Neufang Wo der „Gendarme“ das „Bettelfraala“ jagt

Heike Schülein

In Verbindung mit dem Pfeffern gibt es in Neufang an Silvester eine besondere Tradition. Auch eine Veranstaltung wird dann ausgeschrien.

Gendarme Niklas weist das Bettelfraala Bastian zurecht – mit wenig Erfolg. Foto: Kukowski

Lautes Klingeln durchdringt an diesem Samstagnachmittag den Ortskern von Neufang. Mit der idyllischen Ruhe ist es auf einen Schlag vorbei, als sich die drei hochoffiziellen jungen Herren Hannes, Noah und Elias in ihren schmucken Anzügen und edlen Zylindern mit einer Handglocke bemerkbar machen. Deren Anführer holt tief Luft, bevor er lautstark eine Mitteilung verliest. Unterstützung erhält er dabei von seinen Adjutanten, die das wichtige Dokument beziehungsweise eine rote Laterne in die Höhe halten. „Es wird hiermit bekannt gemacht, dass am Freitag, den 13. Januar, im Stoudl der sogenannte Pfefferhafer vertanzt und versoffen wird. Dazu sind herzlich eingeladen - erstens: alle tanzlustigen Jünglinge und Jungfrauen, zweitens: wer sich am Pfefferhafer gut beteiligt hat, und drittens: diejenigen, die den Ausschreiern mit reichlich Schnaps zur Hilfe eilen. Wenn der Hund keinen Tropfen Blut mehr gibt, dann ist es aus, und wir gehen nach Haus.“ Mit todernster Miene setzen die Drei ihren Weg fort, bevor die Zeremonie aufs Neue beginnt.

Nach der Werbung weiterlesen

„Bettelfraala“ sucht Hilfe

Weitaus weniger förmlich geht es derweilen einige Straßen weiter zu. Mit letzter Kraft sucht dort gerade „Bettelfraala“ Bastian Hilfe bei Bürgern. Noch bevor diese reagieren können, stürzt „Gendarme“ Niklas auf die arme Frau zu, der im letzten Moment die Flucht gelingt. „Hiergeblieben, Alta, du wasst genau, dess Bejdeln nier erlaubt ist“, schreit er. Es dauert nicht lange, da hat er das Fraala wieder am Schlafittchen. „13 Kinne hou ich, devo acht, wu ich nier wass, wer de Vorre is. Des is fei nier so einfoch“, versucht sie es auf die Mitleidstour. Unbeeindruckt zückt der Gesetzeshüter seinen Block zwecks Aufnahme der Personalien: „Name, Geburtsdatum und Geburtsort?“ – „Ich haas Anna Mia, bin im Schützengroubn geborn, Achtzehnhundertundnuchwos.“ – „Souch, wie´s da hast und wenn da geborn bist“, schnauzt er sie an. „Ich brauch doch nur a weng Geld für meina Kinne!“, fleht dieselbige noch einmal. Als dieser Versuch ebenfalls misslingt, schlägt sie kurz auf ihren Kontrahenten ein und sucht erneut ihr Heil in der Flucht. Wutentbrannt stürmt ihr der Gendarme ein weiteres Mal hinterher: Das Duell geht in die nächste Runde.

Tag der unschuldigen Kinder

Traditionell wird in Neufang am 28. Dezember, dem „Tag der unschuldigen Kinder“, gepfeffert. Wer an diesem Tag unterwegs war, hatte schlechte Karten, sauber wieder nach Hause zu kommen. Aber nicht nur Pfeffera-Schlotfeger Hannes hatte dabei alle Hände voll zu tun, sondern auch die anderen illustren Gestalten des Zugs: Scherenschleifer Felix, Schnapsträger Jan, Sackträger Elias, die Tänzer Bastian und Maximilian sowie Kürassier Noah für die Finanzen. Seit den frühen Morgenstunden waren die Burschen in ganz Neufang unterwegs und stimmten dabei – begleitet von Akkordeon-Klängen vom Spieler Matthias – Frankenwald-Lieder an. An manchen Häusern hing ein Geldkuvert oder eine kleine Aufmerksamkeit; doch viele Türen öffneten sich auch. Gepfeffert wird in Neufang nur die Frauenwelt. Durch sanftes Hauen mit dem Pfefferstrauß – geschnittene Tannenzweige – auf die Beinrückseiten will man böse Geister fürs neue Jahr vertreiben. Außerdem heißt es, dass beim Pfeffern Kraft, Frische, Gesundheit und Fruchtbarkeit auf die Betroffene übergehen. Dazu gehört auch eine schwarze Schelln. Angeschwärzt wird jeder, vom Kind bis zum Senior. Diese Aufgabe erledigt der Schlotfeger. Als Wiedergutmachung gibt es einen kräftigen Schluck Schnaps aus einem großen Schöpflöffel.

Schneewalzer und Schnäpsla

In den Häusern wird ein Schneewalzer mit allen Bewohnerinnen getanzt und a Schnäpsla getrunken. Als Extra-Service schärft der Scherenschleifer die Scheren der Familie mit einem Wetzstein. Er erhält dafür ebenso einen kleinen Lohn wie die Jäger, die den Christbaum inspizieren, ob dieser vielleicht aus dem Wald geklaut wurde. Die Baumauslösung ist Verhandlungssache. Wird man sich einig, freut sich der Kürassier. Mit dem Geld – dem „Pfefferhafer“ – wird ein „Pfeffera-Tanz“ für die Bevölkerung ausgerichtet. Nach den Neujahrs-Wünschen geht es mit „Muss i denn zum Städtele hinaus“ zum nächsten Haus.

Für die Tradition „Bettelfraala und Gendarme“ kamen die jungen Leute an Silvester zusammen. Einer schlüpfte dabei in die Rolle des „Bettelfraala“, das eine dicke Portion Schminke, Frauenkleidung, eine XXL-Oberweite und einen großen Korb bekam. Ein anderer mimte den „Gendarme“, der erstere vom Betteln abhalten will. Auch hier ging es von Haus zu Haus. Dort bekamen sie nicht nur Spenden für den Pfeffera-Tanz, sondern auch Hochprozentiges. Herkunft und Bedeutung von „Bettelfraala und Gendarme“ ist unklar. An Silvester sind jedenfalls auch die Ausschreier im Ortskern von Neufang unterwegs. Alle paar Meter bleiben sie stehen und schreien mit todernster Miene – Lachen oder Schmunzeln ist ausdrücklich verboten – den Pfeffertanz aus, dieses Mal am Freitag, 13. Januar, ab 20 Uhr im Feststoudl mit der Neufanger Blasmusik. Der Erlös kommt wiederum wohltätigen Zwecken insbesondere in Neufang zugute.