Dank ihrer Erfahrung und ihrer Haltung war sie genau die Nachfolgerin, die Joachim und Erika Riemann suchten: 1987 übernahm Irmgard Clausen die Hofbuchhandlung zur Pacht, 2007 schließlich als Eigentümerin. Sie verdoppelte die Verkaufsfläche und entwickelte Riemann zu einem Treffpunkt für Kulturfans: Lesungen prominenter und regionaler Autorinnen, Schmökernächte, Themenabende, kulinarisch-literarische Sinnenfreuden und nicht zuletzt das literarische Caféchen mit Marktblick droben im 1. Stock füllten den Slogan „Mehr als eine Buchhandlung“ mit Leben. Nicht nur ihr eigenes Geschäft lag ihr am Herzen: Im Vorstand der Aktionsgemeinschaft Zentrum Coburg machte sie sich für die Stärkung der Innenstadt stark.
„Solche Läden sind absolut notwendig, sie sind ein Stück geistige Heimat!“ betonte die agile Unternehmerin beim 200. Jubiläum der Riemann’schen 2006 und stellt klar, dass sie das eigenständige Geschäft nicht in Ketten zu legen gedachte: „Ich möchte, dass es Riemann noch 100 Jahre packt, Minimum!“
In Martina Riegert und Martin Vögele fand sie ein ambitioniertes Buchhändlerpaar, das diese Vision teilt und den „Leuchtturm im Kultur- und Geschäftsleben der Stadt“ 2015 übernahm. Die Nachfolgerin war Irmgard Clausen gut bekannt: Martina Riegert war 1987 ihre erste Auszubildende gewesen und hatte nicht nur in Coburg viel von der Chefin gelernt. „Wenn ich mit ihr auf der Buchmesse war, dachte ich: die kennt da alle!“ erinnert sich Riegert an die vitale und kommunikative Irmgard Clausen, die „ihrer“ Buchhandlung auch nach der Übergabe verbunden blieb.
Im „Ruhestand“ widmete sie sich weiter ihrer Herzensangelegenheit Leseförderung. Mit viel Pioniergeist hatte sie schon seit vielen Jahren Kinder und Jugendliche für das gute alte Buch begeistert: Riemann schickte „Lesekoffer“ auf die Reise durch die Schulen, prall gefüllt mit neuen Büchern. Und schon die Allerjüngsten durften sich im Bücherparadies am Markt tummeln. Daran knüpfte Clausen 2015 mit ihrer „Agentur für Lesevergnügen“ an, mit der sie ihre Erfahrungen als Coach und Beraterin an kleine und mittlere Buchhandlungen weitergab.
Auch um das erwachsene Publikum kümmerte sie sich: Seit 2004 gehörte sie zu den Organisatoren der Literaturtage „Coburg liest!“: „Sie war eine treibende Kraft im Orga-Team und hat mit ihrer Empathie und Energie alle mitgerissen“, erinnert sich Alois Schnitzer vom Coburger Literaturkreis.
Mit Hingabe widmete sich Irmgard Clausen einem weiteren Herzensprojekt: dem Coburger Hospizverein, dem sie seit sechs Jahren vorstand. „Sie hat den Verein sehr geprägt und mit ganzem Herzen geleitet“, sagt die Koordinatorin Barbara Brüning-Wolter. „Irmgard Clausen war unvergleichlich mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit“, schreiben Karin Rosemann und Mathis Neumann im Nachruf auf der Vereins-Homepage. Und sie betonen: „Irmgard Clausen war mit ihrem empathischen und emotionalen Wesen ein ganz besonderer Mensch. Der Hospizverein und seine Aufgaben waren ihr eine Herzensangelegenheit und genau so hat sie unseren Verein geführt, mit Herz.“