Neubau 50 Jahre Zentrum der Macht in Kronach

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Knapp ein halbes Jahrhundert ist der Beginn der Arbeiten für das neue Kronacher Rathaus her. Bevor es losgeht, muss zunächst jedoch eine alte Häuserzeile Raum für den Neubau machen.

 
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Wer das Kronacher Rathaus betritt, hat dabei mitunter das Gefühl als reise er in der Zeit zurück. Vom Boden über die Wandvertäfelung bis hin zum Mobiliar und von Wartebereichen bis zum großen Sitzungssaal strahlt das Gebäude noch heute im Retro-Charme eines Spionagekrimis mit Roger Moore. Es wirkt beinahe so, als sei hier kurz nach der Errichtung des Rathauses in der Mitte der 70er Jahre die Zeit stehen geblieben. Bevor dieses Denkmal an eines der wohl eigensinnigsten Jahrzehnte der jüngeren Geschichte entstehen konnte, musste jedoch eine ganze Reihe alter Stadthäuser weichen. Deren Abriss jährt sich in diesem Jahr zum 50. Mal.

„Der Marktplatz in der Kreisstadt wird zu einer Großbaustelle“, schreibt etwa die Neue Presse am 27. April 1972. Mit einer sogenannten Abbruchbombe sei die Baufirma den alten Häusern auf gen Leib gerückt, heißt es weiterhin. Dieses spektakuläre Ereignis habe viele Zuschauer angelockt. Anderen Berichten zufolge sollen rund 500 Bürger erschienen sein, um sich das Schauspiel anzuschauen. Zwar habe es im Vorfeld immer wieder stimmen gegeben, welche die Abbrucharbeiten kritisiert hätten. Die bauliche Veränderung sei jedoch nötig gewesen. „Die alten Häuser waren zum Großteil baufällig und wären über kurz oder lang doch nicht zu erhalten gewesen“, erklärt die Neue Presse. Davon hätte sich die Bevölkerung nur fünf Tage vor Beginn des Abrisses persönlich überzeugen dürfen. Infolge dieses Termins habe der Widerstand gegen das Bauprojekt der Stadt deutlich abgenommen.

Gewisses feinsinniges Gespür

„Man hat in der Architektur des Neuen Rathauses jedoch offenbar zumindest versucht, den Charakter der alten Häuserzeile aufzugreifen“, betont Alexander Süß, Archivar der Stadt Kronach. Dies spreche für ein gewisses feinsinniges Gespür, welches bei dem Bau geherrscht habe. Und tatsächlich unterscheidet sich der Kronacher Verwaltungssitz deutlich von den quadratischen Brachialbauten mit Flachdach, die zur gleichen Zeit andernorts entstanden. Tatsächlich hatten auch in Kronach 35 von insgesamt 36 der eingereichten Vorschläge für den Bau ein solches Dach.

Auch wenn bei dem Neubau offenbar viel Wert auf Details gelegt wurde – man schaffte sogar eigens Aschenbecher an, die mit der übrigen Inneneinrichtung des Gebäudes harmonisieren sollten – hantelte es sich dabei offenbar nicht um einen Prunkbau. Vielmehr war ein solcher Neubau offenbar nötig, um die Verwaltung der Kreisstadt zusammenzuziehen, die zuvor an fünf unterschiedlichen Orten aufgeteilt und unter mitunter herausfordernden Arbeitsbedingungen untergebracht war. So etwa befand sich das Stadtarchiv in Räumen auf der Festung während das Stadtbauamt im alten Gaswerk in der Friesener Straße untergebracht war. Und in den Räumen der Registratur der Stadtkasse wurde es im Winter mitunter so eisigkalt, dass Akten von Zeit zu Zeit aneinander festfroren.

Nach knapp drei Jahren gelang es den Neubau schließlich abzuschließen. Die feierliche Übergabe des Rathausschlüssels erfolgte Mitte Juli 1975. Insgesamt beliefen sich die Baukosten des Projekts laut einem Artikel zum 25. Jubiläum des Baus auf etwa 13, 8 Millionen Deutsche Mark. Dafür erhielt die Stadtverwaltung ein neues Domizil mit insgesamt rund 2363 Quadratmetern Nutzfläche sowie etwa 1600 Quadratmetern für Büro- und Verwaltungsräume. Zudem habe man im Rahmen des Baus eine Lücke in der historischen Stadtmauer Kronachs geschlossen, die im Laufe der Jahrhunderte von den Menschen abgebrochen worden sei. Hierfür verwendete man extra alte Sandsteine, Balken und Ziegel um das vollbrachte Werk möglich authentisch zu gestalten.

Geburtshaus von Lucas Cranach

Unter anderem steht das Rathaus heute übrigens dort, wo einst offenbar das Geburtshaus von Lucas Cranach sich befand, dessen 550. Geburtstag die Stadt Kronach heuer feiert. Darauf weist unter anderem eine Erinnerungstafel am Rathaus hin „Die Standorte der beiden Gebäude stimmen jedoch wohl nicht exakt überein“, erläutert Stefan Wicklein, der sich bereits seit langem intensiv mit der Stadtgeschichte Kronachs befasst. „Dass, an dieser Stelle Cranach geboren wurde, war während des Baus jedoch offenbar niemandem bewusst“, betont Alexander Süß. Damals habe es in der Stadt mehrere Objekte gegeben, die als Geburtshaus des Künstler infrage gekommen seien. „Tatsächlich ist es auch so, dass das Geburtshaus nicht für den Neubau abgerissen wurde“, erklärt Stefan Wicklein. Die abgerissenen Gebäude seien allesamt deutlich jüngeren Datums gewesen. Cranachs Geburtshaus sei damit bereits wohl viel früher abgerissen worden, um Bauplatz im Zentrum der Kronacher Oberstadt zu schaffen.

Dort wo der Ausnahmekünstler einst möglicherweise seine ersten Schritte gemacht hat, befindet sich nun unter anderem die Kämmerei. „Und mein Büro ist auch an dieser Stelle“, berichtet Stefan Wicklein. Inwieweit diese räumliche Nähe zu der Wirkungsstätte des berühmten Sohnes der Stadt sich auf die tagtägliche Arbeit im Rathaus auswirke, könne er übrigens nicht bestätigen.

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