Auch in der Neustadter Nachbarstadt Sonneberg in Thüringen seien am Wochenende erstmals schwarze Kreuze aufgetaucht. Hier gingen die wohl rechten Hintermänner jedoch noch einen Schritt weiter. "Wir haben mutmaßlich rechte Parolen auf den Kreuzen entdeckt", erklärt Eddy Krannich, Pressesprecher der Landespolizeiinspektion Saalfeld auf Nachfrage der Neuen Presse . 22 der schwarzen Zeichen haben die Beamten am Wochenende dort gezählt. Neben dem Namen von Opfern der Gewalt von Ausländern seien auf einigen auch Parolen wie "Fremde Täter, Deutsche Opfer", "Asyllobby" oder "Terrorhelfer" zu lesen gewesen. Inzwischen hat die Kommune die Kreuze einsammeln lassen. Laut Krannich müsse man nun die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Anschließend müssten sich die Beamten mit der Staatsanwaltschaft absprechen, ob der Staatsschutz die Ermittlungen übernimmt.
Wie die Stadt Sonneberg den Vorfall aufnimmt, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Oberbürgermeister Heiko Voigt (parteilos) und sein Stellvertreter Christian Dressel waren nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Neben Sonneberg haben Polizisten auch im thüringischen Gera 15 Holzkreuze beschlagnahmt. Sie seien vermutlich in der Nacht zum Samstag dort an Laternenmasten befestigt worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auch in Mecklenburg-Vorpommern tauchten laut Polizeiangaben am Wochenende mindestens 50 schwarze Holzkreuze auf. Diese seien illegal aufgestellt und von den Beamten beschlagnahmt worden. Sie seien vor allem an Ortseingängen befestigt worden, unter anderem an mehreren Orten auf der Insel Usedom. Auf diesen seien fremdenfeindliche Parolen zu lesen gewesen. Der Staatsschutz ermittle nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Seit 2014 mehren sich im Nordosten Deutschlands um den 13. Juli herum solchen Aktionen. Der Verfassungsschutz rechnet sie der rechtsextremistischen Szene zu. Die Hintermänner wollen so an "deutsche Opfer von Gewalt durch Ausländer" erinnern. In den Vorjahren waren landesweit 139 (2014), 120 (2015), 76 (2016), 68 (2017) und 179 (2018) Kreuze gezählt und abgenommen worden. Bereits in der Nacht zum Freitag gab es solche Fälle in Neubrandenburg. Laut dem aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht protestierten am 10. Februar Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung Bayern ( siehe Infokasten ) gegen den Bau einer türkischen Moschee in Regensburg. Sie stellten auf dem Baugrundstück 30 Holzkreuze auf. Damit gibt die Identitäre Bewegung (ID) vor, an Opfer von mutmaßlich islamistischer Terroranschläge zu erinnern. Dabei geht es ihnen laut Bericht um das Gegenteil: Vor allem sollen Menschen muslimischen Glaubens schlecht gemacht und Vorurteile verbreitet werden.
Seit der vergangenen Woche wird die ID vom Verfassungsschutz beobachtet, wie Thorsten Winkelmann, Politikwissenschaftler der Universität Erlangen erklärt. Die ID sei eine junge Bewegung im rechtsextremen Bereich. Bekannt war sie bisher vor allem in Österreich. Sie bediene sich nicht mehr plumper, rechter Parolen der Vergangenheit, sondern setze auf Aktionen wie das Anbringen von Kreuzen und Soziale Medien, um ihre ausländerfeindlichen Botschaften zu verbreiten. Damit erreiche sie vor allem junge, gebildete Menschen. Ein Ziel ihre Mitglieder sei ein Nationalstaat, in dem ausschließlich Mitglieder eines Volkes lebten. Deswegen forderten sie in Deutschland etwa, dass Deutsche mit ausländischen Wurzeln das Land verlassen sollten. "Die Bewegung richtet sich vor allem gegen den Islam." Viele Pläne seien angekündigt worden, etwa ein Schiff ins Mittelmeer zu schicken, um Flüchtlinge zurück in ihre Heimatländer zu fahren. "Nichts hat funktioniert." Winkelmann spricht von "Wahn" und "Realitätsferne" bei den Zielen der Bewegung.
Dennoch darf man die ID laut Winkelmann nicht belächeln. Denn sie biete einige Herausforderungen für den Staat. Bisher bewegten sich ihre Mitglieder in einer rechtlichen Grauzone. "Ihre Symbole und Parolen sind nicht verboten." Sie seien gerade noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die wahrscheinlichste Straftat, die in diesen Fällen in Frage komme, sei Volksverhetzung. Ob die rechtsextremen Mitglieder der Identitären Bewegung dafür künftig zur Rechenschaft gezogen werden können, sollen nun Verfassungsschützer und V-Männer herausfinden.