Neuensee Rockmusik, neuester Stand

Rock mit Einflüssen aus Classic Rock, Hardrock und Proto-Heavy-Metal: Troubled Horse aus dem Rockmusik-Mekka Örebro in Schweden spielten ein blitzsauberes, umjubeltes Set - wie so viele andere Bands an diesem Wochenende bei "Rock im Wald" auch. Foto: TL

Von den Fans geliebt. Seit Monaten ausverkauft. Und weit über Bayern hinaus beachtet: "Rock im Wald" genießt einen Status wie nur wenige Festivals. Und doch ist's kein Selbstläufer.

 
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Neuensee - Spanferkel mit Sauerkraut und Klößen, angeboten von einem regionalen Wirtshaus auf echten Tellern mit echtem Besteck. Im Ausschank das Gaasnseidla, eine fränkische Spezialität. Einige regionale Bands bestreiten Vorprogramm und Frühschoppen. Und im Publikum wird allerorten gefränkelt. Das Festival "Rock im Wald" ist ein im besten Sinne fest in der Region verwurzeltes Ereignis.

Und doch besitzt dieses Event auf dem wunderbar gelegenen Waldsportplatz in Neuensee deutschlandweite Reputation. Das liegt an der über stattliche 23 Jahre geleisteten Arbeit der allesamt aus der Region stammenden Organisatoren. Wer Wörter wie "Volbeat", "The Bones" und "Kadavar" oder "Red Fang", "Sólstafir" und "Blues Pills" in seinen früheren Festival-Billings vorweisen kann - der weiß definitiv Bescheid in einer Szene, deren Unübersichtlichkeit mit jedem Jahr mehr ausufert. Denn schlicht und einfach "Rock" haben sich die Macher auf ihre Fahnen geschrieben - Subgenres sind erst mal egal. Dem Ganzen bei einem so breit gefächerten Oberbegriff dennoch ein "Gesicht" zu geben - das ist ein weiteres großes Verdienst der Macher, neben ihrer eingangs erwähnten liebevollen und regionalen Organisation. Und das künstlerisch Relevante ist ihnen auch dieses Mal bestens gelungen - zumal unter schwierigen Vorbedingungen. Zwei britische Bands mussten absagen: Turbowolf (bereits vor einigen Tagen, wegen Krankheit) und Church Of The Cosmic Skull (extrem kurzfristig, wegen Flug-Problemen).

Ärgerlich, das alles, sicher. Doch fanden sich ausreichend Gruppen im Line-up, um dies auszugleichen. Außerdem konnte mit dem Smoke-Blow-Sänger Eric Cohen und seiner Band kurzfristig Ersatz verpflichtet werden. Und es gab einen - da ist es wieder, dieses Wort - regionalen Top-Act, der keine Wünsche offen ließ: Nach fast zehnjähriger Pause hat sich die oberfränkische Kultband The Go Faster Nuns wieder zusammengerauft, um einen (?) Gig zu absolvieren: natürlich bei "Rock im Wald". Und die Hütte brannte am Samstagabend lichterloh. Bei Krachern wie "Peppermint Petty" oder "Sunshine Song" - allesamt dokumentiert auf diversen Tonträgern der 1997 in Bamberg gegründeten Band, gab es absolut kein Halten mehr.

Den überregionalen Part bestritten Acts, die sich europa-, teilweise sogar weltweit einen Namen in der Szene gemacht haben: Unter anderem 1000 Mods aus Griechenland, Spidergawd aus Norwegen und Mustasch aus Schweden (alle am Freitag) sowie am Samstag Troubled Horse aus Schweden, The Vintage Caravan aus Island und Orange Goblin aus England - die das Publikum durch die Decke gingen ließen. Einzelne Bands herauszuheben aus einem größeren Line-up kommt immer problematisch, weil da nicht zuletzt die ganz subjektiven Vorlieben des Autors einfließen. Dennoch seien Troubled Horse erwähnt, die aus einem unglaublichen Ort stammen: Im schwedischen Städtchen Örebro mit gerade einmal etwas über 100 000 Einwohnern gibt es eine Reihe bekannter (Szene-)Bands, darunter die Melody-Punker Millencolin und die Grindcoreler Nasum, und ein ebenso im Underground berühmtes Plattenlabel namens "Burning Heart Records". Troubled Horse, die Jungs aus Örebro, spielen Rockmusik mit Einflüssen aus Classic Rock, Hardrock und Proto-Heavy-Metal - woran man schon mal merkt, dass deren Sound mit Worten nur bedingt zu erfassen ist. Sie boten herausragendes Songwriting, eine starke Live-Präsenz (in schwarzen Klamotten bei Bühne unter voller Sonne) und einen guten Draht zum Publikum. Vielleicht ist's das, was nicht nur eine signifikante Band ausmacht, sondern auch das Konzept der "Rock im Wald"-Mannschaft versinnbildlicht: Rockmusik auf dem neuesten Stand - expressiv laut, kraftvoll und schnell einerseits und von einer in der Gründerzeit dieser Musik nicht erreichten technischen Finesse getragen. In diese Kerbe schlugen auch die drei Jungs von Vintage Caravan aus Island - ein Land, das gefühlt mehr Bands als Einwohner besitzt. Wahrscheinlich ermöglichen die langen, stillen Winterabende in den nördlichen Gegenden Europas, dass die dortigen Bands international überproportional bekannt sind. Man wird als Musiker von, ähm, nichts abgelenkt und kann üben, üben, üben. Das machte sich im Live-Set voll bemerkbar. Die drei Nordlichter zelebrierten die instrumentalen Parts ihrer Songs mit einem Können und einer Verve, die auch einer Jimi-Hendrix-Experience zur Ehre gereicht hätten. Und das ist nicht zu hoch gegriffen...

Der Veranstalter war mehr als zufrieden, was die beiden Festival-Tage anging. Und vom Spanferkel blieb auch kein Fitzelchen übrig. Bassd.

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