Neustadt bei Coburg Gruselige Gräber

Peter Tischer

An der Neustadter Stadtkirche befand sich einst ein Friedhof. Jetzt haben Archäologen etliche Zeugnisse aus dem Mittelalter zutage gefördert.

 
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Bronzegewandhaken und ein Lederstück fanden Archäologen bei diesem Toten, der an der Neustadter Kirche St. Georg bestattet worden war. Foto: AST

Mehr als 300 Befunde sind in den vergangenen Monaten bei archäologischen Grabungen an der Neustadter Stadtkirche St. Georg dokumentiert worden. Darunter sind zahlreiche Skelette, aber auch Münzen, Scherben und Gürtelschnallen.

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Im November 2021 förderten Bauarbeiter bei Ausschachtungen für die Wegeführung an der Stadtkirche archäologische Funde zutage und stießen auf einen ehemaligen Friedhof. In Zusammenarbeit mit dem bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wurde eine archäologische Rettungsgrabung organisiert, da es sich um Bodendenkmäler aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit handelt. Die entsprechenden Untersuchungen übernahm die Firma Archäologischer Service Tschuch (AST). „Die Grabung war notwendig aufgrund der Umgestaltung des Neustadter Marktplatzes und des Kirchenumfeldes“, erläutert deren Chef Mattias Tschuch, „denn um die Georgskirche befand sich der mittelalterliche Hauptfriedhof von Neustadt“. 36 Wochen dauerten die Grabungen, die durch unbeständiges Wetter erschwert wurden. „Insgesamt haben wir 309 Befunde dokumentiert, davon sind 245 Bestattungen“, berichtet Archäologin Daniela Jäkel. „Diese waren in insgesamt bis zu neun Bestattungslagen übereinandergelegt“, ergänzt Tschuch. „Durch die vielen späteren Bestattungen sind nur wenige Skelette nahezu vollständig erhalten, etliche nur noch teilweise, diese aber großteils in gutem und sehr gutem Zustand.“ Vor allem Überreste von Erwachsenen fand man. Aber auch Kinder und sogar Säuglinge wurden neben der Stadtkirche beerdigt – alle mit dem Kopf in Richtung Westen. Bei der Bergung werden die Knochen in Euronormboxen verpackt. Sie werden in der Anthropologischen Staatssammlung in München aufbewahrt.

Eine als Beinhaus interpretierte große Grube mit Knochen aus mehreren hundert Bestattungen sei zudem gefunden worden, berichten die Archäologen. „Dort werden Knochen abgelegt, die zum Vorschein kommen, wenn der Friedhof neu angelegt wird oder neue Bestattungen dazukommen“, erklärt die Grabungsleiterin. Vereinzelt stieß man auch auf bronzene Gewandhaken und -ösen, die das Totenhemd verschlossen, sowie eiserne Gürteldosen beziehungsweise -schnallen, ebenso auf Münzen, Keramikscherben, Glasfragmente, Murmeln und eine aus Pfeifenton hergestellte Figur. Knochen und Funde werden von der Firma fachgerecht gereinigt und inventarisiert. Die ältesten Bestattungen stammten aus dem 14. Jahrhundert, sagt Tschuch, „sicher ab etwa 1450/1500“. Gegraben wurde bis zur Bauzieltiefe von 70 Zentimetern. Abschließende Ergebnisse zu dem Friedhof seien jedoch erst nach einer wissenschaftlichen Auswertung aller Funde möglich, erläutert Ivonne Weiler-Rahnfeld, Referentin für Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalschutz. Ob die Stadtgeschichte, deren Zeugnisse durch den großen Stadtbrand im Jahr 1839 erheblich beeinträchtigt beziehungsweise vernichtet wurden, neu geschrieben werden muss, könne man jetzt noch nicht sagen.

Da die Archäologen fertig sind, können die Bauarbeiten nun wieder aufgenommen werden. „Die Pflasterarbeiten müssen noch abgeschlossen und die Mauer fertig gemacht werden“, sagt Alexander Wagner vom Tiefbauamt der Stadt Neustadt. Außerdem seien die Grünflächen und der barrierefreie Zugang zum Marktplatz zu gestalten. „Höchstwahrscheinlich wird die Firma dieses Jahr mit allem fertig werden“, kündigt Wagner an.