Herne - Ein User habe sich in einem Chat als der flüchtige Mörder des Neunjährigen ausgegeben und dort beschrieben, wie er ein «120 kg Biest bekämpft» habe, teilte die Polizei Bochum am Dienstagabend mit. Auch von Folter ist in dem von der Polizei veröffentlichten Chattext die Rede, um an Daten für Bank, Computer und Telefon zu kommen.

Ein 19-Jähriger soll in Herne bei Bochum einen kleinen Nachbarsjungen umgebracht und Bilder davon ins Darknet gestellt haben. Das neun Jahre alte Kind wurde am Montagabend erstochen im Keller des mutmaßlichen Täters in einer Arbeitersiedlung gefunden, der 19-Jährige war am Dienstag zunächst auf der Flucht, wie die Polizei mitteilte. Die Beamten warnten, dass der Verdächtige Marcel H. gefährlich sei und weitere Verbrechen angedeutet habe. Am Abend prüften die Ermittler Hinweise auf ein weiteres mögliches Opfer.

Ein User habe sich in einem Chat als der flüchtige Mörder des Neunjährigen ausgegeben und dort beschrieben, wie er ein «120 kg Biest bekämpft» habe, teilte die Polizei am Abend mit. «Sie leistete mehr Widerstand als das Kind», heißt es in dem von den Ermittlern veröffentlichten Chattext. Auch von Folter ist in dem Auszug die Rede, um an Daten für Bank, Computer und Telefon zu kommen.

Die Polizei rief dazu auf, sich zu melden, falls im Umfeld eine Frau vermisst werde. «Wenn man dem Täter glaubt, müsste sich der Tatort dieses zweiten Verbrechens im Umkreis von 80 km um Herne befinden.» Die Ermittler schließen nicht aus, dass es sich bei der Tatbeschreibung um eine Falschmeldung handelt. «Aber die Gefahrenlage macht es nötig, das ernst zu nehmen.» Den Angaben zufolge seien zudem weitere Bilder aufgetaucht, die womöglich dem gesuchten Marcel H. zuzuordnen sind.

Der Teenager war der Polizei vor der Tat in Herne nicht strafrechtlich aufgefallen. Der Flüchtige sei vermutlich mit Tarnweste und -hose bekleidet. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, die in das Darknet eingestellten Aufnahmen machten «auch die Ermittler fassungslos». Eine Polizeisprecherin betonte am Abend, dass es sich nicht um einen Film handele, sondern um Bilder. «Videomaterial liegt uns aktuell nicht vor.» Am Dienstagmorgen hatte ein Sprecher zunächst von einem Video im Darknet gesprochen.

Im abgeschotteten Darknet können sich Internetnutzer fast komplett anonym bewegen, daher wird es oft zu kriminellen Zwecken missbraucht. Die Polizei war am Montag von einem Darknet-Nutzer alarmiert worden. Der Zeuge hatte gesehen, wie sich der ihm bekannte Marcel H. mit der Ermordung des Schülers brüstet, und er erkannte auch die Örtlichkeiten. Im Keller von H. fanden Polizisten die Leiche des Neunjährigen, der mit seiner Familie direkt nebenan gewohnt hatte.

Marcel H. ist nach Angaben der Ermittler klar erkennbar auf dem Material im Darknet sowie auf Bildern, die inzwischen auch in normal zugänglichen Internetbereichen zu sehen seien. Er sei mit blutigen Händen neben der Leiche zu erkennen. Was ihn zu der Tat getrieben haben könnte, wollte ein Polizeisprecher aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. H. habe auch Gedanken an einen Suizid angedeutet.

Der laut Polizei arbeitslose 19-Jährige mit abgeschlossener Schulausbildung lebte zuletzt offensichtlich alleine in dem Reihenhaus zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher. Es habe wohl ein Umzug im Raum gestanden, die Eltern seien bereits nicht mehr dort gemeldet, berichtete der Polizeisprecher. Auf der Suche nach Marcel H. wurden Hubschrauber, Hunde und Bereitschaftspolizisten hinzugezogen.

Laut einem Bericht des «Kölner Stadt-Anzeigers» (Mittwoch) hat die Obduktion des Neunjährigen ergeben, dass er mit mehreren Messerstichen getötet wurde.

Der Oberbürgermeister von Herne, Frank Dudda (SPD), zeigte sich entsetzt. «Wir sind fassungslos und schockiert, wir trauern mit den Angehörigen», erklärte Dudda nach den Worten eines Sprechers. In der Schule des getöteten Jungen waren Seelsorger und Psychologen im Einsatz. dpa