Neustadt/Sonneberg Schwarze Holzkreuze in Neustadt

Yannick Seiler

Rechtsextreme sind bekannt dafür: Sie stellen Kreuze mit Botschaften auf - nun auch in Neustadt. In Sonneberg gehen sie einen Schritt weiter.

 
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Neustadt/Sonneberg - Holzkreuze statt Hakenkreuze: Darauf hatten mutmaßlich Rechtsextreme am Wochenende in Neustadt und Sonneberg zurückgegriffen, um ihre Parolen zu verbreiten. Doch schon am Montag war von den schwarzen Holzkreuzen - die Namen vermeintlicher Opfer der Gewalt von Ausländern und mutmaßlich rechte Parolen waren darauf zu lesen - in den beiden Städten nichts mehr zu sehen. Mitarbeiter des Neustadter Bauhofs hatten die Zeichen abgenommen, wie Matthias Schuhbäck, Leiter der Polizeiinspektion Neustadt am Montag auf Nachfrage mitteilte. Sie waren etwa an Bäumen und Straßenschildern im Stadtgebiet befestigt. "Meine Kollegen haben die Kreuze am Wochenende gesehen", erklärt er. Zeitgleich hätten Anwohner bei den Beamten angerufen und sie auf die ungewöhnlichen mit Draht und Kabelbinder befestigten Kreuze aufmerksam gemacht. Die Polizisten reagierten schnell. Sie fotografierten die mindestens 20 Grabkreuz ähnlichen Aufsteller. Einige davon stellten sie als Beweise sicher. Den Fall übergaben sie an ihre Kollegen vom Staatsschutz.

Vorbild Frankreich, Feinbild Islam

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung (ID) orientiert sich in ihren Forderungen an gleichgesinnten Gruppierungen in Frankreich. Sie vertritt eine islamfeindliche Haltung und befürchten eine Überfremdung Deutschlands durch Zuwanderung, wie es im aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht heißt. Ihre Ziele sind etwa, die Ausreise aller Bürger mit ausländischen Wurzeln und ein Land, in dem nur eine Volk lebt. Durch öffentliche Aktionen wie das Anbringen von schwarzen Kreuzen oder Bannern mit ihren Parolen versuchen die Mitglieder ihre Botschaften zu verbreiten. Sie bedienen sie sich statt dumpfer Parolen wie "Ausländer raus" neuen Formulierungen wie "Remigration". Die ID ist vor allem bei jungen, gebildeten Menschen beliebt. In ID-Unterlagen fordern Mitglieder Kontakte mit der AfD und deren Jugendorganisationen zu knüpfen. Die ID Franken umfasst etwa 15 Mitglieder. Seit Kurzem beobachten Verfassungsschützer die rechtsextreme Bewegung.

Diese ermitteln nun laut Heiko Mettke, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfrankens, aber nicht. Zwar stecke ersten Erkenntnissen nach eine politisch motivierte Aktion dahinter, jedoch "stellen die Kreuze keine Straftat dar". Auf den Zeichen in Neustadt seien lediglich Namen und Altersangaben zu sehen, einige wären ohne Aufschrift. In Unterfranken seien am Wochenende ähnliche Kreuze entdeckt worden.

Oberbürgermeister Frank Rebhan (SPD) gibt sich am Telefon gelassen, als er über die vermeintlich rechte Tat redet. Am Sonntag habe er die Kreuze gesehen, als er mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhr. "Was nicht hängen darf, wird abgenommen", sagte er mit Blick auf die Bauhofmitarbeiter, die er damit beauftragt habe die Kreuze abzunehmen. "In Neustadt ist das der erste Fall", meint Rebhan.

Auch in der Neustadter Nachbarstadt Sonneberg in Thüringen seien am Wochenende erstmals schwarze Kreuze aufgetaucht. Hier gingen die wohl rechten Hintermänner jedoch noch einen Schritt weiter. "Wir haben mutmaßlich rechte Parolen auf den Kreuzen entdeckt", erklärt Eddy Krannich, Pressesprecher der Landespolizeiinspektion Saalfeld auf Nachfrage der Neuen Presse . 22 der schwarzen Zeichen haben die Beamten am Wochenende dort gezählt. Neben dem Namen von Opfern der Gewalt von Ausländern seien auf einigen auch Parolen wie "Fremde Täter, Deutsche Opfer", "Asyllobby" oder "Terrorhelfer" zu lesen gewesen. Inzwischen hat die Kommune die Kreuze einsammeln lassen. Laut Krannich müsse man nun die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Anschließend müssten sich die Beamten mit der Staatsanwaltschaft absprechen, ob der Staatsschutz die Ermittlungen übernimmt.

Wie die Stadt Sonneberg den Vorfall aufnimmt, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Oberbürgermeister Heiko Voigt (parteilos) und sein Stellvertreter Christian Dressel waren nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Neben Sonneberg haben Polizisten auch im thüringischen Gera 15 Holzkreuze beschlagnahmt. Sie seien vermutlich in der Nacht zum Samstag dort an Laternenmasten befestigt worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auch in Mecklenburg-Vorpommern tauchten laut Polizeiangaben am Wochenende mindestens 50 schwarze Holzkreuze auf. Diese seien illegal aufgestellt und von den Beamten beschlagnahmt worden. Sie seien vor allem an Ortseingängen befestigt worden, unter anderem an mehreren Orten auf der Insel Usedom. Auf diesen seien fremdenfeindliche Parolen zu lesen gewesen. Der Staatsschutz ermittle nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Seit 2014 mehren sich im Nordosten Deutschlands um den 13. Juli herum solchen Aktionen. Der Verfassungsschutz rechnet sie der rechtsextremistischen Szene zu. Die Hintermänner wollen so an "deutsche Opfer von Gewalt durch Ausländer" erinnern. In den Vorjahren waren landesweit 139 (2014), 120 (2015), 76 (2016), 68 (2017) und 179 (2018) Kreuze gezählt und abgenommen worden. Bereits in der Nacht zum Freitag gab es solche Fälle in Neubrandenburg. Laut dem aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht protestierten am 10. Februar Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung Bayern ( siehe Infokasten ) gegen den Bau einer türkischen Moschee in Regensburg. Sie stellten auf dem Baugrundstück 30 Holzkreuze auf. Damit gibt die Identitäre Bewegung (ID) vor, an Opfer von mutmaßlich islamistischer Terroranschläge zu erinnern. Dabei geht es ihnen laut Bericht um das Gegenteil: Vor allem sollen Menschen muslimischen Glaubens schlecht gemacht und Vorurteile verbreitet werden.

Seit der vergangenen Woche wird die ID vom Verfassungsschutz beobachtet, wie Thorsten Winkelmann, Politikwissenschaftler der Universität Erlangen erklärt. Die ID sei eine junge Bewegung im rechtsextremen Bereich. Bekannt war sie bisher vor allem in Österreich. Sie bediene sich nicht mehr plumper, rechter Parolen der Vergangenheit, sondern setze auf Aktionen wie das Anbringen von Kreuzen und Soziale Medien, um ihre ausländerfeindlichen Botschaften zu verbreiten. Damit erreiche sie vor allem junge, gebildete Menschen. Ein Ziel ihre Mitglieder sei ein Nationalstaat, in dem ausschließlich Mitglieder eines Volkes lebten. Deswegen forderten sie in Deutschland etwa, dass Deutsche mit ausländischen Wurzeln das Land verlassen sollten. "Die Bewegung richtet sich vor allem gegen den Islam." Viele Pläne seien angekündigt worden, etwa ein Schiff ins Mittelmeer zu schicken, um Flüchtlinge zurück in ihre Heimatländer zu fahren. "Nichts hat funktioniert." Winkelmann spricht von "Wahn" und "Realitätsferne" bei den Zielen der Bewegung.

Dennoch darf man die ID laut Winkelmann nicht belächeln. Denn sie biete einige Herausforderungen für den Staat. Bisher bewegten sich ihre Mitglieder in einer rechtlichen Grauzone. "Ihre Symbole und Parolen sind nicht verboten." Sie seien gerade noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die wahrscheinlichste Straftat, die in diesen Fällen in Frage komme, sei Volksverhetzung. Ob die rechtsextremen Mitglieder der Identitären Bewegung dafür künftig zur Rechenschaft gezogen werden können, sollen nun Verfassungsschützer und V-Männer herausfinden.

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