwerk-baut-auf.de können sich Helfer registrieren lassen. Unter dem Motto „Handwerk hilft Handwerk“ werden sämtliche Zusammenarbeiten zwischen Firmen – zum Beispiel auch die gelegentliche Überlassung von Mitarbeitern – auf eine rechtlich sichere Basis gestellt. So soll der Wiederaufbau im Ahrtal bestmöglich und vor allem unbürokratisch unterstützt werden.

Jens Beland, der Coburger Kreishandwerksmeister, zieht vor so viel Hilfsbereitschaft den Hut. An die Coburger Kreishandwerkerschaft hätte es bisher noch keine Hilfsanfrage aus Ahrweiler gegeben, sagt er. „Grundsätzlich ist die Solidarität unter Handwerkern aber sehr groß. Wir unterstützen uns alle“, betont er. Allerdings seien viele Firmen der Region in einer Zwickmühle: „Die Auftragsbücher sind voll. Und gleichzeitig schlägt der Fachkräftemangel, vor dem wir seit Jahren immer wieder gewarnt haben, jetzt mit voller Wucht durch“, bekennt der Malermeister. Daher sei es vielen Unternehmen schlicht gar nicht möglich, noch Mitarbeiter für solche Hilfsaktionen abzustellen. „Ich bin überzeugt, dass es viele tun würden, wenn sie es könnten“, so Beland.